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Folter 233 Holtet
Ein Wechsel in der Direction des Theaters
hatte die Folge, daß H. seine Stelle auf«
gab. Als Vorleser SHakespeare'scher
Dramen hatte er schon früher eine reiche
Ernte gemacht. Dem Alleinstehenden
war es um die Zukunft nicht bange.
Vorerst wollte er nur sich leben, er be>
suchte also seine Kinder, die bei Ver-
wandten in Schlesien untergebracht
waren, dichtete Lieder in schlesischer
Mundart, die bald sangbare Melodien
gefunden hatten und in den Volksmund
übergegangen waren und wanderte in
Obernigk, Trachenberg, Grafenort, Lan>
deck und anderen Orten, wo er gekannt
und beliebt war, umher, so daß es bald
hieß: „der Obernigker Bote geht wieder
um". Da sein Mäcen aus Grafenort,
Graf Herberftein,eben eine Reise nach
Paris vorhatte und einen Begleiter
wünschte, nahm H. den Antrag an und
kam nach Paris, wo er eine Reihe der
interessantesten Persönlichkeiten, unter
vielen Anderen Cherubini, Päer,
Auber, Scribe, Boieldieu, Dela»
vigrie, Lafayette, Fould,Sidney
Smith, Gall. Rossini, Benjamin
Konstant kennen lernte. Nach seiner
Rückkehr nach Deutschland besuchte er
Düsseldorf und Weimar, wo er bei
Goethe huldreiche Aufnahme fand und
die Gunst der geistreichen Johanna
Schopenhauer erwarb, die ihm bis
zum letzten Hauche ihres Lebens Freun»
din blieb. Alsdann kehrte H. nach Berlin
zurück, wo er, kürzere Unterbrechungen
abgerechnet, mehrere Jahre verlebte. In
dieser Zeit begründete er wieder eine
kritische Theater-Zeitschrift: „Monatliche
Beitrage zur Geschichte dramatischer
Kunst und Literatur", von der 6 Bände
erschienen sind; trat neuerdings als
öffentlicher Vorleser auf, dichtete daS
wirsame Stück „Lenore" nach Bürger's gleichnamiger Ballade, schrieb die Posse
„Staberl als Robinson", hielt in der
Zwischenzeit (Jänner 4828) dramatische
Vorlesungen in Weimar, wo er sich
G oeth e's besonderer Gunst erfreute und
ihm dessen Sohn August näher trat;
bearbeitete nach seiner Rückkehr nach
Berlin mit Bewilligung des Dichters
den „Faust" für die Bühne, ohne jedoch
dessen Aufführung durchzusetzen; schrieb
sofort einen eigenen „Faust", der als
„wunderthatiger Magus des Nordens"
am 10. Jänner 1829 zur Aufführung
kam; verliebte sich in seine nachmalige
zweite Frau Julie Holzbecher, die
gleichfalls eine beliebte Schauspielerin
war und mit der ihn Schleiermacher
am 23. März 1329 traute. Seinem
Aufenthalte in Berlin machte die Beru«
fung an das Darmstädter Hoftheater, für
ihn als Regisseur und Theaterdichter, für
sie als darstellendes Mitglied ein Ende
und H. übersiedelte nach Darmstadt,
wohin er auch seine Kinder aus Schlesien
mitnahm. Aber auch da zeigten
sich die
Dinge in der Nähe viel anders als sie
aus der Ferne erschienen waren. Unter
zwei Intendanten, die sich gegenseitig
befehdeten, litt die Anstalt und ging ihrer
Auflösung entgegen. H. litt es nicht'
lange in solchen Verhältnissen, er ver«
langte entschieden seine Entlassung und
ging als er sie erhielt wieder nach Berlin,
wo aber die Verhältnisse eben auch nicht
die erquicklichsten waren. H. vollendete in
dieser Zeit sein Schauspiel: „Der dumme
Peter", des berühmten Ludwig De»
vrient letzte Rolle; „Das Trauerspiel
in Berlin", worin er die weltberühmte
Figur des Eckenstehers „Nante" schuf,
die in Beckmann ihren unerreichten
Darsteller fand (Nestroy behandelte
dann später für Wim denselben Stoff
in seiner „Vechängnißvollen Faschinge-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hibler-Hysel, Band 9
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Hibler-Hysel
- Band
- 9
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1863
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 518
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon