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Wilt, Marie 203 Milt, Marie
Unter solchen Umstanden erwachte in ' geradezu Sensation. Mit neu erwachten
dem gesangbegabten Mädchen von selbst
der Wunsch, ihre Stimme auf der Bühne
zu verwerthen und eine große Sängerin
zu werden, und man erfüllte ihre.Bitte,
sie zu einem anerkannten Gesanglehrer
zu führen und dessen Urtheil über Stimme
und Talent einzuholen. Sechzehn Jahre
alt, wurde sie dem damals als Auto-
rität geltenden Gesanglehrer K u n t
Md. XII I , S. 388^ vorgestellt. Nach- Hoffnungen ging sie nun an eine ernst»
licke Ausbildung ihrer Stimme und be»
gab sich zunächst zu dem Doincapell-
meifter Gansbacher M . V, S. 48^,
der sie nicht rasch und kurzweg abfertigte,
sondern sich ihrer liebevoll annahm, mit
Umsicht und dem richtigen Verständniß
des gewiegten Musikers ihre Gesang»
studien leitete, so daß von Neuem in der
nunmehrigen Frau der Entschluß reifte,
dem dieser das Organ des Mädchens !
sich
für die Bühne auszubilden. Im Mai
geprüft hatte, fällte er mit den vernich-
tenden Worten: „Mein Kind, wie wollen
Sie denn singen, Sie haben ja keine 1863 schritt sie zu unmittelbarer Vor-
bereitung für die theatralische Laufbahn
unter Anleitung des Professors Wolf,
Stimme" das Todesurtheil über des! und noch im December debutirte sie in
hoffnungsvollen Mädchens Zukunft. Vor- Gratz als Donna Anna mit großem
derhand gab sie denn auch alle wei-! Erfolge, den sie auch in den nächsten
teren Träume, als berühmte Sangeritt
Triumphe zu feiern, auf und richtete den
Blick auf das reale Leben. So verhei-
ratete sie sich bald darauf mit dem da« Rollen der Valentine und Fidelio
feierte. Nach Wien zurückgekehrt, schei«
terte ihr Versuch, an der Oper angestellt
zu werden, wie es damals hieß an ihrer
maligen Ingenieur Franz W i lt ftergl.' Unbehilflichkeit in der Action. Indessen
über ihn S. 208 die Quellens, und in! folgte sie einem Gastspielantrage nach
dem neuen Berufe als Hausfrau mußten > Berlin, von wo sie von dem Director
natürlich alle künstlerischen Wünsche und i h^K Conventgarden>The'aters in London,
Bestrebungen schweigen, was umsomehr
geboten war, als die junge Frau an
einem Brustleiden zu kränkeln begann,
welches sie nahezu fünf Jahre quälte,
mit einem Male aber von selbst wich.
Nun nahm Frau Wi l t ihr autodidak»
tisches Singen wieder auf und erregte in
einem Singvereine, in welchem. Director
Herb eck die Leitung führte, die Auf»
merksamkeit desselben, der sie allmalig
mit kleineren und dann mit größeren
Solopartien bedachte und ermuthigte, in
Concerten öffentlich aufzutreten. Nun
war die Bahn eröffnet, und als Frau
Wil t 1863 die Partie der Iemina in
Schubert's „Lazarus" sang, erregteste,
die nach K u n t's Ausspruche keine
Stimme hatte, mit ihren herrlichen Tönen Gye, für die Sommersaison engagirt
wurde. Ein Unfall, der sie wahrend ihreS
Berliner Gastspiels traf, hätte für ihre
Bühnenlaufbahn verhangnißvoll werden
können. Durch die nachlassige Schließung
einer Ofenklappe war in das von ihr
bewohnte Zimmer Kohlengas eingeströmt,
und nur durch die Hilfe einer Nachbarin,
welche die bereits Bewußtlose ins Freie
tragen ließ, wurde sie gerettet. Aber
das dieser Katastrophe folgende Unwohl-
fein machte die Künstlerin derart muth-
los, daß
sie
allen weiteren Planen, auf der
Bühne zu wiiken, entsagen wollte. In-
dessen die kategorische Forderung deS
Directors Gye, der auf die Erfüllung
des mit ihr abgeschlossenen Vertrages
drang, zwang sie, von ihrem Vorhaben
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Wiedemann-Windisch, Band 56
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Wiedemann-Windisch
- Band
- 56
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 340
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon