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Mindisch-Wräb) Alfred Candid Z8 Wmdisch-Grätz) Alfred Candid
Sieg des Fürsten Win disch-G ratz gestan<
den wäre."
XII . Die Niederwerfung des Prager Anfstandes
und ihre Wirkung auf die übrigen Staaten
des Continents. Die Niederwerfung der
Prager Empörung war seit Ausbruch der
Pariser Februar Revolution der erste größere
und entschiedene Sieg der legitimen Macht
über die Gewalten des Aufruhres und der
Anarchie. Die böhmische Heeresabtheilung
hatte den seit langem verbreiteten Glauben
der Unbesiegbarkeit empörter Städte und
tückischer Straßenkämpfe Lügen gestraft, an
dem unerschütterlichen Felsen echter Soldaten»
tugenden war dieser Wahn zersplittert worden.
Mit solchen Truppen sah sich der comman«
dirende General im Stande, jeder Evmtua<
lität entgegenzutreten; und er that es! Im
Vertrauen auf diese so glanzend bewiesene
Kriegertugend, auf die in den bittersten
Augenblicken seines Lebens ihm gegenüber
bewährte Anhänglichkeit und Treue der Sol«
daten beschloß Fürst Win disch'G ratz, den
über die Revolution errungenen Sieg nicht
mehr aus den Händen zu geben. In wieder»
holten öffentlichen Erklärungen sprach er sich
aus. daß sein Kampf weder der Unterstützung
noch der Nnterwerfung einer oder der andern
Nationalität gegolten, daß es sich ihm nicht
um politische Formeln handle, daß er aber
Gesetz und Ordnung vertreten, das Land dem
Kaiser und dem Reiche erhalten, den thatsächlich
erwiesenen Verschwörungen entgegengetreten,
die anarchistischen Bestrebungen ntedergeworfen
habe. Die Leelengröbe des Fürsten inmitten
der Stürme jener Tage, die unentwegte Con«
feauenz seiner Handlungsweise, das von ihm
gebotene Beispiel vollendeter Pflichttreue, die
unbedingte Anhänglichkeit und Treue seiner
Truppen, dazu die unbestrittene Thatsache
des ersten Sieges jener Zeit übrr die bisher
in allen Hauptstädten Europas sicgre'che Re«
volution. dies Alles hatte ihm eine Stellung
geschaffen, die er angesichts der immer weiter«
greifenden Bewegung in Wien und in allen
Nachbarstaaten mit der ganzen Kraft seiner
Energie festzuhalten entschlossen war. Der
Geschichtsschreiber jener Tage begegnet selbst
dann, wenn er dieselben als Zeitgenosse mit
durchleb:, einer unleugbaren Schwierigkeit in
der Aufgabe, der Nachwelt die namenlose
Verwirrung, den Grad der Auflösung jeder
staatlichen und politischen Ordnung darZu»
stellen, welche in den Sommermonaten 1848 in der Mehrzahl der europäischen Staaten,
besonders aber in Mitteleuropa, eingetreten
war. Die allgemeine Schwäche der Regie»
rungen, welche den volksthmnlichen Erschei'
nungen gegenüber nicht bloß die Einsicht,
sondern auch das Gefühl ihrer Pflichten per»
loren zu haben schienen, der Mangel an poli»
tischer Erfahrung bei der großen Masse der
Gebildeten, die zur entscheidenden Mitwirkung
bei der Leitung der öffentlichen Angelegen«
heiten berufen worden, der während einer
langen Friedenszeit entstandene Mangel an
Muth bei solchen, denen es nicht an Erfah«
rung gebrach, die leidenschaftliche, wenn auch
in manchen Kreisen ideale Verfolgung natio»
naler Ziele, für welche die Bahn in einem
Augenblicke frei erscheinen mußte, in welchem
von Vielen die Berechtigung, von beinahe
allen Menschen die Haltbarkeit der bestan»
denen politischen Ordnungen geleugnet wurde.,
und innerhalb dieser Verhältnisse die positive
Wirksamkeit einer europäischen revolutionären
Verschwörung, über deren Ziel? gestritten
werden mag, die aber unter geschickter Br»
nützung der allgemeinen eben durch sie hervor»
gerufenen Anarchie unbestritten ihren Weg in
der Auflösung aller gesetzlichen Grundlagen
zu verfolgen suchte, hatten einen Zustand
hervorgerufen, der heutzutage nahezu jeder
Schilderung spottet. Die blutigen Kriege,
welche in den folgenden Jahrzehnten mit an
Zahl immer steigenden Heeren geführt wur»
den, der in seinen Mitteln und Wegen bis
zu den neueren Sprengwerkzeugen und zum
Massenmorde fortgeschrittene sociale Kampf,
haben die Erscheinungen der Jahre 1848
und 1849 gegenwärtig oft unterschätzen lassen;
der ernste Historiker wird aber die Bedeu«
tung der geschichtlichen Thatsachen jener Jahre
ebenso sehr bezüglich ihrer selbst, alS in ihren
weittragenden Folgen würdigen müssen. Nur
wenige Berufsrichtungrn wußten sich außer«
halb des allgemeinen Taumels in ungemin»
derter geordneter Thätigkeit zu erhalten. Es
waren jene, die dem politischen Treiben
grundsätzlich ferne blieben. Vor Allem kann
dies von den stehenden Heeren jener Zeit
gesagt werden, und unter diesen besonders
von jenen Heereskörpern, welche, wie die
Armee in Italien, einem äußeren Feinde,
oder, wie die Armee in Paris oder in ande?
ren Städten, dm socialen oder politischen
Bewegungen in berufsmäßigem, directem
Kampfe gegenüberstanden. Nnter den sehr
wenigen Mannern endlich, die in dieser
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Windisch-Wolf, Band 57
- Titel
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Untertitel
- Windisch-Wolf
- Band
- 57
- Autor
- Constant von Wurzbach
- Verlag
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Ort
- Wien
- Datum
- 1889
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.41 x 21.45 cm
- Seiten
- 334
- Schlagwörter
- Biographien, Lebensskizzen
- Kategorien
- Lexika Wurzbach-Lexikon