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Nothfchild, Ans. Maier ^ 24 Rothschild) Ans. Maier
altgläubigen zusammenstimmte und für daS
er in allen Fällen eine unverkennbare Vor-
liebe zeigte. Als dir Freiheitsbewegungen sich
immer mächtiger äußerten, bemerkte er bei
einer Gelegenheit: „Die Menschen wollen
ihre Freiheit und lassen sich nur gern befeh-
len, wenn es zu ihrem Vortheile geschieht;
meistentheils ist es aber gut, daß sie gehör»
chen müssen". Sein Nusspruch: „warum
Freiheit", ist ein geflügeltes Wort geworden.
Vom Herzen gut, verwendete er außerordent-
liche Summen zu milden Spenden, aber
auch darin ging er seinen eigenen Weg,
von dem er sich durch nichts ableiten ließ,
auch dann nicht, wenn er durch Weigerungen
oder aerinae Spenden in manchen Fällen
sich Vorwürfe gefallen lassen mußte, die ihn,
da er nach Principien und reiflicher Neber»
legung handelte, ungerecht trafen. Abgesehen
uon seiner Geschäftsbedeutenheit. in der man
ihm Wenige an die Seite stellen konnte, war
er ein Mann von durchdringendem Verstande
und bewunderungswürdiger Menschenkennt»
niß. Ein genialer Instinct befähigte ihn,
selbst über Personen, deren Denkweise und
geistiges Interesse ihm durchaus fern lag.
ein treffendes Urtheil zu fällen. Geistreich»
thum, Gelehrsamkeit oder weltmännische Ge-
wandtheil vermochten ihn nicht zu täuschen,
er verstand es, strts den inneren Kern von der
Schale zu lösen, und alles Scheinwesen und
innere Leerheit, unter welche Hülle sie sich
bergen mochten, fand sein Scharfblick bald
heraus. Dagegen galt ihm alles Echte, Wahre,
Braue über Alles, und ein geistvoller Mann
sagte von ihm. der alte Amschel Maier
behandelt „reelle" Menschen gern „s.1 vari".
Wenn er auch die Aufrichtigkeit idealer Rich,
iun.qen nicht geradezu leugnete, so hielt er
doch daS persönliche Interesse für die Haupt»
triebfeder menschlicher Handlungen; und wenn
er zugab, daß hie und da Jemand einen
höheren Gedanken, auch ohne Eitelkeit, ohne
eben einen Vortheil dabei zu suchen, sondern
aus Begeisterung für die Sache zu fassen
und auszuführen vermöge, so war er doch
dmterher geneigt, einen solchen Idealisten
nicht für besonders klug zu halten. Im gesell»
schaftlichen Verkehre trat er schlicht, aber mit
einer Zuversicht auf, die er sich im großen
Verkehre mit Hoch und Nieder, wobei er
das Niedere öfter mehr schätzte als das Hohe,
angeeignet hatte. Gegen Frauen beobachtete
er eine sehr verbindliche Redeweise, eine leb»
haft aufgetragene, doch nicht taktlose Galan- . terie bis in sein hohes Alter. Männern gegen-
über trat wohl mehr der Bankier, aber auch
da, möchte wan fast sagen, mit motivirten
Unterschieden auf und ohne geistreich sein zu
wollen, brachte er oft ungesucht die geist-
reichsten Dinge vor. So z. B. als man in
zahlreicher Abendgesellschaft den durchreisen»
den Thorwaldsen feierte, sagte Roth,
schild zu dem Künstler, als er ihm vorge-
stellt wurde: „Sie sehen so schön aus, Herr
Ritter, daß man alauben sollte, Sie hätten
sich selbst gemacht". Thorwaldsen erklärte
später, ein erfrischenderes Compliment nicht
gehört zu haben. Wissenschaft und Literatur
berührten ihn im Ganzen wenig. I n seiner
Erziehung war darauf nie Bedacht genom-
men worden, obwohl er aus eigenem Antriebe
diesen Manael im gesellschaftlichen Verkehre
in höheren Kreisen, dem er sich vermöge sei>
ner Stellung nicht ganz entziehen konnte,
fühlend, zu ersetzen und noch in späteren
Jahren Manches in geschichtlichen und sprach«
lichen Kenntnissen nachzuholen beflissen war.
Aber einmal doch. wenn auch nicht gerade
aus Liebe zur Wissenschaft, wohl aber aus
Liede zu seinem Volke, dem anzugehören er
nie einen gewissen Stolz verleugnete, hatte
er einen von Forschern gewürdigten Eifer für
Wissenschaft gezeigt, als er nämlich bei Ge-
legenheit der Sequestration der Klöster in
Spanien seinem Commanditen in Madrid
den Auftrag gab. alle etwa aufgefundenen
Schriften von und über Juden für seine
Rechnung zu kaufen. Seine Kunstliebe bezog
sich vornehmlich auf Münzen und antike
Metallarbeiten, doch auch über Gemälde
sprach er, ohne übrigens ein Kunstkenner zu
zu sein, manches zutreffende Urtheil. Wie er
übrigens über dieses von Anderen beneidete
Glück des Reichthums dachte, belehrt uns
der nachstehende Vorfall. Ein junger Pariser,
der sein Gast war und über die Herrlichkeiten
und Genüsse, die seinem Auae sich darboten,
Rothsch i ld gegenüber bewundernd sich
äußerte, ließ sich. als er von seinem freund-
lichen Wirthe sich verabschiedete, die Worte
entschlüpfen: „Ach. wer so glücklich wäre,
mit ihnen tauschen zu können". Da ergriff
Rothschild mit ernster Miene die Hand
seines Gastes und sagte: „Lieber Freund
wer wäre wohl geneigter dazu als ich —
— wenn so etwas nur möglich wäre! Hören
Sie mich an! Sie bewunderten meine Pferde.
Es ist ohne Zweifel ein großeS Vergnügen,
sie zu reiten, allein seit Jahren verbietet
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Band 27
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Band
- 27
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 386
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon