Seite - 217 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Saal-Sawiczewski, Band 28
Bild der Seite - 217 -
Text der Seite - 217 -
Saphir Saphir
candalsüchtige Publicum nicht mehr hin.
es wurde also Rath geschafft für neue
Nahrung, und so kam der „Berliner Cou«
rier" zu Stande, welcher der „Berliner
Schnellpost" Concurrenz machte. So
standen denn diese beiden Blatter als
literarische Erscheinungen eigenster Art
auf der Tagesordnung, um alle anderen
Blätter kümmerte sich kein Mensch. Aber
dieser Erfolg ward eben nicht mit laute«
ren Mitteln erzielt, sondern Spott. Sa-
tyre. halb verhüllte Angriffe, eine immer
an die Grenze des Schicklichen streifende
Polemik. Ausfälle aller. Einfalle billigster
Art waren das Ragout, womit der Gau«
men der muffigen Leser gekitzelt und für
die gesunde, mitunter derbe Kost. welche
die anderen Journale boten, unempfind-
lick gemacht wurde. Die talent. und
charaktervollen Schriftsteller Berlins sahen
sich ohne Schuld in eine schiefe Stellung
gerückt und glaubten gegen dieses Gebaren
offen und entschieden auftreten zu müssen,
sie hatten leider das immer zutreffende
Epigramm vergessen: b.00 Zoio xro oerto,
hnotiss ouin steroors oerto, si v^noo
ant vinoor ssrnpor ts.iu.su maculor.
Und so geschah eS. daß Saphi r gegen
die geachtetsten Berliner Schriftsteller,
darunter Fouquä, Förster. Ludwig
Robert. Gubitz. Här ing (Willibald
AlexiS). CoSmar, ein Pamphlet erschei-
nen ließ, betitelt: „Der getödtete und
dennoch lebende Saphi r . . . " , das
eben. weil eS Scandal war. in wenigen
Tagen drei. nach Anderen sogar vier
Auflagen erlebte. Indessen arbeitete S a-
phir an seinen eigenen und an anderen
Journalen, wie an der „Hebe", den
„Originalien" u. s. w. fort, hielt mit
schlagfertigem Witze, Satyre und humo»
ristischen Aufsätzen aller Art, für welche
er oft die albernsten Titel (wie z. B.
Salaterlen, Kokettir«NoveÜen, Papilloten u. dgl. m.) erfand, die Lesewelt im
Athem und gründete — und das war
seine verdienstlichste That — die söge-
nannte Sonntagsgesellschaft, anläßlich
welcher er aber die perfide Erklärung
abgab, er habe
sie eben so genannt, damit
man nicht glauben solle, sie wäre der
Sontag zu Ehren gegründet, gegen
welche, wie gegen ihre Verehrung er
immer ankämpfen werde. Eine wirklich
ergötzliche Episode seines Berliner Auf.
enthalteS ist aber daS nicht zu Stande
gekommene Duell mit dem Breslauer
Theaterdichter Schall, bei welchem der
Philosoph Hegel als Cartellträgec Sa-
p h i r's, seines Lieblings und Schützlings,
fungirte. Obwohl er nach den eben er«
wähnten Scandalen noch einige Zeit
sein Unwesen trieb, hielt er es doch für
gerathen, diesen Schauplatz seiner zwei«
deutigen- Thätigkeit zu meiden und be>'
nützte den ersten Anlaß, der sich ihm
darbot. eS auszuführen. Der Buchhänd«
ler Frankh war aus Stuttgart in Ber«
lin zu Besuch, und dessen Antrag, eine
Zeitung für seine Filiale in München zu
redigiren. nahm Saphir an und über«
siedelte Ende des IahreS 1829 nach
Müncken. Dort gründete er ziemlich zu
gleicher Zeit zwei Journale: den „Bazar"
und den „Deutschen Horizont". Mit
beiden Blättern hielt es nicht lange vor.
Frankh zog sich zurück und Saph i r
war genöthigt, mit der Redaction des
„BazarS" auch dessen Verlag zu über-
nehmen. Auch der „Deutsche Horizont"
erschien nur bis 4333 unter Saphi rs
Redaction. Hatte er in Berlin zunächst
die Schriftsteller aufs Korn genommen,
so kühlte er in München an den vogel«
freien Schauspielern, an der Theater«
Intendanz, ja sogar am König sein
Müthchen. Aber dort sollte sein satyri-
scher und kritischer Uebermuth nicht unge-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Band 28
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Saal-Sawiczewski
- Band
- 28
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1874
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 414
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon