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Günther Günther
bewußten Gefühl, daß er auf dem Boden des
Katholicismus ein ewig Unentschiedener bleiben
werde. G.'s Philosophie — obwohl er selbst zu
der kleinen Zahl der Vertreter der deutschen
Philosophie in Oesterreich gehört — hat mehr
außerhalb Oesterreich's, namentlich in Preußen,
Platz gegriffen. Interessant ist die geschichtliche
Entwickelung der G.'schen Zehre, deren Aus
gangspunkt einstweilen das Verdammungs
urtheil der Inder»Congregation, die hier mit
der Machtvollkommenheit eines Concils auftrat,
bildet. Als G. die Ergebnisse seines Denkens in
seiner „Vorschule zur speculatioen Theologie.. ^
niederlegte, wurde das Werk von den katho
lischen Theologen sehr günstig aufgenommen.
Zwei Freunde, Dr. meä. Ioh. Heinr. Pabst
und der berühmte Homilet Dr. Ioh. Eman.
Veith. förderten G.'s Bestrebungen. Ersterer
stellte in seiner Schrift: „Der Mensch und seine
Geschichte", die G.'schen Grundsahe bündig und
geordnet zusammen; führte in einer zweiten:
„Adam und Christus. Zur Theorie der Ehe"
die G.'sche Naturlehre aus, und gab mit G.
zugleich die „Ianusköpfe" heraus. Der Zweite,
Dr. Vei th, einer der ersten Kanzelredner unse>
rer Zeit-, brachte in seinen Predigten die G.'sche
Speculation dem Verständniß seiner zahlreichen
Zuhörer nahe und wirkte in noch weiteren
Kreisen durch Herausgabe seiner Vorträge. Auch
andere Freunde noch waren für die Verbreitung
von G.'s Lehren thätig so z. B. Dr. Hock.
nunmehriger Sectionschefim Finanzministerium.
Was einerseits den Mangel einer wohlgeformten
Darstellung in G.'s Schriften fühlbar machte,
ward anderseits durch seinen humorvollen Vor«
trag, mit welchem er oft an Jean Pau l erin<
nerte. ersetzt. Günther, auf dem betretenen
Wege fortwandelnd, begann nun die herrschenden
Philosopheme zu sichten.
Gegen jene Wissenschaft»
lichen Bestrebungen, die entweder das Christen»
thum als sträflichen Widerstand gegen den Ver»
stand bekämpften, oder aber um dessen Ehre zu
retten, neue Begriffe und Deutungen den Offen»
banmgen desselben unterschoben, waren seine
Angriffe zunächst gerichtet. Mit Einigen der
Betheiligten, wie z. B. mit I . H. Fichte, licß
sich G. in ernste offene Erörterungen ein; Andere,
wie Rosenkranz, fertigten ihn als „Clero«
traten und Philosophen der römischen Curie"
ab. Wie wenig er das letztere war, hat der
Ausgang bewiesen. Dieß Alles ließ man ge<
schehen. Als G. aber, in dem begonnenen Geiste
fortfahrend als selbstverständlich nachwies daß
die Kirchenväter, unbeschadet ihres Ansehens für
den Glauben nicht immer glücklich philosophir» ten. insoferne sie das Christenthum mittelst
antikhcidnischer Ideen zu begreifen suchten, da
rief er die Opposition gegen sich auf. Die
einfach Gläubigen fühlten sich durch den Angriff
auf Autoritäten beirrt, auf welche sie unbedingt
schwuren; die Gelehrten fühlten sich verletzt,
indem ihnen plötzlich Jemand ihr Denken als
nichtchnstlich beweisen wollte und sogar bewies.
Die frommen Epikuräer, die gottseligen Sen-
sualisten, die modernen Liebhaber der Scholastik,
alle standen sie mit einem Male gegen ihn auf
den Beinen. Auch trug die Art und Weise, wie
der in der Weisheit und Gedankenforschung
ergraute Theolog junge Professoren und Dilet'
tanten unbarmherzig meisterte, das ihrige bei,
den Widerstand gegen ihn aufzurufen. Mattes,
Oischinger, Volkmuth, Fr ings eröff-
neten gegen G. eine — erfolglose —Polemik;
andererseits wieder wirkten junge Denker an den
Hochschulen zu Tübingen, Bonn, Breslau und
Prag und an andern im Geiste ihres Meisters.
Da trat im Jahre 4852 ein Wendepunkt ein.
Bischof Arnold i in Trier hatte verboten, an
seinem Seminar die G.'sche Philosophie vor«
zutragen. Zugleich wurde in Rom die Unter-
suchung dcr G.'schen Lehre eingeleitet. Nun
erhoben sich G.'s Gegner. Professor Dierin<
ger. Prioatdocent Clemens in Bonn,
Oischinger in Münch en, D e n z i n g e r, Zög«
ling des deutschen Collegs in Rom, nachmals
Professor in Würzburg, bekämpften rüstig G.'S
Lehren. Andere wieder traten zu Gunsten der-
selben auf: wie Professor Baltzer in Breslau,
Professor Knoodt in Bonn, Abt Gang auf
in Augsburg; von den Journalen standen
„Sion" und die „Wiener Kirchenzeitung" für
ihn ein. G. selbst — damals krank darnieder-
liegend — betheiligte sich an dieser Zeloten-
Intrigue nicht Zugleich nahmen hohe Kirchen»
fürsten Partei für G. darunter der österreichische
Nuntius ViH16 I> roIü. Doch dieß Alles half
nichts. Eine Erklärung, welche G. selbst an den
heiligen Vater sandte, wurde in Rom „wunder»
bar schön" befunden, aber G.'ö Lehre wurde ver»
dämmt. Man gab sich einige Zeit der Hoffnung
eineö günstigen Erfolges hin. Domcapitular
Baltzer und Abt Gang auf wurden nach
Rom bcschieden. G.'s Gegner, selbst Oischin-
ger und Danzinger, geriethen untereinander
in Fehde; aber in Frankreich und in Italien standen
nun neue Gegner gegen G. auf; der „Hnivorl,"
brachte einen Artikel gegen ihn, und in Italien
wurde G. förmlich für einen Atheisten erklärt.
Vielleicht würde Alles dieß nicht vermocht
haben, der Sache die Wendung zu geben, die
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Guadagni-Habsburg, Band 6
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Guadagni-Habsburg
- Band
- 6
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 502
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon