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Spitzer, Daniel 184
wurden, ist Spitzer's Schreibweise in seinen
Spaziergängen eine durckaus eigenartige. Er
ichreibt Paradoxa nieder, die. wenn man sie
in ihrer ganzen Bedeutung erfaßt, uns ein ho«
merishes Gelächter entlocken; erspielt mit
der Sprache wie ein Jongleur, er wirft die
Worte wie Ballen. Messer. Teller unter ein«
andcr, fän>ft sie alle und in der Luft gibt eS
mimer ein schillerndes Bild. Man muß seine
Artikel lesen, um zuerkennen, wie er die
homogensten Dinge zu einander in Bezie-
hungen setzt und dadurch eine komische Wir-
kung ohne Gleichen erzielt. Im Folgenden soll
nur eine Blumenlese auf's Gerathewohl eine
Charakteristik seines Styls geben, So meint
der Spaziergänger, a!s er bei Gelegenheit
der Enthüllung des Eugen-Monuments (Oc-
tobcr ll>6ö) die Frage auswirft, was denn
alles geschehen wäre, wenn Prinz Euge»
die Türken nicht geschlagen hätte, „daß wir
dann wohl unseren Schwerpunct in Temes-
uä,r gefunden hätten, auch ohne den Vor«
schlag der Norddeutschen Allgemeinen Zei<
tung, welche vielleicht in türkischer Sprache
erschiene, während Herr von Bism arck nicht
Graf. sondern Pascha uon drei Roßschweifen
geworden wäre. und die arme L ucca mög.
licherweise versunken im Bosporus doi der Fer-
dinandsdrücke läge, über die man dann direct
in die Leopoldstadt nach Kleinasien komme".
— Ein anderes Mal ist er der Ansicht, „daß
das Ministerium B i s m a r ct vorderhand
nicht zu den Körpern zu gehörn scheint,
welche „fallen". — Als er bei Eröffnung
des Reichenauer Rudolphbades gehört, daß
Toaste beabsichtigt wurden, „setzte er sich
zwischen zwei Ohrenärzte, und sah so mit
Beruhigung der Zukunft entgegen". — Als
er eineS lyrischen Poeten gedenkt, nennt er
„dessen neue Gedichte eine lyrische, Störung
der öffentlichen Ruhe". — AIs Professor V a<
ch.cr aus Turin oaS lebende Bild: „Puti.
phar und Joseph" darstellen ließ, schildert
S..- „wie ergreifend es sei, da Joseph unge»
achtet der ' schleckten Zeiten seinen Mantel
opfert, und auf die Protektion bei der ägop«
tischen Statthalterei verzichtet, um sich lieber
mühsam durchs Traumdeuten fortzuhelfen";
wie packend wirkc es, da Frau Putiphar,
welche auf diese Abrüstung nicht gefaßt
war, dem Jüngling mimisch plastisch nach.
ruft.- was nützt mir der Mantel, wenn er
nicht gerollt ist!" ^Es ist daS der zum ge»
flügelten Worte gewordene Ausspruch eines
Generals, als dieser die im 3iegenw?tter aus« Spitzer, Daniel
gerückte Mannschaft mit über die Schultern
geworfenen Mänteln stehen sah.) — Als S.
die Extravaganzen eines volkswirthscbaftlichen
Damenuereines a/ißelt, ruft er auS: ,,wel>
cken Gegensatz wird die uerwirthschaftende
Frau der Gegenwart zu den uolkswirth-
sckaftlicken Damen der Zukunft bildrn, einen
Gegensatz wie 6o!e6 lni'njOntL und doppelte
Buchhaltung, wie Liebesbriefe und Postrece«
pisse, wie Boudoir und Comptoir, wie Küsse
und Siegellack, wie ein Stündchen bei der
Geliebten und eine protokollirte Firma, wie
die Gedichte Emanurl Geibels und die
Theorie dcS Adam Smi th" . — Ein anderes
Mal, wenn er die Feuilletcm-Blüthezeit schil«
dert u»d uon einem Freunde erzählt, „der
ihm zur freien. Benützung für das nächste
Sonntags»Feuilleton Anecdoten ohne Poin»
ten; Wortspiele, die deieits in den Gemischt-
waaren.Handlungen der Pfahlbautenzeit däu-.
fig vernommen wurden; Scandale, welche
in jeder Mädchenschule anstandslos als Ge»
genstand des Dmando gewählt werden könn«
ten, und Witze erzählt, nach deren Konsum-
tion die in einem Menschen etwa ruhenden
Keime zu tödtlichrn Krankheiten, zur vollen
Reife gelangen würden, stellt dieser Freund
an ihn die Frage: Wissen sie schon, weßhalb
man jetzt den Soldaten rothe Hosen statt
den blauen gegeben hat? Weil die rothen
Hosen schneller — schieß rn". — Anläßlich
der ethnographischen Aufstellung in Moükau
macht er den menschenfreundlichen Vorschlag:
„einfach ein Paar Unaussprechliche auf
gemeinschaftliche Küsten nach Moükau zu
schicken, wobei l'r jedoch hinzufügt, daß er hier
„Unaussprechliche" nicht m der übertragrln'n
Veinklrideldedeulung gebrauche, sondern mic
schen) Delcgittl'U.die sich einer großen Ueppig-
keit unarticulirter Laute erfreuen". — An einer
Stelle spricht er von einem „Ititgcist mit
solchen Nüclsichtcn nach Oben, daß er augrn,
blicklich in jedes Ministerium als (5l)ncepis>
Adjunct eintreten könnte"; — nennt er „die
Unvorsichtigkeit dte Mutter der Polizei, diese
entdeckt die Verbrecher und der Pitaval ist
um ein „Ertrablatt der Morgcnpost" reicher"
— belichtet er, „daß die Mannschaft vom
Feldwebel abwärts ciue grammatikalische
Gratislöhnung erhalten habe, indem der Ge»
nieine künftighin nicht mehr mit „Cl", son°
oern nur mehr mit „Sie" angesprochen wer«
den soll". — Ein anderes Mal 'erzählt er,
„wie ihm ein armes kleines Mädchen nach
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sonnklar-Stadelmann, Band 36
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Sonnklar-Stadelmann
- Band
- 36
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 376
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon