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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20
Seite - 221 -
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Seite - 221 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Band 20

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Neftioy 221 Neftroy sen, jetzt auf die Phrase und Geberde ihres Meisters Nestroy schwören. Wohin man horcht, tönt sie in ihrer vielbedeutenden Zwei» deutigkeit entgegen, wohin man sieht, grinst sie mit der stereotyp gewordenen Haltung des genialen Mimen dem Beschauer zu. Mehr als man ahnt, hat diese'unheimliche Macht im Wiener Leben Platz gegriffen, und noch ist nicht abzusehen, wann sie zu ihrem Ab« schlusse gelangen wird. Es ist eben die Wir- kung einer so genialen Potenz, wie die Nestroy'S, daß sie fortzeugend, selbst gegen ihren Willen, ihren verderblichen Weg fort« sehen muß; solche Kräfte sind mit einer Art elementarer Unwiderstehlichkeit ausgerüstet, die, was sie ergreift, mit sich fortreißt und auch festhält. Ja wir nehmen keinen Anstand, die Behauptung aufzustellen, daß ein großer, ja vielleicht der größte Theil jener geistigen Entnüchterung und Kühle, mit der das jetzige Wien, namentlich was die Bühne betrifft, an die Schöpfungen der Kunst herantritt, mit auf Rechnung jener Nestroy'schen Phrase und Gcberde zu sehen sei, deren Macht Jeder an sich selbst erprobt hat. Uno wenn wir selbst das Burgtheater, das vor allen dazu berufen ist, den heiligen Funken der Begeifte« rung auf seinem Herde zu wahren, hie und da die Bahnen verlassen sehen, um auch andere, nicht immer lobenswerthe Leckereien für den überreizten Gaumen aufzusuchen, sollte auch diese Erscheinung nicht aus jenem Geiste der Zeit zu erklären sein. der aus der Nestroy'schen Phrase und Geberde seine Nahrung sog? Sollte die flüchtige Hast, die man jetzt den classischen Meisterarbeiten unse« rer Väter gönnt, um bei der nächstbesten, dem Französischen nachgeschmiedeten Bluette noch zu bereuen, daß man sie eben gegönnt hat. nicht in unsichtbaren Canälen zu jenem Wege führen, den der eben zur Kirchhofsruhe ein» gegangene Altmeister vorgezeichnet hat? . . . Nestroy war ein Product seiner Zeit, jener nüchternen, zersetzenden, nivellirenden Zeit, die mit hämischer Schadenfreude den Erschei« nungen zu Leibe geht, und die Satyre der realistischen Eingenommenheit an alles Ideale legt. Die Natur hatte ihn so ausgestattet und ihrem Rufe mußte er folgen. Es ist eben die Zeit des UebergangeS, unter dem wir sowohl Mitische als sociale und künstlerische Zu. stände leiden sehen, die zumeist solchen Cha» ratteren zur Geburtsftätte dient. Wie ver< verblich der GeniuS dieses Mannes in seiner Sphäre im Großen und Ganzen gewirlt haben mochte, er folgte hierin nur dem Wal» ten eines Naturgesetzes, das sich zur Heilung ungesunder Zustände derartiger Kräfte bedient. Unser Volksleben wird einst wieder die volle Rothe.der Genesung erlangen, das Ueber- gangsstadium wird zum Abschlüsse kommen, dann wird vielleicht auS jenen realistischen Zerrbildern Nestroy's, die jedenfalls ein bedeutendes Blatt in der Culturgeschichte ein» nehmen werden, eine Saat aufgehen, deren volle Frucht — ein echtes „Volksstück" sein dürfte!" — Meynen über Nestroy. „Die Elfenwelt Ferdinand Raimund's war kurz nach dem Heimgange, ihres Schöpfers ver» funken, und Nestroy kam, der das Wiener Publicum mit derben Armen aus dem Rai ' mund'schen Wolkenwagen hob und auf das Feld des Realen hinstellte. Es war ein ziem» lich gewaltsamer, übergangloser Umschwung, von welchem der Wiener Geschmack sich hin» reißen ließ. ein Sprung auS dem heißen Dunst» bade in die Kühlwanne. Nestroy unterwarf die Wiener Volksbühne, bei welcher die Rai- mund'sche Empfindsamkeit den Charakter eines Nervenleidens anzunehmen drohte, einer Gewaltcur, die eine starke Krisis zur Folge hatte, aber ihren Zweck erreichte; er trieb durch derbe materielle Gegengifte den durch Raimund ibr eingeimpften Idealismus heraus. Cs war eine Desinfecrion der eigen» thümlichsten Art. Ein grober Philosoph, ein Porträtmaler, bis zur Grausamkeit wahr, griff er tief in den Vorrath menschlicher Gewöhn» heiten, Begierden und Thorheiten, oft bis in den unsauberen Schutt ihrer Fundamente, und seine satyrische Indifferenz gesiel sich dabei nicht selten in nahezu verletzenden Con« trasten. Aus seinen Bildern stellte sich eine zwar nicht tröstliche, nichtsdestoweniger aber überzeugende Wahrheit heraus, und auch solche Gemüther, welche sich gegen den Ueber- gang sträubten, nöthigte sein sprudelnder, sar- kastischer Witz durch eine Masse treffender und vielfach sehr gerstreicher Beziehungen, sich ihm zu beugen. Der Geisterwelt machte Nestroy bloß anfangs einige Zugeständnisse, weil er einsehen mochte, daß die Raimünd'schen Traditionen sich nicht auf einmal beseitigen ließen, aber seine Geister Lumpacivagabundus und dessen Anhängsel waren im Grunde nur Travestien der duftigen Wesen, die ,,DaS Mädchen aus der Feenwelt" und der „Ver- schwender" in ihre Obhut genommen hatten, und so bald es ohne Aufsehen geschehen tonnte, brach Nestroy entschieden und für immer
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Nabielak-Odelga, Band 20
Titel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Untertitel
Nabielak-Odelga
Band
20
Autor
Constant von Wurzbach
Verlag
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Ort
Wien
Datum
1869
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
13.41 x 21.45 cm
Seiten
514
Schlagwörter
Biographien, Lebensskizzen
Kategorien
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