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) Chnstian Heinrich 4559 Spie^ Christian Heinrich
Der Bezdiekauer Friedhof liegt auf der
Straße von Klattau nach Taus, etwa
eine halbe Meile von Klattau entfernt,
auf einem kleinen Hügel, durch ein Kirch-
lein, daS hart daneben sich erhebt, von
fern kenntlich. Dieser Friedhof birgt
das Grab des Mannes, der einst so viele
Herzen schauern gemacht und die Leser
in Situationen verseht hat. von denen
sich unsere dem Realistischen ganz zuge«
wendete Zeit kaum etwas mehr träumen
läßt. Im Eingang wurde die allgemeine
Charakteristik der Geister« nnd Räuber-
Romantik, wie fie ein bewährter Literatur-
Historiker entwarf, mitgetheilt, wir schlie-
ßen diese Skizze mit den Urtheilen zweier
anderer, wie sie solche zunächst über
Spieß sowohl in Hinblick auf den
geistigen Gehalt seiner Werke wie auf
den unmittelbaren Einfluß auf sein unge»
mein zahlreiches Lesepublikum, ausspra«
chen. „ I n seinen Ritter »Romanen",
schreibt Heinrich Ku rz, „ließ er mit Vor»
liebe die rohen Elemente deS Ritterthums
hervortreten, mit denen er freilich oft die
pöbelhaften Elemente der modernen Welt
vermischte. Bald waren ihm aber auch
diese nicht grell genug und er ging zu
Geistergeschichten über. von denen er eine
Anzahl geschrieben hat, z. B. „Das
Petermännchen", «Der alte Ueberall und
Nirgends" u. a. m. Auch versuchte er
sich im Volksmärchen, doch ist „HanS
Heiling" ganz im abgeschmacktesten Tone
einer Geistergeschichte erzählt. Ueber-
haupt kannte er keine höhere Absicht als
die, seine Leser mit Schauder zu erfüllen,
und man muß gestehen, daß er in der
Erfindung und Ausführung von gräß»
lichen Stoffen eine wahre Virtuosität
besaß. Aber selbst das einfach Gräßliche
ward ihm zu gewöhnlich, daher ec auch
das Widrige und Eckelhafte zum Gegen»
stände seiner Bearbeitungen machte. So gab er Biographien der Selbstmörder
heraus, denen er spater „Biographien
der Wahnsinnigen" und „Meine Reisen
durch die Höhlen deS Unglücks und die
Gemächer des Jammers" folgen ließ.
Seine Ritterschauspiele: „Clara von Ho«
heneichen" und „Friedrich der letzte Graf
von Toggenburg", die sich lange auf der
Bühne erhielten, sind auf den rohesten
Effect berechnet. Das Schauspiel „Gene.
ral Schlenzheim und seine Familie" leidet
weniger an Uebertreibung und ist nicht
ohne dramatisches Interesse, was auch
von seinen Lustspielen gilt." Wolfgang
Menzel aber findet, trotz der vielen Ge«
meinheiten, die berüchtigten, Spieß,
Kramer, Veit Weber in ihren Ritter»,
Räuber» und Geister-Romanen, aben»
teuerlichen Geschichten und Märchen
durch originelle und echt deutsche Derb»
heiten, oft auch durch Erfindungsgabe
ausgezeichnet und in ihnen bei der uner«
mehlichen Verbreitung, die sie fanden, ein
natürliches Gegengewicht gegen die Sen-
timentalität.Sie adoptirten von G ö t h e's
„Göh" die Idee und die Sprache, und
allen ihren Darstellungen liegt eine wilde,
bald mehr tragische, bald mehr komische:
Naturkraft zu Grunde, die gegen die
zahmen Sitten und einengenden Vorur»
theile der Zeit kämpft. Bald sind es
Ritter, die sich wie„Götz? an den Fürsten
oder Pfaffen ', bald sind eS Räuber, die
sich an den Monopolen, an schlechter
Justiz u. s. w. rächen; bald wandernde
Genies, die wie ein Meteor durchS All«
tagsleben ziehen u. s. w. Um aber diese
neuen Abenteuer, noch interessanter zu.
machen, rief man die ganze Magie der
Romantik zu Hilfe, rief Geister, Teufel,
Hexen herbei und bereitete so auf sehr
rohe aber siegreiche Weise den Triumph
dcr Romantik vor. — Noch sei erwähnt,
daß Spieß' Romane häufig nachgc-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon