Seite - 50 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Podlaha-Prokesch, Band 23
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Iuriöpiudenz. Nachdem er sich aber mit
einem Kreise strebsamer Jünglinge be>
freundet hatte, welcher sich den Auf.
schwung der Nationalliteratur zur Auf>
gäbe gestellt hatte, konnte er unter den
rastlos Thätigen nicht länger unthätig
bleiben. Wem aber der meiste Einfluß
auf die geistige Entwicklung des Poeten
zuzuschreiben, ist schwer zu sagen. AuS
seiner Iugendgeschichte ist nur so viel
erkennbar, daß das polnische Element den
Dichter von der Wiege an umgab und
daß ei in demselben lebte und sich ent>
wickelte. Im Jahre 1827 machte er sei.
nen ersten Ausflug in die Welt, und
damals war es, wo er in Podolien
mit dem bereits erwähnten Benedict
Winnicki zusammentraf. Vincenz
zählte 14 Jahre, als Adam Mickie-
wicz mit seinen gesammelten Gedich»
ten einen so großen Ruhm erntete.
Der Eindruck und Einfluß, dm sie auf
Vincenz Pol ausübten, ist schwer zu
bestimmen. Die innere Wandlung des
Dichters bleibt ein unenthülltes Geheim-
niß' aber die von Mickiewicz ange»
bahnte Richtung wirkte mächlig auf
feine Phantasie und auf die Schöpfungen
derselben. Während der Dichter mit sei»
nen Eltern in Zemberg weilte, suchte er
sich wissenschaftlich auszubilden, und da
die Erziehung im Hause und in der
Schule
sich in der Sphäre der Anschauun»
gen des Vaters bewegte, so behielt die
deutsche Sprache in der Regel die Ober»
Hand. Wir sehen auch den älteren Bru-
der deS Dichteis, Po hl von Polen»
bürg, in den Jahren 1824 und 1828
nicht die schlechtesten Gedichte in deut.
schen Zeitschriften veröffentlichen. I n der
„Mnemosyne". herausgegeben in Lem»
berg von Alexander Zawadzki, erschie.
nen eine Uebersetzung der »Lnitssiauks,"
von Mickiewicz und Krasicki's Satyren; derselbe übersetzte auch Kio»
pinski 's „IinäZaräa" und Fredro'S
Lustspiel „2r2yä2c)Lö i pn-ekora«. Der
Bruder Vincenz wurde aber mit einem
Kreise bekannt, welcher den Eifer zur
polnischen Literatur in Galizien anfachte,
die bis dahin daselbst fast gar nicht
existirte. Kaminski , Michalewicz,
BielowSki, die beiden CHIodowSki,
Chl ibkiewicz. I l lszowski , die bei.
denBorkowSki und einige andere bil»
deten die dünngosäete Pstanzschule der Er>
Wecker deS abgestorbenen literarischen Le>
bens. Der junge Dichter begriff und erfaßte
wohl seinen Beruf, doch es gebrach ihm
noch an der gehörigen Kraft. Als
dowski im Jahre 183l) den „
nin" herauszugeben beabsichtigte, hatte
unser Dichter Erzählungen zu dieser
Sammlung vorbereitet, die aber derselben
nicht einverleibt wurden. DaS nchtmonat.
liche Drama in Warschau, das mit der
tragischen Katastrophe auf den Ruinen der
ganzen Nation endete, hatte seine Seele
mit dämonischer Gewalt und magischem
Zauber ergriffen, der aber später in bit»
ter enttäuschte Hoffnungen zerfloß. Und
wenn auch der zwanzigjährige Jüngling
bei diesem Drama nicht thätig mitwirkte,
so sang er doch am Lagerfeuer den e»
matteten Brüdern, belebte ihren niederge»
drückten Geist und berauschte die Hinsin.
kenden mit Entzücken. Die Frucht dieses
Lagerlebens war jene bedeutende und in
der polnischen Literatur einzige Samm»
lung „?1e8ui.Iknusxn," (Lieder), deren
Auslage vom I . 1833 vergriffen wurde
und deren 2. und 3. Band erst 30 Jahre
später erschienen. Nach den unglück-
lichen Ereignissen, welche die ganze
Nation in Trauer hüllte, kehrte der
Dichter nach Galizien zurück und durch»
streifte es nach allen Richtungen, das
Volk und die Natur zu seinem Studium
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Band 23
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Podlaha-Prokesch
- Band
- 23
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon