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Mieser^ Leopold Mieser, Leopold
Doch damit war nur Frist gewonnen.
Sollte sich der Verein ferner erhalten, so
mußte seine Grundlage, das Princip,
dem er seine Entstehung verdankte, ent-
sprechend verändert werden, denn durch
den Fortschritt der Zeit war derselbe
bereits überholt worden. Es drängte zu
dem Ausblicke nach einem neuen Wir»
kungskreise, denn kein Verein ist zur
Existenz berechtigt, der nicht anstrebt,
was ohne Verbindung unerreich-
bar wäre. Die Thätigkeit des Vereines,
bestehend in der Veranstaltung von
Kunstausstellungen, Bewirkung undVer>
mittlung von Bilderankäufen und Errich-
tung von Monumenten, war ein berech-
tigter Zweck zur Zeit seines Entstehens'
jetzt aber erfüllen sich alle diese Kunst»
interefsen, ohne daß die Intervention eines
Vereines, in Wien wenigstens, im Ge-
ringsten nothwendig ist. Die Ausstellun-,
gen werden am leichtesten und besten
von der Künstlergenofsenschast selbst be>
wirkt; der Kunsthandel hat sich in solcher
Weise ausgebildet, daß wirkliche Kunst'
werke zuverlässig Käufer zu finden ver»
mögen; für die Errichtung von Monu-
menten bilden sich selbst dort, wo der
Staat und die Commune nicht eingreifen,
mit Leichtigkeit Specialgesellschaften.
Nach allen Richtungen hin war also
durch den Fortschritt der Zeit dem Ver-
eine die frühere Basis seiner Eiiften;
thatsachlich bereits entzogen, und die
Grundbedingung seines Fortbestehens
war die Annahme eines neuen Gebietes
für seine Thätigkeit, auf welcher derselbe
im Interesse der Kunst und des Schönen
zu wirken vermag. Eine solche neue ver>
edelnde Aufgabe glaubte Wieser in der
Pflege derReproduction zu finden,
um durch solche einem factischen dringen«
den Bedürfnisse nach der Verallge«
meinerung des Sinnes und Ver«
v. Wurzbach, biogr. Lerikon. I.VI. sGedr. ständnisses für die Kunst cnt»
sprechend abzuhelfen. Und es ist eine
unleugbare Thatsache: ebenso sehr als
der Sinn für die Musik ein Gemeingut
geworden, in eben dem Umfange be-
gegnet man noch immer einem bedauer»
lichen Mangel an Verständniß für die
Erzeugnisse der bildenden Kunst, welcher
sich selbst in sonst hochgebildeten Kreisen
bemerkbar macht.. „ Sinn und Verständniß
für die Kunst dadurch zu erwecken und
zu pflegen, daß die vielfachen glänzenden
Mittel der vervielfältigenden Kunst zu
dem Ende in Thätigkeit gesetzt werden,
um die hervorragenden Werke der alten
und neuen Kunst in möglichst künst»
terischen Nachbildungen auch den minder
bemittelten Ständen zuzuführen, dadurch
die Läuterung des Geschmackes in immer
weiteren Kreisen zu bewirken und die
Popularisirung echten wahren Kunst«
sinnes zu sichern", dies waren hiernach
die Ziele, welche Wieser durch seinen
Antrag anzustreben versuchte, den Ver»
ein zur Beförderung der bildenden Künste
in die Gesellschaft für verviel<
sättigende Kunst umzuwandeln. Der
Antrag wurde beifällig aufgenommen,
Kräfte, wie der Kupferstecher Professor
Louis Iacoby und Radirer Professor
William Unger, Künstler hochstehenden
Ranges, standen schon zur Seite, und
gestützt auf dieselben, trat die Gesellschaft
für vervielfältigende Kunst im Jahre
4871 ins Leben. Näheres darüber, was
sie geleistet, was sie heute leistet, und wie
sie verwaltet wird, ist zu ersehen in
Gitelberger's Schrift „Die Kunst-
bewegung in Oesterreich seit der^Pariser
Weltausstellung" (Wien 1878) und in
dem auch in einem Separatabzug publi-
cirten Aufsatze der „Wiener Zeitung"
vom 9. und 10. Mai 1883, dann in dem
schon in zehn Jahrgängen erschienenen
23. Nov. 1887.) 6
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Band 56
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wiedemann-Windisch
- Band
- 56
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon