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Hans Peter Lehmann#

M.A. (Natal, South Africa), MBA (UNISA, South Africa), PhD (Auckland, New Zealand); Fellow British Computer Society (UK), Chartered Engineer (Institution of Engineering and Technology, UK)

Curriculum Vitae - in einer Kurzgeschichte#

Hans Peter Lehmann
Hans Peter Lehmann
Foto: © privat

Ich bin in Wien 1944 zur Welt gekommen, in Meidling als Sohn einer einfachen Familie aufgewachsen und ging dann auch dort zur Volks- und Realschule. In der Oberstufe haben sich dann aber Schule und ich nicht mehr vertragen: ich verdingte mich als Hilfsarbeiter in allen möglichen Jobs und erwarb die Matura in Abendklassen. An der Uni Wien habe ich dann (auch als Werkstudent) Psychologie und Mathematik/Statistik studiert. Nach fünf Jahren begann ich dann meine Doktorarbeit unter Hubert Rohracher. Keine sehr glückliche Wahl, wie sich (nicht nur für mich) herausstellte, denn nach drei Jahren guter Arbeit unter ausgezeichneter Führung verstarb mein Doktorvater unerwartet und plötzlich – und noch ein wenig vor dem Abschluss meiner Dissertation. Keiner seiner potentiellen Nachfolger war bereit meine Arbeit ohne massive, grundlegende Änderungen zu übernehmen. Konfrontiert mit entweder weiteren vier Jahren oder Studienabbruch entschied ich mich für letzteres.

Ich hatte mich bereits während des Studiums für Markt- und Meinungsforschung interessiert und so war es naheliegend dies nun ernsthafter in Erwägung zu ziehen. Ernst Dichter, ein gebürtiger Österreicher , hatte damals gerade in den USA großen Erfolg mit seinem Konzept der psychologischen „Motivforschung“ und so beschloss ich nun auch in der qualitativen Markt- und Marketingforschung tätig zu werden.

Mit richtigen Anfängerglück „entdeckte“ mich Peter Diem (damals Meinungsforscher in der Volkspartei) schon ganz am Anfang. Er beauftragte mich im Präsidentschaftswahlkampf Waldheim mit meinen ersten psychologischen Studien. Weitere faszinierende politische Arbeit folgte - kulminierend in einer „Strategischen Studie“, einer breit angelegten psychologischen Analyse der österreichischen Politik- und Wählerlandschaft. Mit Peter Diems Empfehlungen gelang es mir auch Aufträge von erstklassigen Industriekunden zu erwerben (Nestlé/Alete, Bunzl&Biach, Phillips Österreich, Felix Austria, Colgate Österreich, unter anderen). 1972 gründete Andreas Kirschhofer (nach einer steilen Karriere im damals schon legendären Allensbacher Institut für Demoskopie) das IMAS Institut in Linz. Zusammenarbeit mit dem (vorwiegend quantitativ ausgerichtetem) IMAS war trotz bester Absichten von beiden Seiten recht schwer. Gravierender aber war, dass ich nun auch von den anderen Anbietern am Markt bemerkt worden war. Ich fand nun sehr rasch heraus wie schwer es war meine Arbeit gegen die Konkurrenz zu verteidigen – ohne Doktortitel wurde ich oftmals einfach als unprofessioneller Dilettant lächelnd vom Tisch gewischt... Ich löste dieses Problem mit einem zweiten Neuanfang: dem Einstieg ins Marketing (weg von der Forschung und hinein in die Anwendung, war hier die Idee) in einer Neugründung - mit all der Tollkühnheit die geschäftliche Unbelecktheit so mit sich bringt! Supermärkte hatten damals gerade ihren Siegeszug angetreten – und in den USA führte das zum Erscheinen von Mini-Märkten (z.B. die „7-11“ Kette), die als Rettung der „Kleinen“ propagiert wurde. Gemeinsam mit einem Partner, der für die Finanzen verantwortlich war, gründeten wir eine Firmengruppe die Lebensmittelkleinhändler aufkaufte und sie in „Superetten“ umwandeln sollte. Nach viel zu raschem, ungebremstem Wachstum begann jedoch das finanzielle Gefüge rapide einzubrechen. Unfähig (und nicht-gewusst-wie) die Finanzierung auszuweiten mussten wir dann letztendlich die die Firmen in die Liquidation führen.

Zur selben Zeit war auch meine erste Ehe so gut wie zerbrochen und so fand ich mich nun vor einem weiteren Neuanfang an viel breiterer Front als zuvor – jedoch diesmal aus einer recht aussichtslosen Startposition. Ohne akademischen Titel (dies alles war noch vor der Einführung des Magisters für Psychologie an der Universität Wien…) und nun gezeichnet von katastrophalem Misserfolg an allen Fronten war Österreich für mich kein freundlicher Boden mehr. Nach zahlreichen und zunehmend demütigenden Misserfolgen in der Jobsuche folgte ich dann dem Ruf eines alten Schulfreundes und emigrierte nach Südafrika – vier Tage vor meinem dreißigsten Geburtstag. In Südafrika stand ich dann vor der Wahl weiterhin in Marketing- und Motivforschung tätig zu bleiben – oder die im Statistik Studium (beim Ford Institut) angeeigneten Computer- und Programmierkenntnissen zu nutzen. Nach Gesprächen mit beiden Seiten gewann dann meine Sucht nach dem Neuen, der sich rasant entwickelnden Computerwelt. Ich trat einer großen chemischen Firma[1] in Durban als „System Officer“ bei und fand die Arbeit neu, schwierig - aber sehr faszinierend! Meine Frau konnte ich jedoch nicht vom Neuanfang im neuen Land überzeugen. Wir wurden 1976 einvernehmlich geschieden, sie bekam unsere beiden Kinder zugesprochen und ich überließ ihr alles in Österreich. Mit der Zeit kam nun langsam auch ein wenig Licht ins traurige Dunkel: das minimalistische Existieren (aus einem kleinen Koffer, in einer unmöblierten Firmenwohnung und auf Mindestgehalt) ergab einen idealen Vorwand nun doch noch mein Psychologie Studium fertig zu machen. Natal University in Durban akzeptierte mich als Teilzeit Studenten für einen Masters of Arts. Meine Studien in Wien hätten zwar auch für Doktorarbeit gereicht - dies war aber nur im Vollzeitstudium möglich und daher für mich unerschwinglich. Ich promovierte mit einer Diplomarbeit in Industriepsychologie über Persönlichkeit und Stress-Verhalten[2] in 1978.

Mittlerweile war auch mein Leben weitergegangen: ich war Anfang 1978 einer Bank in Johannesburg[3] beigetreten und übernahm den Aufbau eines Teams das die Data Administration (damals das coolste Computerfeld schlechthin!) für die Bank einführte. Im Herbst des Jahres heiratete ich auch wieder - in England: eine Engländerin, die ich in Durban kennengelernt hatte.

Die Bank, als Karriereförderung, sponserte mich dann für einen Master of Business Administration (MBA) an der University of South Africa in Pretoria – auch diesmal teilzeitlich.

Wie alle guten MBAs trat ich aber gleich nach der Promovierung aus der Bank aus und bei Deloitte Consulting[4] in South Africa als Unternehmensberater im EDV Bereich ein – mit dem Ziel im neuerdings unabhängigen Simbabwe eingesetzt zu werden.

So übersiedelten wir also dann mit zwei Autos und zwei Hunden nach Salisbury (dem späteren Harare). Deloittes Strategie war es in Simbabwe – nach jahrzehntelangen Sanktionen – Beratung für den Nachholbedarf an Computern im Lande anzubieten. Zwei Jahre lang war das auch ein sehr erfolgreiches Rezept – und für mich politisch, geschäftlich und von der Umwelt her eine der interessantesten Zeiten meines Lebens. Dann aber begann ein steiler Abstieg in Simbabwe: Korruption begann überall zu blühen, Geldmittel wurden „umverteilt“ und Aufträge für teure Konsulenten trockneten aus. Eine rasch zunehmende und weit verbreitete Flucht von geschulten Fachkräften und der daraus resultierende Einsturz der Infrastruktur, insbesondere im sozialen und medizinischen Bereich führten dazu, dass Deloitte Consulting ihre Präsenz im Lande drastisch einschränkten. So wurde ich 1983 eingeladen zu Deloitte nach London zu übersiedeln – sehr zur Erleichterung meiner Frau, die gerade unseren Sohn zur Welt gebracht hatte. Eine Tochter folgte bald darauf.

In London sah ich jedoch – wieder einmal! - recht wenig von meiner Familie. Der Südosten Englands war damals am Beginn eines rapiden Konjunkturaufschwunges und die Arbeit nahm überhand – war aber für mich außerordentlich faszinierend war: groß geworden in kleinen Wirtschaftsumfeldern wie Wien und kleinsten, wie Südafrika (von Simbabwe ganz zu schweigen!) fand ich mich mit einem Mal inmitten dieser riesigen, pulsierenden Metropole. Mit einigen der mächtigsten Organisationen der Welt in Finanz, Handel und Industrie – auch oft international - zusammenzuarbeiten war eine steile Lernkurve. Beratung für öffentliche Institutionen wie BBC Television, oder die Internationale Atombehörde (zu der ich auf nahezu ein Jahr wieder heim nach Wien musste) gehören auch zu den einschneidendsten Erfahrungen in meinem Berufsleben. Nach fünf Jahren begann jedoch all das Neue langsam aber deutlich zu verblassen. Ich war einfach nicht mehr bereit meine nun zweite Familie weiterhin komplett zu vernachlässigen. Wir begannen zu planen wie wir der Londoner Tretmühle entkommen könnten und fingen an mögliche Fluchtziele zu diskutieren. Eine Schwester meiner Frau lebte damals schon seit einiger Zeit in Neuseeland und hatte uns schon immer vorgeschwärmt wie gut dort das Leben sei. Und wie es der Zufall wollte hatte ich gerade dann Gelegenheit ein mehrmonatiges Beratungsprojekt mit Deloitte Neuseeland für eine der dortigen Investmentbanken zusammenzustellen.

Und so fand ich mich dann im April 1987 in einem Neuseeland das gerade den stärksten Boom seiner Geschichte zu verdauen versuchte. Nach einigen höflich-diplomatischen Ermunterungen fragten mich dann die dortigen Deloitte Partner ob ich mir vorstellen könnte bei ihnen eine Computerberatung aufzubauen. Nach einer (ebenso höflich-diplomatischen) Bedenkzeit – und nach kurzen Telefonaten mit meiner Frau - sagte ich dann zu. Im Jänner 1988 sollte es mit Volldampf losgehen. Aber die besten Pläne...

Als ich im Jänner 1988 in Auckland ankam war die Welt eine ganz andere. Der Börsenkrach im Oktober 1987 hatte Neuseeland in die nun tiefste Wirtschaftskrise seiner Geschichte gestürzt – und Deloitte waren die Rechnungsprüfer der Mehrzahl der am schlimmsten betroffenen Firmen. Niemand in Deloitte hatte Zeit (oder Lust) sich mit dem Neuling abzugeben. Und überdies: niemand hatte mehr Geld für teure Berater. Die Rettung kam in der Form von drei Programmierern, die bei einer Firmenfusion zu Deloitte gekommen waren und sich mit Software am – damals noch sehr neumodischen - PC auskannten. Für sie hatte auch niemand Zeit und so taten wir uns zusammen: in zweijähriger Knochenarbeit hatten wir ein Team von 18 Leuten und einen Vertrag mit den Vertreibern eines umfassenden Business-Softwarepakets das wir für ihre Kunden fachgerecht implementierten. Wir waren gerade einmal profitabel geworden als Deloitte mir einen ihrer Altpartnern vor die Nase setzte. Und dafür hatte ich meine Familie die letzten zwei Jahre wieder (einmal...) fast nicht gesehen!

Ich nahm also wieder einmal Abschied von einem Beruf und startete den nächsten: Ich hatte schon längere Zeit mit der Universität in Auckland zusammengearbeitet – Gastvorlesungen und Beratung beim Inhaltsaufbau für ihr MBA Programm. Unter Mithilfe meines Master of Arts und des MBA wurde mir 1990 eine mittelschichtige Anstellung als Senior Lecturer angeboten – allerdings mit der Auflage, sobald als möglich einen Doktorgrad anzustreben. Da sag noch einer, dass sich im Unglück kein Segen versteckt!

Der Wechsel vom Konsulenten zum Akademiker war etwas das ich in der Folge überhaupt nicht bereut habe. Ich musste zwar fast die Hälfte meines Gehalts aufgeben, aber das ging wesentlich leichter als ich dachte: die Freiheit und Zeit zum Denken zu haben, die Möglichkeit, eigentlich eine implizierte Pflicht, intellektuellen Herausforderungen befreit von Kosten/Nutzen Rechnungen auf den Grund gehen zu können, das alles ist ja kaum in Geld ausdrückbar.

Die Universität hat es zwar nie urgiert, aber ich habe dann doch noch einen PhD begonnen. Als ich es meiner Mutter sagte kamen ihr die Glückstränen – ihr Sohn wird jetzt doch noch ein Herr Doktor! Ich habe 7 Jahre gebraucht (wieder einmal in Teilzeit…) aber es war es wert: in meiner Beraterarbeit musste ich oft zusehen wie multinationale Firmen, die ein globales Computersystem einführen wollten, oft hilflos von einer Katastrophe zur anderen taumelten. Und nun hatte ich die Gelegenheit hier einmal tief nachzudenken, erschöpfend zu forschen und vielleicht am Ende etwas Nützliches zu entdecken. Leicht war es nicht: ich konnte meine internationale Arbeit nur mit einer Serie von Groscherlbudgets planen und durchführen – mit ein Grund für die lange Dauer. 2001 war es dann soweit: Hr. Dr. Lehmann promovierte mit einer Arbeit über die Verschiedenheit internationaler Computersysteme. 2002 begann die Victoria University of Wellington mit mir über einen möglichen Jobwechsel zu sprechen und lud mich ein mich doch für eine freiwerdende Stelle als Associate Professor für Information Systems im International Business zu bewerben. Ich tat das auch, war erfolgreich und begann im Dezember 2002 in Wellington.

Mehr Glückstränen für meine Mutter: ihr Bub war nun ein Herr Professor Doktor! Ich bin dann bis zu meiner Pensionierung 2015 and der Universität in Wellington geblieben. Ich lebe auch da – es ist ein sehr schönes Leben.

Wenn ich nun mit der Intensität des Alters über mein Leben nachdenke dann sehe ich jetzt, dass die oft verzweifelte Unsicherheit mit der all diese existenzbedrohenden Richtungsschwankungen behaftet waren doch etwas zutiefst Positives dargestellt hat. Ich sehe jetzt die starken intellektuellen, emotionell oft Mut-verschluckenden Herausforderungen, mit denen ich mich herumraufen musste als etwas das mir Wachstum gegeben hat. Dazu dann auch noch das Glück zu haben meine weitläufige Berufserfahrung mit einer Akademikerberufung verknoten zu dürfen war das Tüpferl auf dem i.

Vielleicht schließt sich der Kreis und ich komme noch einmal nach Österreich zurück. Weil die Welt halt doch recht gut zu mir war. Und weil man, speziell in einem Kleinstland, dieses Credo doch recht vielen auch persönlich erzählen sollte?

Hans Lehmann
Wellington, im Mai 2018


Fußnoten#

[1] AECI, ein joint-venture von Anglo-American (South Africa) und Imperial Chemical Industries (ICI; UK)
[2] Der volle Titel: Personality correlates to performance under stress in simulated chemical plant emergencies. Link: https://researchspace.ukzn.ac.za/xmlui/handle/10413/2062
[3] Standard Bank of South Africa (related to Standard Chartered Bank of Hong Kong)
[4] Damals noch „Deloitte Haskins+Sells“
[5] Der volle Titel: A grounded theory of international information systems
Link: https://researchspace.auckland.ac.nz/handle/2292/626
Leichter zu lesen ist das Buch in dem ich 2010 meine Forschung vorstellte:
LEHMANN, H. P., ‘The dynamics of international information systems – anatomy of a grounded theory investigation’.
Springer, 2010.
E-Book on SpringerLink (ISBN 978-1-4419-5750-4; at
Print Version/Hardback (ISBN: 978-1-4419-5749-8);
Mein Akademisches Curriculum Vitae 1991-2018 liegt an.

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