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Nauscher Vauscher
in ersterer seinen Standpunct in dieser
wichtigen Frage klar bezeichnend, indem
er die kraf tvol le E inhei t des Rei-
cheS als erste Grundbedingung voran»
stellt. Als im Jahre 1867 anläßlich der
in beiden Häusern des Reichsrathes in der
Ehe- und Schulfcage gefaßten Beschlüsse
sich die österreichischen Eczbischofe und
Bischöfe in den letzten Tagen des Sey»
tember g. I . in Wien versammelten und,
gegen die gefaßten Beschlüsse remonstr!»
rend, eine Adresse an Se. Majestät den
Kaiser richteten, erhielt Cardinal Rau>
scher mit Allerh. Handschreiben vom
18. October 1867 für sämmtliche Unter-
zeichner dieser Adresse den Bescheid, „daß
Seine Majestät der Kaiser es beklage,
daß die Kirchenfürsten, anstatt wie Er es
gewünscht, die ernsten Bestrebungen Sei»
ner Regierung in den einschlagenden
wichtigen Fragen zu unterstützen und
deren so dringende Lösung im Geiste der
Versöhnung und deS Entgegenkommens
zu fördern, eS vorgezogen haben, durch
Vorlage und Veröffentlichung einer die
Gemüther tief erregendenAdresse
jene Aufgabe zu erschweren, zu einem
Zeitpuncte, in welchem Eintracht so sehr
noththut und ea dringend geboten ist,
die Anlässe zu Zwiespalt und Beschwerde
nicht zu mehren". Endlich, als Papst
P ius IX. im Jahre 1870 zur Durch-
fühnmg deS neuen Dogma der Unfehl«
barkeit des Papstes die sämmtlichen kirch»
lichen Würdenträger der Welt zu einem
allgemeinen Concile im Vatican nach
Rom einlud, fand sich auch Cardinal R.
daselbst ein und legte seine Ansicht über
diese hochwichtige Frage in einer beson
deren Schrift: „0d86rvl>,tione8
äain äs InikIlidilitatiL VocaiLLi
Heoto" nieder, worin er dieselbe mit aller
Ehrfurcht für den heiligen Stuhl, ohne
Bitterkeit, aber mit dem ganzen Auf wände seines reichen theologischen Wis»
sens behandelt, und zu dem Schlüsse ge»
langt, daß, wenn ausgesprochen weiden
sollte, daß der Papst allein und ohne die
Nachfolger der übrigen Apostel in Sachen
des Glaubens und der Moral mit un»
fehlbarem Urtheile entscheide, so würden
die allgemeinen Concilien jener Autorität
beraubt werden, wegen welcher der hei»
lige Gregorinü der Große sie gleick den
vier Evangelisten zu verehren bekannle,
sie wären ja zu Entscheidungen in Glau>
benS« und Moralsachen überflüssig und
eS immer gewesen, selbst zu Zeiten der
Nicänischen Väter. Mit Annahme dieser
Sentenz würde dem innersten Wesen der
alten Kirche der Krieg erklärt, außerdem
aber würde die Kirche für alle Zeit des
Beistandes beraubt, den ihr während der
größten Bedrängniß das Concil von
Trient, wie feststeht, gebracht und dem
heiligen Stuhle selbst würde jene Stütze
entzogen, die er damals in den versammel»
ien Bischöfen gefunden hat. Diese für die
Katholiken vor der Uera des jüngsten'
Vatikanischen Concils hochwichtige Schrift
des Kardinals wurde —und mit,Recht —
als eine „deutscheThat" des Kirchenfürsten
bezeichnet und bleibt eö auch unbescha«-
det der Mittheilung deS vi-. Schulte,
nach welcher der Cardinal daö Buch aus-
dem Buchhandel zurückgezogen habe.
Dadurch ist daS Buch nur eine biblio»
graphische Seltenheit, aber der Cardinal
nickt anderen Sinnes geworden. I n den
Jahren, in welchen der Cardinal'das
Buch geschrieben, wechselt man Ansichten
von solcher Tragweite, wie sie in den
„ObLei-vationsL" aus innerster Ueber<
zeugung mit allem Aufwande theologi»
schen Wissens ausgesprochen worden,
nicht wie ein Gewand. Thatsache jedoch
ist, daß sich der Cardinal den übermüthi.
gen Forderungen der Curie dennoch un°
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Band 25
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rasner-Rhederer
- Band
- 25
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1868
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon