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Oettl Oettl
im Jänner 1836 erfolgtes Ableben, ob.
gleich nur Minifterialrath, den Dienst
eines StaatSsecretärs im Präsidialbureau
des Ministers. Ueber seine Wirksamkeit
als Staatsbeamter berichtet ein freisinni<
ger Zeitgenosse Oett l 's, der Statt«
Halter Dr. Alois Fischer, in seinem
Werke: „Aus meinem Amtsleben".
Dort heißt es von Oet t l : „er war
ein B u r e a u k r a t in der edlen
Bedeutung des Wortes. Er haßte alles
Mechanische am Amte, insoweit es
nicht der Ordnung wegen beibehalten
werden mußte. Seine Gesetzeskenntniß
überraschte die unterrichtetsten Beamten;
hiemit vereinigte er eine reiche Erfahrung,
denn er diente wie beinahe Alle seines
Standes, vom untersten Dienstesgrade
an in verschiedenen Kreisen und politi»
schen Aemtern, viele Jahre in unter»
geordneten Stellungen und sein großes
treues Gedächtniß bewahrte Alles, was
ihm vorgekommen. Der Umfang seines
Wiffens schwang sich weit über seine
Amtssphüren hinaus. Auch hatte er
durch rastloses Studium eine gründliche
staatsmännische Bildung erworben. Ob«
wohl nicht angstlich, wo es sich darum
handelte, eine größere Freiheit zu ge-
währen, gestattete er doch gewagten
Experimenten im öffentlichen Zeben keinen
Eingang. Er haßte die Vielregiererei und
liebte das Selfgouvernement; hielt aber
an dem, was der Regierung ist, mit
unerbittlicher Strenge fest. I n der Be-
kämpfung fremder Ansichten trieb er die
Sache gern bis an die Spitze, und bei
seiner Rücksichtslosigkeit, die oft in
Härte ausartete, schnitt er tief ein; er
glich einem scharf geschliffenen Messer,
an welchem man sich leicht verwunden
kann; unter seinen Mitbeamten gab es
deßwegen nur wenige, die ihn liebten;
selbst seinen erprobten Freunden gegen» über brauchte er lange, um warm zu
werden, um sie zu erwärmen Er
war gerecht, selbst in den geringfügigsten
Vorkommnissen, seine Ausdauer im
Dienste hatte keine Grenzen; schon
halb sterbend, brachte er täglich außer
den gewöhnlichen Amtsstunden, seine Zeit
von fünf Uhr Abends bis eilf Uhr Nachts
im Bureau zu; zweimal mußte er von
seinen Dienern, die ihn ohnmächtig an
seinem Schreibtische fanden, um Mitter«
nacht nach Hause gebracht werden und
am Morgen darauf saß er schon wieder im
Bureau." Als Beweis seiner Seelenstärke
und des ungewöhnlichen Muthes, den
er besaß, diene die Thatsache: als er sich
im Herbste 1836 um eilf Uhr Früh einer
chirurgischen Operation auf Leben und
Tod unterziehen sollte, kam er um neun
Uhr noch in's Bureau, brachte die
Acten in Ordnung und informirte einen
seiner Collegen über einige unbedeutende
Parteisachen so angelegentlich, daß dieser
nicht begreifen konnte, wie sich ein
Mensch, der vielleicht in einer halben
Stunde vor dem ewigen Richter stehe,
mit solchen Kleinigkeiten, abgeben möge.
So unbeugsam war sein moralischer
Muth und so groß seine Gewissenhaftig-
keit. Weit entfernt, ein Egoist zu sein, ja
bis zur Selbstlosigkeit uneigennützig, neid-
los, unbefangen, fremde Fähigkeiten und
Kenntnisse nicht laut preisend, aber richtig
würdigend und anerkennend, unermüdet
in Arbeitund Thätigkeit. Oesterreicher vom
Wirbel bis zur Zehe. war Oett l das
Ideal eineS „Präfidiallsten", worunter
jene Auserwählten verstanden werden,
die in dem dem jeweiligen Chef eines
Amtes unmittelbar unterstehenden Bureau
arbeiten. Im Paragraph 6 seines letzten
Willens hat Oett l auch eine huma-
nistische Stiftung gemacht. „Ein Theil
der noch lebenden Bürgerschaft Inns«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
O'Donnel-Perényi, Band 21
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- O'Donnel-Perényi
- Band
- 21
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1870
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 542
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon