Der Katakombenheilige am Arbesberg #
Die Homepage des Marktfleckens Arbesbach wirbt mit Juwelen aus Stein. Auf 903 m Seehöhe im westlichen Waldviertel gelegen, herrscht tatsächlich kein Mangel an granitenen Sehenswürdigkeiten, Allem voran der sogenannte Stockzahn des Waldviertels, die Turmruine einer ehemaligen Kuenringerburg, Hoch aufragend über einer mächtigen Felsformation des Weinsberger Granits, dient er seit geraumer Zeit als Aussichtswarte. Bei klarem Wetter reicht der Blick bis zum Ötscher oder Hochschwab.
In einer Auflistung der interessantesten Naturdenkmäler wird auch auf den Arbesberg verwiesen: Arbesberg mit “Klausnerhöhle”, kleiner Kapelle, Lourdesgrotte und weitem Rundblick .. In dieser kleinen Kapelle, die vielmehr einem wuchtigen Bildstock mit Fenster gleicht, trifft man auf einen der seltsamsten Heiligen der Katholischen Kirche, den Hl. Expedius/Expedit. Der Heilige wird als Schutzpatron der Wanderer verehrt und in dringlichen Angelegenheiten angerufen, in Fällen, die keinen zeitlichen Aufschub dulden und einer sofortigen Lösung bedürfen. Praktisch! Dargestellt als Römischer Kommandant hält er in seiner Rechten ein Kreuz mit der Aufschrift “Hodie” (Heute), während er auf einen Raben tritt, der kläglich “Cras, cras!” (Morgen) schreit. Gemeint ist das hingebungsvolle Gebet, welches tunlichst nicht hinausgezögert werden sollte, wie man an dem Raben sieht. Der Hl. Expedius soll in Armenien zur Zeit des letzten Christenschlächters Kaiser Diokletian gelebt haben und starb als Märtyrer. Weil er den neuen Glauben annahm, wurde er 303 n. Chr. enthauptet. Selbst den Namen der Legion, die er befehligte, will man überliefert wissen: “La Fulminante” (Die Schlagkräftige). Für diese detailreiche Kenntnis gibt es eine banale Erklärung. Die Vita jedes Heiligen wurde, wie es so schön in kirchlichen Kreisen heißt, entwickelt. In unseren Breiten führt der Hl. Expedius ein Schattendasein, andernorts ist er, was Popularität und Beliebtheit anbelangt an erster Stelle. So hat es ihn im 17. Jahrhundert gar auf die Insel Reunion im Pazifischen Ozean verschlagen, wo sein kometenhafter Aufstieg zum Inselheiligen schlechthin begann, der neben den Christen, auch von den Hindus als Reinkarnation Vishnus, als auch von den moslemischen Indern als Sufi, ja so gar von den Anhängern des Voodoo verehrt wird. Um bei der Wahrheit zu bleiben, - dort wurde er sozusagen erst entdeckt.
Und das kam so: In der Zeit der Gegenreformation blühte der Handel mit Reliquien. Keine Kirche, kein Kloster ohne die sterblichen Überreste heiliger Männer und Frauen. Nahe der Stadt St. Paul auf Reunion erhielten Ordensschwestern eine Kiste aus Rom. Die Äbtissin des Nonnenklosters hatte Monate zuvor, schriftlich um die Überbringung der sterblichen Reste eines Märtyrers gebeten. Es scheint eine wenig präzisierte Anfrage gewesen zu sein. Vielleicht war auch schon die Hoffnung geschwunden, einen Splitter vom Kreuz Christi oder ähnliches zu ergattern, - wahrscheinlich alles ausverkauft .. . Dann aber war es endlich soweit. Die Kiste aus Rom kam an. Man/frau stelle sich die Aufregung der gottesfürchtigen Ordensfrauen vor! Und so kam es zu einem folgenschweren Irrtum, der die Geburtsstunde des Inselheiligen markiert. Die Nonnen hielten die italienische Aufschrift Espedito (Aussendung) irrtümlich für den Namen des Heiligen. Von da an eroberte er die Insel! Hunderte, üblicherweise blutrot getünchte Schreine mit der Statue des Heiligen sind bis heute auf der Insel zu finden. Besonders an Weggabelungen trifft man auf diese Andachtsstätten, die wie gesagt, nicht nur von Christen aufgesucht werden, manchmal auch geschmückt mit Unterwäsche! Auch in Liebesangelegenheiten ist rasche, umgehende Hilfe oft erforderlich!
Der Hl. Expedius zählt zu den sogenannten Katakombenheiligen. Die in den römischen Katakomben begrabenen römischen Bürger, die sich zum Gott der Christen bekannten, wurden nur allzu gerne kollektiv zu Märtyrern erklärt, was wunderbar in das Konzept der Gegenreformation und dem florierenden Handel mit heiligem Gebein passte.