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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Leon-Lomeni, Band 15
Seite - 272 -
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272 wie nach einem Unaewitter aus heiterem Himmel, wie nach Donner und Blitz, ver- mischt mit Blumenregen und Blüthenschnee und schimmerndem Regenbogen, und er steht da. und lehnt sich wehmüthig, sonderbar lächelnd, an einen Sessel, wie ein Aus» rufungSzeichen nach dem Ausbruche der allge« meinen Bewunderung. So ist Franz Liszt. — Ein anderer Kritiker schreibt: „Liszt 's Com Posit ionen können unmöglich mit dem gewöhnlichen Maßstabe gemessen werden. Es ist wahr: Man wirft ihnen vor. sie seien ein Babel von gesuchten Schwierigkeiten, ba< rocker musikalischer Gymnastik und akrobatisch« akustischen Kunststücken; man vermisse an ihnen jene Jean Paul'sche Zartheit und Gefühlswärme, welche die Tondichtungen eines Chopin und Henselt charakterisier — allein ich möchte sie einem stolzen unbäw digen Roß vergleichen, das keinen anderen auf sich duldet, als seinen Meister und Herrn und dessen ganze trotzige Wildheit nur dazu dient, die volle Kraft und Bravour des Reiters um so besser zu beurkunden." Was aber Liszt's Spiel anbelangt, schreibt der» selbe Kritiker: „Als ich Liszt in Wien im Concert spirituel Beethoven's groß» artige Symphonie spielen hörte, war es die herrlichste Apotheose des unsterblichen Sha» kespeare's der Töne, und er selber ganz versunken in die inbrünstigste Andacht und Verehrung deö großen Meisters. Da gab es keine Zuthat von Verzierung und Schnörkelei, das war die reine Beethoven'sche Poesie und da standen die getreuen Anhänger classi- scher Tonkunst, die guten alten Herren aus der guten alten Zeit mit leuchtenden Blicken und hochklopfenden Herzen und schüttelten einander die Hände — und als nun die Akademie vorüber war, da hörte man von so Manchem die Versicherung, seit Beetho» ven's Tode habe er keinen solchen Festtag gehabt." — Liszt 's Biograph in den „Män- nein der Zeit" schreibt: „Die Kompositionen seiner ersten Periode dienten seiner Technik; sie bestanden in Wagnissen der genialen aber coquetten Virtuosität, die die Kunst nur zum willkürlichen Spiel ihrer Künste macht, in Arrangements. Uebertragungen fremder Werke auf's Clauier, namentlich Beet ho« v e n'scher Symphonien und Schubert 'scher Lieder, in Paraphrasen und Illustrationen namentlich auch schon in Transscriptionen ungarischer Nationalmelodien, die er später wieder aufnahm und schöpferisch umgestaltete. Sein Flügel sang; aber er ersetzte auch ein ganzes Orchester. Hier lag das StaunenS- werthe, womit er den Zauber der Geige Paganin i 's noch überbot, weil er die tiefsten und größten Ensemblestücke der deut- schen Orchester-Instrumentation auf die Tasten des bis zur Universität ausgedehnten Pianos, freilich oft mit launenhafter Willkür, aber mit titanenhafter Gewalt übertrug. In seiner zweiten Periode verwarf Liszt seine bis' herigen Compositionen. in denen der Ton den Gedanken erzeugen, und versuchte Schöpfungen, in denen der Gedanke den Ton hervorrufen sollte. Er eröffnete sich als Symphonist einen neuen Spielraum. Wagner glaubte an die Endschaft der Instrumentalmusik, indem er nachwies, daß Beethoven mit seiner letzten Symphonie das Bereich der Töne durchbrach und zum Worte, zum Schillerchor von der Freude griff. Ton und Wort suchte Wag- ner in einem neuen musikalischen Drama zu verschmelzen. Liszt propaganoirte den Tann» häuscr, den Lohengrin; aber er arbeitete für sich selbst in anderer Weise am Fortschritt? der rein instrumentalen Musik. Wir meinen nicht seine Sonaten und Polonaisen, nicht seine Messe, in der er den Gefühlsinhalt der Musik neu schaffen wollte; wir meinen seine Pro» grammmusik. Der bloße Ton soll hier nicht nur etwas andeuten, sondern einen concreten Inhalt, einen Gegenstand und eine Gestalt vollständig und ohne Hilfe der Poesie malen, beschreiben, fest hinstellen und erschöpfen. , . . So schuf Liszt seine Faust'Symphonie und seine zwölf symphonischen Dichtungen: „ O hu'on sutsnä 5ur 1a montane«, die soge> nannte „Bergsymphonie", „Tasso", mit dem tze: „I^amsuto s trioulo", „k^siuäes", „Festklänge", „Heldenklage" , „Hungaria", „Dante", „Schiller<Ideale", „Hamlet". Daß die neue Schule es unternimmt, die höchsten Fragen der ganzen Menschheit musikalisch zu lösen, ist ein Wagniß. Wagnisse des Geistes sind immer bedeutend, namentlich der ärm« lichen Beschränkung gegenüber, die der Geist ängstlich sich selber stellt. „Brechen mit der Schablone!" ist der Wahlspruch der Schule. Mit Geist und Muth ausgerüstet, wird sie ihren Kampf gegen den Schlendrian aller Richtungen siegreich weiterfechten. Allein sie wird sich um ihren positiven Beruf bringen, wenn sie mit den Grenzen zugleich die Ziele ihrer Kunst verkennt und überschreitet. Der Streit über Liszt's symphonische Dichtun»
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Leon-Lomeni, Band 15
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Leon-Lomeni
Band
15
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1866
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
499
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
Lexika Wurzbach-Lexikon
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