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Steigentesch) August
seien oder nicht. Im Vorstehenden wurde
der militärische und staatsmännische Le
benslauf des ManneS dargestellt, der
aber auch nach anderer Seite Beachtung
verdient, und zwar nach der schiiftstel.
lerischen. in welcher er in den deutschen
Literaturgeschichten entweder gar nicht
oder etwa nur dem Namen nach erwähnt
und nichts weniger, als wie er es ver«
dient, gewürdigt wird. Die Titel seiner
Schriften folgen weiter unten. Laube,
Menzel kennen ihn gar nicht, Gott«
schall nennt ihn nur. ohne Weiteres
über ihn zu sagen. Und doch hat S.
als Dichter, und zwar als dramatischer
Dichter, Eigenschaften, die jedem Dra«
matiker zu wünschen, und Arbeiten ge-
liefert, die noch heute ihren Werth vehal«
ten. I n der Darstellung menschlicher
Schwachen und Thorheiten. wie sie im
bürgerlichen und gesellschaftlichen Leben
nicht selten vorkommen, war er unge-
mein glücklich, und mit seiner feinen
Charakteristik verband er eine reiche Er«
sindungsgabe. Die Handlung in seinen
Lustspielen bewegt sich rasch und in
angenehmer Mannigfaltigkeit, sein Dia»
log ist lebendig und geistvoll, dabei
entfaltet er einen überaus glücklichen
Humor und bedient sich einer feinen,
correcten, durchgebildeten Sprache. Frei-
lich nicht so fruchtbar wie Kotzebue,
steht er durch Feinheit und Eleganz ihm
weit voran und nimmt durch seine nicht
gemachte, sondern natürliche Naivetät und
herzliche Gemüthlichkeit sofort für sich
ein.
Man konnteihn ohneBedenken den feinsten
und gebildetsten deutschen Lustspieldichter
nennen, der in der Vereinigung der Vor«
züge, welche seine Collegen nur einzeln
besitzen, auch in der Gegenwart noch
von keinem übertroffen, aber gegen alle
Gebühr vernachlässigt ist. Seine Stücke,
wie, DaS Landleben";— „Der Reukauf"; ) Steigentesch) August
— seine köstlichen „Zeichen der Ehe"; —
„Die Kleinigkeiten"; — »Der Briefwech.
sel". sind Arbeiten, an deren Darstellung
sich selbst unser durch die französischen Fri«
volitäten verwöhnter Magen noch heute
ergötzen würde. Er war sich aber auch
seiner dramatischen Aufgabe vollkommen
bewußt, wie dieß seine Aufsatze „Ueber das
deutsche Lustspiel" und „Umrisse der Ge«
schichte des Lustspiels", welche in seinen
vermischten Schriften abgedruckt sind.
bezeugen. Wie eifert er darin, und ebenso
mit Recht wie mit Sachkenniniß, über
die Zerrbilder des Jammers und die
weinerliche Kunst, mit welcher wir
so lange im sogenannten bürgerlichen
Schauspiel auf die Folter gespannt und
mN Verhältnissen geplagt wurden, die
meist nur im Hirn deS Verfassers, aber
nicht in der Wirklichkeit ihren Sitz
haben. Verkehrte Sentimentalität und
eine Caricatur der Gefühle zu bieten,
ist nicht die Aufgabe des dramati-
schen Dichters, der vielmehr das Leben
in seiner vollen Wahrheit erfassen und
in künstlerischer Weise uns vorführen soll.
Er spottete, wie einer seiner Biographen
treffend schildert, zuweilen noch sehr
beißend über die kraft» und saftlosen
Bühnenephemeren, die sich unter den
Händen der umdeutschenden Bearbeiter
ganz widernatürlich aus Schmetterlingen
an der Seine in schwerfällige Raupen an
der Elbe, Spree und Donau umpuppm,
und zürnte Mül lne rn . daß er, der
allein noch ein wahrer Koch für fran»
zösische Schüsseln sei, lieber Stachelnüffe
auswerfe. I n der Erzählung und im
Roman zeigt sich Steigen tesch wohl
als tiefer Kenner des weiblichen Her-
zens, aber in seiner üppigen Phantasie
laßt er sich öfter zu lüsternen Bildern,
wie in seinem „Keratovhoros" oder in
seiner „Maria" hinreißen; jedoch nirgends
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Stehlik-Stietka, Band 38
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Stehlik-Stietka
- Band
- 38
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1879
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 398
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon