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Schaeffle Schaeffle
badisches Zcllengefangniß gebannt zu
werden. Das Schlimmste, dnS ihn traf,
war. daß er nach seiner Rückkehr in sein
engeres Vaterland — Tübingen — von
dem Pedell der Universität in Empfang
genommen und auf Befehl des damali-
gen Rsotor ma^inüeus in dm Carcer
gesperrt wurde. Nach überftandener Haft
setzte S. seine Studien fort und wendete
sich nach deren Vollendung dem Lehramte
zu. war von 1830 bis 5860 an der Re-
daction des „Schwäbischen Merkur" als
Journalist betheiligt und wurde im letzt»
genannten Jahre Professor der National-
Oekonomie an der Tübinger Hochschule.
Daselbst haben seine Vortrage solche Auf«
merksamkeit erregt, dah von österceichi«
scher Seite die Aufforderung an ihn er»
ging, ein Lehramt im Kaiserstaate zu
übernehmen. S. lehnte diesen Antrag
damals einfach ab, ohne in der eigenen
Heimat eine materielle Aufbesserung oder
sonst Honorare Auszeichnung zu erhalten.
Für seine „uneigennützige" Ablehnung
des von dem österreichischen Ministerium
an ihn ergangenen Rufes wurde ihm da-
mals sogar ausdrücklich der Dank der
königlich württembergischen Regierung
ausgesprochen. Dieser Thatsachen ge»
schieht hier ausdrücklich Erwähnung, weil
zur Zeit, als seine Berufung nach Wien
erfolgte, Stuttgarter Correspondenzen
einiger Wiener Journale mehrere ent>
stellte, dem wahren Sachverhalt ganz
entgegengesetzte Berichte brachten. Eine
zweite, im Jahre 1868 an ihn ergangene
Berufung an die Wiener Hochschule hat
aber S. angenommen, und von akade-
mischer Seite fehlte es damals nicht an
Anfeindungen S.'s, der sich durch seine
national-ökonomischen Arbeiten in der'
wissenschaftlichen Welt bereits einen Na»
men gemacht. Die „Neue freie Presse" ^
trat damals (l868. Nr. 1413) in einem Artikel, betitelt: „Schäffle's Berufung
an die Universität Wien", für den mit
Unrecht geschmähten Gelehrten mann«
haft ein. Als zu Anbeginn des Jahres
1871 am Schlüsse der Delegation, rein
aus der Initiative der Krone, nachdem
daS in sich selbst gespaltene Bürgermmi«
sterium sich abgenützt und regierungS»
unfähig erwiesen hatte, die Berufung
des Ministeriums Hohenwart statt-
fand, bildete Schaeffle, der wohl nie
an ein Portefeuille im Kaiserstaate gedacht
hatte, als HandelSminister ein Mitglied
desselben. Nun aber war es mit seinen
Tagen der Ruhe zu Ende. Für mehrere
der höchst mißliebigen Mitglieder dieses
Cabinets mußte Schaeffle mitbüßen.
Wie auf ihn, der bisher als Professor
der National.Oekonomie an der Wiener
Hochschule eine geachtete Stellung singe-
nommen, die Wahl gefallen, ist nicht
bekannt. S. war bis dahin neben der
Professur auch als Puvlicist thatig, war
der Gründer des „Oesterreich ischen Oeko-
normst", einer Wochenschrift, die bekannt«
lich den Grafen Beust in der schonungs-
losesten Weise angriff und dessen Ver»
bindung mit dein damals vielbesproche-
nen „Türkengeschafte" behauptete. Man
wollte die Ursache seiner Berufung darin
suchen, daß er ein heftiger Gegner Preu»
ßens war, denn als S. noch an der Hoch-
schule zu Tübingen bedienstet war. war
er längere Zeit Mitglied der württem-
bergischen Kammer, bekämpfte als solches
lebhaft die BiSmarck'sche Politik und
unterhielt intime Beziehungen zu seinen
süddeutschen Parteigenossen, die alle
gleich ihm der demokratischen Richtung
angehörten. Doch zu jener Zeit, als
Schaeffle sein Portefeuille übernahm,
war Oesterreichs Stellung keineswegs so
geartet, um annehmen zu können, daß
der Kampf, den er in Württemberg
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Band 29
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sax-Schimpf
- Band
- 29
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 374
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon