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Schindler als Neichsrathg - Abgeordneter.
Wie es in der Lebensskizze erwähnt ist. war
Schindler während einer Periode von zehn
Jahren. 1861 bis 4870. Mitglied des Abge.
«rdnetenhauses des österreichischen Reichs»
rathes. Seine unter allen Umständen höchst
bemerkenswerthe und — seine politischen Geg<
ner mögen saqrn, was sie wollen — auch
einflußreiche Thätigkeit ist wohl am besten
aus den stenographischen Berichten des Ab«
georonetenbauses zu ersehen. Seine Reden in
öen Adreßdebatten, wegen Aufhebung deS
Concordates u, s. w. wirkten durch den schlag,
fertigen Witz. den frischen Humor und die
Grazie des Vortraaes geradezu zündend. Für
Jene. denen die stenographischen Protokolle,
nicht so leicht zugänglich sind, sei nur — da
sie zur Charakteristik S.'s beitragen — der
wichtigeren gedacht, so z. B. seiner Rede in
der Adreßdebatte am 18. August 186l
Miener Zeitung. 3. Quartal. S. 799); über
das Briefgeheimniß sebd.. 4. Quartal,
S. 422l); über die Nothwendigkeit eines
UnterrichtSministeriums mder Sitzung
vom 27. Juni 1863 Miener Zeitung. 2.Quac.
tal, S. 960); in der Resolutionsfrage
in der Sitzung vom 28. Jänner 1864 ^Wiener
Zeitung, I.Quartal. S. 9^ ; über die Ver»
Hältnisse des Iustizwesens in Oester.
reich in der Sitzung uom 26. April 1863
Miener Zeitung, 2. Quartal. S. 326); in
der Adreßdebatte in der Sitzung uom
5. December 1865 ^Presse 1863. Nr. 337);
seine Rede in der Wäh ler» V ersam m»
lung des VII . Wiener Bezirkes Mue freie
Presse 1867, Nr. 86l) und endlich seine Rede
in der AdreHdebatte vom 20. Jänner
1870 lFremoen'Blatt 1870. Nr. 21); damit
ist jedoch die Liste drr bezeichnendsten Reden
Schindler'ö während seiner zehnjährigen
teichsräthlichen Thätigkeit, indem er keinen
nur einigermaßen wichtigen Anlaß vorüber-
gehen lieb. ohne die Rednertribune zu be-
treten oder auf seinem Platze — und oft
unvorbereitet, aber immer schlagfertig — in
die Debatte einzugreifen, noch lange nicht
erschöpft, der vorstehenden wurde eben nur
alS der wichtigsten gedacht. Was den Cha<
rakter der Beredsamkeit Schindler's anbe»
langt, so ist derselbe einfach, natürlich, ein<
schmeichelnd, ungezwungen, voll Frische und
Abwechslung. Sie amusirt, inoem sie über«
zeugt. Ohne lange Auseinandersetzung über
den Stoff seiner Rede. erkennt man doch
bald, daß er «denselben vollkommen beherrscht und selbst der Minderunterrichtete fühlt sich
durch seine drastischen Bemerkungen vollüän,
dig infornnrt. Zu welcher Partei man sich
bekennen mochte, seinem farbenreichen, ästhe»
tisch geordneten und von Witzfunken durch»
leuchteten Vortrage mußte man Beifall zollen.
Das österreichische Parlament besaß viele
Mitglieder, einen angemessenen sachlichen
Vortra» zu halten wissen; eigentliche Redner
besaß es — wie dieß auch aus der politischen
Vergangenheit Oesterreichs leicht zu erklären —
nur sehr wenige, und unter diesen stbr wenigen
war einer der glänzendsten, wo nicht der glän,
zendste, S. Ebenso wie er unsere ganze Ver-
standesthätigkeit durch die Logik seines Vor.
trageS und die Dialektik seiner Bemerkungen
in Anspruch nimmt, ebenso versteht er es
wieder, alle Tiefen und Höben des Gemüthes
anzuregen. Mit kühner Kunst weiß er Alles
zu sagen, wem immer es gelte, und die
herbsten Wahrheiten, die man in anderer
Form kaum vertrüge, versteht er, in Humor»
vollen Witz zu kleiden, der immer wie leise
Klage ausklingt, mitunter wohl schmerzt, aber
nie verbittert. Das Ueberraschende bei seinen
Reden, insbesondere, wenn er Angriffe ab.
wehrt, bestand zunächst in der Schlagfertigkeit
seiner Entgegnungen. Gewiß mag anderen
Rednern derselbe köstliche Gedanke einfallen,
nur geschieht das gewöhnlich 12—24 Stunden
später, wahrend S. in derselben Secunde,
in welcher der Angriff erfolgte, aucb schon
denselben niit ebenso viel Geist, als Scharf«
sinn und immer mit voller Ruhe abwehrte.
Es ist, als ob er Rosen würfe, deren Stacheln
wir erst fühlen, wenn wir sie berühren. Man
lnuß die leichte Hand, mit der er oft schwere
Steine hob, bewundern, und wenn er in die
fatale Lage kam. einen politischen Gegner
aufzuknüpfen, eine Lage, in die man in einem
Polyglotten Parlamente leicht gerathen kann,
so vollführte er dieses penible Geschäft immer
mit einer
cheoaleresken Eleganz und in Glace»
Handschuhen. An Schindler und im Herren-
Hause an Graf Auersperg kann man den
Einfluß der Poesie auf die politische Redekunst
am besten erkennen. Bei dem Einen wie
bei dem Andern war auch im Parlamente
der Poet ihr Zehrer. Beide führten den Leuten
die Politik im Gewände der Kunst vor.
S.'s größte Kunst aber ist seine Improvi-
sation. Während seine Gegner sprachen, warf
er einzelne Schlagworte mit Bleistift auf's
Papier, und diese Zettelchen in der Hand,
widerlegte er sie in stundenlanger Rede, die,
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Band 30
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schindler-Schmuzer
- Band
- 30
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon