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lichkeit des deutschen Kaiserthums be»
schloffen, am folgenden Tage war die
Wahl Friedrich Wilhelm'S IV. zum
deutschen Kaiser erfolgt. Wohl hatte der
König selbst die Wahl abgelehnt, die
Großdeutschen bemühten sich. die Ein«
setzung eines Dircctoriums durchzubrin-
gen, aber ohne Erfolg. Nun erhielten
die österreichischen Mitglieder der deut«
schen National-Versammlung von ihrer
Regierung auch noch die Weisung, daß
ihre Sendung beendigt sei, schließlich
zeigte noch der Reichsverweser die Nie-
derlegung seiner Würde an, da schied
denn auch Schmerl ing — April 4849
— aus der Versammlung und kehrte
nach Wien zurück. I n das Ministerium,
welches Fürst Schwarzenberg am
28. Juli 1849 in Wien bildete, wurde
Ritter von S. als Iustizminister berufen.
Der Zeitpunct, in welchem S. in das
Cabinet trat, war ein kritischer: Ungarn
im Bürgerkriege, in Italien cin Krieg zu
befürchten, der Rest der österreichischen
Monarchie auS allen Fugen gewichen,
das Alte aufgehoben, das Neue noch
nicht eingerichtet, so standen die Dinge,
als S. sein Portefeuille übernahm. Er
betheiligte sich nun an der Lösung aller
politischen Fragen, die unausgesetzt vor»
lagen, nahm regen Antheil an allen
Arbeiten, die zur Ausführung der ein»
zelnen Bestimmungen der Versafsung
nöthig wurden, und widmete sich dabei
den Geschäften seines Departements mit
besonderem Eifer. Bereits am 1. Juli
1330 war die Gerichts^Organisation für
alle österreichisch-deutschen Bundesländer
durchgeführt und die im neuen Geiste
nothwendig gewordene Umgestaltung der
Gesetzgebung bewirkt. Nebenbei war für
Ungarn ein Provisorium eingeführt, um
den dringenden Bedürfnissen einer geord«
neten Rechtspflege in diesem Lande abzu« helfen. Daß dieses Provisorium eine
Dauer von fünf Jahren haben würde,
dachte S. kaum. denn er betrieb die
Organisirungsarbeiten für Galizien, Un>
gärn und Italien sehr eifrig, und wurde
darin so erfolgreich unterstützt, daß seine
Anträge bereits die kaiserliche Genehmi-
gung erhalten hatten oder dieselbe nahe
bevorstand, als er unerwartet im Jänner
1831 aus dem Ministerium trat, in wel»
chem er und Brück, der ihm im Mai
gefolgt war, als die freisinnigen Elemente
galten. Mit seinem Austritte gerieth die
Organisation vollends in'S Stocken, und-
als sie nach langer Zeit wieder aufgenom»
men wurde, halte Schmerl ing die
Rechtfertigung, daß man die Namen»
nicht die Sache änderte, und daß. was
man änderte, eben keine Verbesserung
war. Nachdem er sein Portefeuille nieder»
gelegt, übernahm er zunächst die Stelle
eines Verordneten der niederösterreichi»
schen Landstände, wurde aber bald darauf
zum ersten Senats«Präsidenten bei dem
obersten Gerichtshofe in Wien mit dem
Titel eines geheimen Rathes, sowie zum
Mitgliede des Ausfirägal-Senates für
den deutschen Bund und des k. k. ober»
sten Gefallsgerichtes ernannt. Zurück-
gezogen von allem öffentlichen Leben,
sein oberstes Richteramt unbemerkt aus«
übend, wirkte er auf diesem Posten mit
Eifer, Ueberzeugungstreue und Vater-
landsliebe. Die traurige Aera der G o«
tu ch o wsk i'schen Wirthschaft hatte
in' allen Theilen des Reiches, in allen
Schichten der Gesellschaft theils tief be-
gründetes Mißtrauen, theils gerechtesten
Unwillen erregt; als die Besorgnisse mit
der Dauer desselben wuchsen und die
Entlassung des Urhebers des October-Di-
ploms die einzige Panacee wurde für die
unheilbaren Wunden, die dieser Empor»
kömmling in kürzester Zeit dem Staate
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Schindler-Schmuzer, Band 30
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Schindler-Schmuzer
- Band
- 30
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1875
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon