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Warrens 94 Warrens
politischen Bedeutung verhalf; als da
Blatt aufhören mußte, gründete er unter
Bruck's Patronat die „Oesterreichische
Zeitung", wendete aber derselben später
den Rücken, um sich unter Schmerling
am „Botschafter" zu betheiligen. Einige
Zeit. unmittelbar nach Gründung der
„Neuen Freien Presse" 1864, arbeitete er
bei der alten von Zang herausgegebenen
„Presse", an welcher er mit einem Jahres
gehalt von Zehntausend Gulden ange
stellt worden, was damals über ihn das
Wortspiel hervorrief: „Auf den Frieden
hat er speculirt, und nun lebt er von
Zank" (Zang); als dann Graf Belcredi
ans Ruder kam, redigirte er das von der
Regierung begründete stempelfreie „Tag-
blatt", das seine Erfindung war, und
gründete schließlich seine eigene „Wochen-
schrift". So viel Blätter, so viel politi-
sche Farben. Aber er heimste seinen John
ein. Mit a. h. Entschließung vom 22. Juli
1866 wurde dem ehmaligen amerikani.
stben Consul Eduard Warrens in An-
erkennung seiner durch eine lange Reihe
von Jahren bethätigten österrei-
chisch > p a t r i o t i s ch e n Gesinnung taxfrei
der Titel und Nang eines Hofrathes
allergnädigst verliehen. Es muthet uns
diese „durch eine Reihe von Jahren
bethätigte patriotisch - österreichische
Gesinnung" ganz sonderbar an. Was hatte
der Hamburger Israelit und spätere nord»
amerikanische Sachwalter mit österrei»
chischem Patriotismus zu schaffen? Wir
sind anderer Ansicht: Warrens diente,
wie ehemals die deutschen Landsknechte
oder in Italien die Condottieri. dem, von
dem sie bezahlt wurden. Unter Schwär«
zenberg war er der Anwalt für Besei-
tigung der Verfassung; er gehörte zu den
Iobrednern des bonapartistischen Staats-
streichs und huldigte demBonavartismus,
bis das Jahr 4839 auch darin eine Wendung und den Witz brachte, daß aus
den Tuilerien ein Handschreiben an ihn
gelangt mit den lakonischen Worten:
„Mein Freund waren's!"; im ameri-
kanischen Bürgerkriege vertheidigte er die
Sache des Südens wider die Nnion,
deren Bürger zu sein er sich rühmte; er
begeisterte sich sogar für das mexikanische
Kaiserreich; in der innern Politik diente
er unter Bach dem Absolutismus, was ihn
übrigens nicht abhielt, sodann anfangs
zu Schmerling's Fahne zu schwören,
der er aber auch wieder untreu wurde,
um Belcredi's Sistirungspolitik zu ver«
theidigen, woraus für ihn der Hofraths-
titel erblühte. Als dann das parlamen-
tarische Ministerium ans Nuder trat,
befand er sich unter dessen Gegnern und
widmete sich, da ihm zum Politisiren Zeit
genug übrig blieb, dem Börsenspiele;
hierauf verfocht er in der deutschen Politik
die Sache der Depossedirten, agitirte bei
Ausbruch desdeutsch-französischen Krieges
für die französische Allianz mit Oesterreich;
dem Ministerium Hohen wart wider«
stand er im Anbeginn, zuletzt jedoch
bekehrte er sich und prangte bereits auf
der Liste der neuen Pairs auch War»
rens, dessen „bethätigte österreichisch,
patriotische Gesinnung" ja wohl solchen
Lohnes werth war. Der Ministerwechsel
trieb ihn wieder in die Opposition, und
die letzteren Artikel sind geradezu eine
Negation seiner früheren Politik, nun
war er ja doch Hofrath geworden, warum
sollte er nicht? Wie in der Politik ihm
Konsequenz und Ueberzeugungstreue
völlig fremd, so galt ein Gleiches auch
von seinen publicistischen Arbeiten auf
olkswirthschaftlichem Gebiete, wo er
neben glänzender Kritik oft d!e barocksten
Einfälle zu Tage förderte und sich von
seinen Privatspeculationen nicht selten -
zur Verleugnung der Wahrheit verführen
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Buch Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Wallnöfer-Weigelsperg, Band 53"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wallnöfer-Weigelsperg, Band 53
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wallnöfer-Weigelsperg
- Band
- 53
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 332
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon