Seite - 172 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Sonnklar-Stadelmann, Band 36
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Hpinges 172 Spmges
Sense und Heugabel, Morgenstern und
Stutzenkolben thalen in der Hand der
begeisterten Landsturmmänner' die ver>
nichtendste Wirkung in den feindlichen
Haufen. Hier war es auch, wo daS H e l-
d enmäd chen von Sp in ges, wie er-
zahlt wird, mit unter den Reihen der
Kämpfer an der Kirchhofmauer stand,
und mit einer Heugabel die anstürmen»
den Franzosen abwehrle. Mit ihrer pri-
mitiven Waffe hatte sie drei Franzosen,
welche bereits die Kirchhofmauer erklom»
men hatten, angespießt und herunter ge«
stürzt. Daß es Heldenmädchen zu allen
Zeiten und an verschiedenen Orten gege-
ben, ist eine Thatsache, nur das Ver-
halten der Bevölkerung gegen ein sol».
ches ist verschieden. Während die Schwel»
zer z. B. um jeden Preis ihre Celebri»
taten zu conserviren suchen, sind die Ti>
roler bemüht, sich aller derjenigen, die
nicht urkundlich zu documentiren sind,
zu entledigen. Das Mädchen v^n Spin«
ges steht, wie Ludwig Steub, der in
Tirol viel gewandert und viel gesehen
u',d viel gehört ha?, leider nicht unter
den urkundlich zu documentirrnden Per-
sönlichkeiten, und die tirolischen Zweifler
erklären daher daS Heldenmadchen von
Sp in ges ziemlich einstimmig für eine
schöne Fabel. Der jetzige Curat zu Spin»
ges Joseph Stecher aus Graun Im
Vintschgau gebürtig und schon länger
als 30 Jahre in dem Dörflein als Prie-
ster wohnhaft, ein Mann von 78 Iah.
ren. hat sich. wie Ludwig Steub berich.
tet. alle Mühe gegeben, um der Sache
auf den Grund zu kommen, aber keine
Bestätigung gefunden. Wie eine alte
Sage geht. wäre der französische Gene.
ral Iouber t , ebenderselbe, der von
Napoleon mit dem Zuge nach Tirol
beauftragt gewesen, der Urheber dieser
Geschichte. I o ub e rt hätte nämlich am nächsten Mittag, nach jenem blutigen
Abend, in dem bekannten Gasthofe „zum
Elephanten" zu Briren seinen Tischge»
nofsen allerlei Anecdoten über die Ge-
fechte auf dem Spingeserberge vorge>
tragen, und dabei erzählt, daß vor Allen
tapfer sich auf dem Kirchhofe ein jungeS
schönes Mädchen mit einer Heugabel ge»
schlagen habe. Warum der General diese
im Ganzen weder unglaubwürdige noch
unwahrscheinliche Geschichte geradezu er-
funden haben solle, ist nicht recht erklär»
bar. Daß sie aber durch seine Tischgesell-
schaft leicht die Verbreitung in weitere
Kreise gefunden, ist ganz gut anzuneh»
men. Auch der zu Dietenheim gestorbene
Curat Pfaundler habe seinen ober«
wähnten Amtsbruder Curat Stecher
zu Spinges versichert, daß er als SW»
dent und Landesschütze damals zunächst
jener Zinne gestanden, die noch heut in
der Spingeser Kirchhofmauer den Fried-
hofbesuchern gezeigt, und mit Bestimmt«
heit als jene bezeichnet wird, hinter wel«
cher daS Spingeser Heldenmädchen ge-
kämpft, daß er das Mädchen, wenn es
vorhanden gewesen, unter allen Umstän»
den hätte wahrnehmen müssen, aber
nichts davon gesehen habe. Auch soll
einige Wochen nach der Spingeser
Schlacht eine fürstbischöfliche Commission
ins Dorf gekommen sein, um den von
den französischen Verwüstungen ange»
richteten Schaden zu schätzen, und diese
Commission habe fünf Ducaten mitge«
bracht, um sie im Auftrage des Fürst«
Bischofs und LandeSherrn dem tapferen
Mädchen, die es ausfindig machen sollte,
zu verehren; allein die Heldin sei trotz
alles Nachfragens nicht zum Vorschein gc«
kommen. Die Geschichte von dem Spin»,
geser Mädchen findet sich zuerst gedruckt
im Tiroler Almanach von 18l)2 in einem
Aufsatze, als drfsen Verfasser man Erei<
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon