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Purkynö 97 Purkyn«
Da es sich dabei zunächst um Vervoll-
stündigung der in vielen Zweigen lücken»
haften Sprache handelte, mußte vor
allem erst die ganze Terminologie aller
naturwissenschaftlichen Gebiete neu ge>
schaffen werden. P. hat dieß im Vereine
mit den beiden obgenannten Gelehrten
mit glücklichem Erfolge bewerkstelligt.
Was seine übrige politische und wissen»
schaftliche Thätigkeit betrifft, so folgen
wir hier der Anschauung des General«
Secretärs der kais. Akademie der Wissen«
schaften, als der mildesten, weil sich herbe
Stimmen über den alternden Gelehrten
vernehmen ließen, deren eine wir weiter
in den Quellen, S. 10t, anführen. Herr v.
Schrotter schildert P. als der jung-
öechischen Partei angehörend, der, so viel
er konnte, in ihrem Interesse wirkte, aber
nichc durch thätige Theilnahme an der
politischen Agitation, sondern dadurch,
daß er durch Herausgabe undUebersehung
guter Bücher, Bildung und Belehrung
unter seinem Volksstamme zu fördern
und zu verbreiten suchte. Noch in Breslau
übersetzte P. Tasso's befreites Jerusalem
und Schiller's Gedichte, in den letzten
Lebensjahren auch Sal let 's Laien»
Evangelium, und zwar ganz, wovon
jedoch im Drucke nur einzelne Gesänge
erschienen sind. Auch die Gedichte von
Goethe übersetzte er zum großen Theile
und mit besonderer Vorliebe indische Ge>
dichte nach Rückert'schen und Böller«
schen Uebersetzungm. Er suchte auch eine
böhmische naturwissenschaftliche Literatur
zu schaffen, und arbeitete nicht nur selbst
daran, sondern trachtete auch jüngere
Kräfte dafür zu gewinnen. Bis zum
Jahre 1864 gab er die Zeitschrift ,Kva«
heraus, worin er naturwissenschaftliche
Disciplinen für sein Volk popularisirle.
Auch gab er sich alle Mühe, eine oechische
Universität zu gründen. Keinesfalls ge> hörte er also, meint Herr von Schrot»
ter, zu den „Patrioten", deren Devise
der sehr bezeichnende Satz ist: „Lieber
die russische Knute als die deutsche Frei»
heit" (Havli«ek's Wahlspruch). Er
erkannte vielmehr, daß die einzige Art,
einem Volksstamme, der neben einem
höher gebildeten lebt, wahrhaft nützlich
zu sein und ihn auf die gleiche Höhe mit
den andern zu bringen, nur darin besteht,
ihn geistig emporzuheben, nicht aber da»
rin, ihm die politische Suprematie über
den anderen zu erobern, und wäre es
selbst um den Preis des Hoch» und Lan-
desuerrathes. Im Jahre 1848 besuchte
P. den Slavencongreß, was aber nicht
aus politischen Granden geschah, denn
er hielt derartige Fragen stets von sich
fern (?). Ohne jemals aufgehört zu ha-
ben, die Deutschen zu lieben, hegte er
eine stammliche Sympathie für die Sla>
ven, die er in Breslau, wo er in fort»
währendem Verkehre mit Polen und
Russen lebte, mehr ausbildete, als in
Prag. Gr gehörte daher auch zu keiner
politischen Partei (?) und schloß sich, als
er ohne sein Zuthun in den böhmischen
Landtag gewählt wurde, nur darum den
Iungöechen an, weil er sich wie jeder
andere irgendwo emrangiren mußte
und, wie er sagte, keiner conservativen
Partei angehören wollte. Er war nie ein
lanäatoi' tcruiwriL aoti, sondern hat
stets den Blick in die Zukunft gerichtet.
Jeder Pessimismus lag ihm fern, er
fand im Gegentheil immer, daß man im
Ganzen auf dem Wege zumBes>
s> ren vorschreite. Er verlor niemals
das Vertrauen in die eigene Kraft und
forderte ein solches Bewußtsein auch von
jeder Nation. Er kannte daher in Bezug
auf andere Nationen weder Haß noch
Furcht. Die versöhnenden, mit Jubel
aufgenommenen Worte, die er bei der
u. Würz dach, bw«r. Leii'.s», XXIV. Mdr, 23. Februar
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Prokop-Raschdorf, Band 24
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Prokop-Raschdorf
- Band
- 24
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1872
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 450
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon