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Stadion-Warthausen, Franz Ser. 20 Stadion-Warthlluftn^ Franz Ser.
fiel ihm der Graf in die Rede: „Halt. da
fällt mir ein, wie wäre es, wenn Sie etwas
mitbrächten, wodurch man die Phantasie,
oder noch besser, den Gaumen der Wiener
anregen und begeistern könnte? Zum Beispiel
frische D atteln!" Das Wort war ge.
sprochen, die Datteln kamen und wurden
in eleganten Kästchen mit Waghorn'scher
Eile in aller Frische nach Wien geschickt, um
die Tafeln einiger Fürstlichkeiten und Excel-
lenzen zu zieren. „Frische Dat te ln!" ,
riefen die Damen entzückt, „frische Datteln",
ging es mit freudigstem Erstaunen von Mund
zu Mund — und das Loos der Ueberland-
vost war in kürzester Zeit entschieden. Wie
uiele Züge solcher Art ließen von dem Gra-
fen sich erzählen! — Wie er einerseits, wenn
es galt, den <3i>aii<1 2siFn6ur spielte, ander»
seits aber. und das war seine gewöhnliche
Art. in schlichtester Weise, nach jeder Seite
hin. fortlebte, ist allgemein bekannt, und so
zart, - ja verzärtelt sein Körperbau erschien,
er war auf eine Weise abgehärtet, daß ihm
Strapazen und Entbehrungen zu ertragen
nicht schwer fiel. Aber in diesem Puncte, in
welchem er offenbar zu weit ging und sich
mehr zutraute, als fein nicht starker Körper
auszuhalten im Stande war, ferner im un»
mäßigen Genuß von starkem, schwarzem
Kaffee und starken Cigarren, die vom Mo«
mente des Erwachens bis zum Einschlafen
nicht aus seinem Munde kamen, sind zunächst
die Ursachen jenes Leidens zu suchen, das
ihn vor der Zeit dahingerafft und wozu er,
nach dem ihm angeborenen erschwerten Spre-
chen und wenn er erregt war, dem Stottern
zu schließen, von Kindheit an disponirt war.
Was man von Ausschweifungen und der-
gleichen gesprochen, gehört völlig ins Bereich
der Fabel und treffend bemetkl in dieser Hin-
sicht Herr von He lfert: der Mann. auf den
damals Aller Augen gerichtet waren, schien
sich diese Sache, wie seine anderen privaten
Ängelegenhelten mit einer gewissen Methode
zurechtgelegt zu haben, die weder ihn selbst,
noch das, was ihm höher stand als er selbst,
seinen Beruf und seine Wicht gefährden
konnte. „Was ihm höher stand alS er selbst,
sein Beruf und seine Pflicht", das ist das
xunotuiQ Lapsus in Stadion's Leben.
Sein staatsmännischer Beruf, seine amtliche
Pflicht, welche nichts als die Größe und
Achtung gebietende Machtstellung Oesterreichs
im Auge hatten, diese waren der Angelpunct
seines Schaffens. Denkens, BefehlenS und Ertragens; das war der Stern, zu dem er
immer wieder emporschaute und ihn ängstlich
suchte, wenn der politische Wolkenhimmel
ihn verdeckte. Nnd wie er selbst war, ein
Gleiches galt uon seiner amtlichen Umgebung.
Von dieser verlangte er dieselbe Opferwillig-
keit, dasselbe rückhaltlose Aufgehen im Be»
rufe. wie es bei ihm der Fall war. Seine
specifisch österreichische Gesinnung oerle-ugnete
er in keinem Momente seines Lebens. Als
die berüchtigte Caricatur erschien, die ihn in
ganzer Figur aber vom Kopfe bis zu den
Füßen wie ein Schlagbaum schwarzgelb ange,
strichen zeigte, lächelte er darüber. „Mich
freut es", meinte er, „daß mich diese Leute
nach meinem politischen Glauben richtig auf»
fassen. Ich bin ein Schwarzgelber." Ob er
im Hinblick auf diese seine politische Rich»
tung auch seine Tracht anpaßte, müssen wir
dahingestellt sein lassen. Gewiß ist cS, er trug
immer einen enganliegenden, dunkelgrünen
Leibrock — die Staatsuniformen sind meist
von «grüner Farbe — dunkle Beinkleider und
eine erbsengelbe Piquetweste. — Es ließen
sich noch manche interessante Pointen zur
Charakteristik des Grafen beibringen, eS sei
aber hier auf H elfert'S Darstellung in dem
mebrgenannten Werke, vornehmlich auf dessen
Parallele mit dem Minister Schwarzen,
berg und auf das Capitel „Persönliches
und Aeußerliches" in dem Buche von Hirsch
hingewiesen. Der Graf mag, wie jeder
Mensch, in Dem und in Jenem geirrt, in
seinen politischen Vorausbercchnungen sich
getäuscht, Manches für minder schwerwiegend
angesehen und dadurch um einen sicher er«
warteten Erfolg gebracht worden sein, aber
auch die vorstehende (iharalteristik kann
nicht würdiger geschlossen werden, als mit
den Worten, welche Freiherr von Helfert
dem Grafen Stad ion und dem Fürsten
Schwarzenberg am Schlüsse der Paral-
lele widmet und welche lauten.- „Das Eine
aber dürfte sich jedenfalls behaupten lassen,
daß, wenn Oesterreich das Glück gehabt
hätte, dieses leuchtende Paar staatsmännischer
Dioskuren länger zu behalten, unsere Mo-
narchie vielleicht neue Provinzen gewonnen,
aber gewiß keine seiner alten verloren hätte."
I I I . (Quellen zur Biographie. H i rsch
R(udolph). Franz Graf Stadion (Wien
1861. Eduard Hügel. kl. 80.). ^Ejne
kleine, vortreffliche und bald nach ihrem Er»
scheinen auszugsweise in vielen Journalen
(Krakauer Zeitung 1861. Nr. 116—l20. —
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stadion-Stegmayer, Band 37
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stadion-Stegmayer
- Band
- 37
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1878
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon