Seite - 34 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Habsburg-Hartlieb, Band 7
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Habsburg — Maria Antonia 34 Zabsburg — Maria Antonia
für alle Mal zu entziehen. Verschiedene
Pläne wurden entworfen, und wieder
verworfen; die Königin betheiligte sich
energisch daran. Aber die Auflaurer ent»
wickelten eine nicht geringere Thätigkeit
ihrerseits; in der nächsten Umgebung der
Königin befanden
sich Personen, die jeden
ihrer Schritte beobachteten. Und thatsäch»
lich legte der Maire von Paris der
Königin nach ihrer unfreiwilligen Rück-
kehr von Varennes eine Anzeige vor,
in welcher eine ihrer Kammerfrauen
bereits am 24. Mai die Anzeige machte,
daß man in den Tuilerien Vorkehrungen
zur Flucht treffe. Nachdem Alles auf das
Genaueste besprochen, alle Vorsichtsmaß-
regeln getroffen wurden, wurde auf den
20. Juni 179 l. die Flucht aus den
Tuilerien festgesetzt. I n einen Wagen
gingen der König, die Königin, Madame
Elisabeth, die beiden Kinder und
deren Erzieherin, Frau von Tourzel.
Der Paß, auf welchen der König reiste,
lautete auf eine russische Baronin von
Korff. Der König sollte für den Kam«
merdiener der Frau von Korff gelten.
Gegen -11 Uhr Abends traf der König mit
der Königin in Varennes ein. Aber schon
in Saint'Mmehould war der König, als
er den Kopf zum Wagenfenster heraus»
steckte, von Drouet, dem Sohne des
dortigen Postmeisters, einem eifrigen
Patrioten, erkannt worden, und dieser
Drouet war es, der nach Varennes
eilte und dort die Weiterfahrt des
Königs vereitelte, welche überdieß noch
durch andere Umstände aufgehalten wor-
den. Mit dem Gemeindevorsteher von
Varennes, Sausse, und dem berüchtigten
Bi l laud, nahm Drouet die Flüch-
tigen in Empfang, als sie eben die Brücke
über den die Stadt theilenden Fluß pas-
siren wollten. Alle Versuche, den König und
die Königin zu retten, waren vergeblich. Die Nachricht von der Verhaftung des
Königs und der Königin wurde sogleich
nach Paris gegeben, von wo drei Mit»
glieder der Nationalversammlung, näm«
lich Latour-Maubourg, Barnave
und P6t ion, als Commiffarien abge-
ordnet wurden, die Gefangenen sicher
nach Paris zurückzuführen. Acht Tage
dauerte die Fahrt von Varennes nach
Paris zurück. In der Nationalversamm-
lung wurde indeß dem Könige, der Koni«
gin und dem Dauphin eine Abtheilung
der Nationalgarde als Ehrenwache zuer-
kannt, diese aber in jeder Hinsicht für
die genannten Personen verantwortlich
gemacht, ferner wurden die Theilnehmer
der Flucht verhaftet, und der König selbst
für den Augenblick der Befugnisse des
Königthums verlustig erkart. Die Bewa-
chung der Königin verstieß gegen alle
Sitte. Angesichts der Garden mußte sich
die edle Fürstin niederlegen, aufstehen,
ankleiden. Endlich war die Constitution
entworfen und vom Könige angenom«
inen,, es fanden aus diesem Anlasse sogar
Festlichkeiten Statt; aber Alles war
Maske; die Gährung im Volke stieg,
und mit ihr die Gefahr der königlichen
Familie. Maria Antoinerte hatte
alsbald die Gefahr durchschaut, und
unmittelbar nach der ConstitntillnHfeier
die merkwürdigen Worte gesprochen:
„Die Leute wollen keine Könige mehr
(3ouv6i'Ä.in8); wir erliegen ihrer trm<
losen, aber folgerecht beobachteten Kriegs«
kunst; sie reißen einen Stein der Monar»
chie nach dem andern nieder." Was aber
am meisten die Gefahr des königlichen
Paares steigerte, war das ruchlose Betra-
gen der Ausgewanderten, welches den
König und die Königin auf das unbeson»
nmste und furchtbarste blosstellte. Mit
jedem Tage mehrten sich die Verwickelun«
gen, und Niemand war in der unmit>
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Habsburg-Hartlieb, Band 7
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Habsburg-Hartlieb
- Band
- 7
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1861
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 472
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon