Seite - 67 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Podlaha-Prokesch, Band 23
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Mit
nik" das Verhältniß der in Oesterreich
lebenden Serben zum österreichischen
Reichsrathe präcifirte. Noch mehr Stau»
nen, ja Befremden erregte aber seine
anläßlich der großen slavischen Pil»
gerfahrt nach Moskau, welcher er sich
mit Palack)' und Consorten auch an-
geschlossen hatte, bei dem Festmale deS
kais. russischen Unterrichtsministers, Gra-
fen Tolstoi . am 23. Mai 4867 in St.
Petersburg gehaltene Tischrede. Das
Verhäl tniß der Serben zum Reichs»
rathe stellt Dr. Po l i t in folgender Weist
dar: „ Im Falle, daß der ungarische
Landtag die königlichen Propositionen
hinsichtlich der Ansprüche der Serben,
wie sie der serbische Congreß formulirt
hat, nicht im volleil Umfange gewähren
sollte, so wäre es dennoch nicht rath»
sam, die Kompetenz des Reichsrathes in
serbischen Angelegenheiten anzuerkennen.
Durch eine solche Anerkennung würden
sich die Serben zugleich für das Februar
patent aussprechen und dadurch gewisser»
maßen auf die ungarische Verfassung
Verzicht thun. Das Februarpatent biete
aber wenig Garantien. Ein Grundge
setz ohne verantwortliches Ministerium
und mit so vielen anderen Gebrechen
könne nach Principien des modernen
Staatörechtes keine Verfassung, sondern
höchstens ein Analogon der Verfassung
genannt werden. Die Verfassung Ungarns
sei im vollen Umfange eine liberale Ver
fafsung und die Serben dürften in de
Wahl nicht zweifelhaft sein. Die Komi
tatö» und Municipalverfassung Ungarns
mit ihren Kongregationen, die sich i
vielen Stücken der Souveränität de
schweizerischen Cantone nähert, sei fü
den serbischen Charakter viel ange
messener und enthalte viel mehr Garan
tien für die serbische Nationalität, als di
bureaukratische Administration im übri
,67 PoUt
M Oesterreich, aus dessen Fesseln sich
ieses selbst bei einer liberalen Verfassung
!chwer befreien wird. Die Serben müßten
en eingeschlagenen Weg einer Verstän-
igung mit Ungarn verfolgen, sonst
!önnten sie leicht auf Abwege, wie im
Jahre 4848, gerathen, wo sie Zustände
erbeizuführen halfen, die sie nicht nur
nicht wünschten, sondern nicht einmal
ahnen konnten." — Seine Rede zu St.
Petersburg, die der „Invalide" für die
aufrichtigste des Abends erklärte, ist nach
dem „<3oto2" folgende: „Meine Herren
und theuren Brüder! Als sich im serbi»
schen Lande die Nachricht von der MoS»
kauer Ausstellung verbreitete, als man
:rfuhr, daß die russischen Brüder ihre
slavischen Brüder zu einem freundschafl-
lichen Besuche eingeladen, da schlug jedem
Serben das Herz freudig und Jeder
hegte den brennenden Wunsch, diejenigen
zu umarmen, die immer unsere leiblichen
Brüder, unsere theuren Verwandten ge>
wesen waren. Ja, meine Herren, bei uns
Serben lebt im Herzen die Liebe zu den
russischen Brüdern von der Geburt an.
Von der Wiege an sprechen unsere Mut»
ter ihren Kindern von unseren orthodoxen
Brüdern, vom heiligen Rußland! I n
jenen schwarzen Tagen, wo wir für uns
selbst zu verzweifeln gedachten, trösteten
wir unS mit dem Gedanken, daß wir
nicht zu Grunde gehen werden, so lange
das große Rußland lebt. Wir Serben
haben immer Sympathie für Rußland
gehegt, selbst zu der Zeit, als eö noch
nicht die große slavische Macht war. Gott
sei Dank! Unsere Reise nach Rußland,
unser Aufenthalt in dessen Hauptstadt
beweisen, daß es sich mit Recht eine pan<
slavistische Macht nennt. Dieses Ereigniß
hat eine colossale Bedeutung und wird
unermeßliche Folgen haben. Die Haupt-
aufgäbe Rußlands ist, nicht nur in Asien,
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Band 23
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Podlaha-Prokesch
- Band
- 23
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 426
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon