Bernhard, Thomas #
* 9. 2. 1931, Heerlen, Holland
† 12. 2. 1989, Gmunden, Oberösterreich
Dramatiker, Erzähler, Lyriker
Thomas Bernhard wurde am 9. Februar 1931 in Heerlen, Holland, als Sohn von Herta Bernhard und Alois Zuckerstätter geboren.
Seine Kindheit verlebte Bernhard hauptsächlich bei den Großeltern mütterlicherseits in Wien und Seekirchen am Wallersee (Salzburg). Nach der Heirat seiner Mutter wohnte Bernhard zuerst in Traunstein (Bayern), dann in Salzburg. Die prägende Persönlichkeit jener Jahre war sein Großvater mütterlicherseits, der Schriftsteller
Johannes Freumbichler (1881-1949).
Er besuchte ein Internat in Salzburg, nach Kriegsende das Humanistische Staatsgymnasium in Salzburg, begann aber 1947 eine Kaufmannslehre.
1949 erkrankte er nach einer schweren Rippenfellentzündung an Lungentuberkulose, und verbrachte daher 1949 -51 mehrere Aufenthalte in Sanatorien und Lungenheilstätten. Die aus dieser Zeit erwachsene Beziehung Bernhards zu Hedwig Stavianicek bestand bis zu deren Tod im Jahre 1984.
Ab 1965 lebte Bernhard hauptsächlich auf einem Bauernhof in Ohlsdorf (Oberösterreich).
Während der 50er Jahre arbeitete er als Journalist und freier Schriftsteller und nahm im Salzburger Mozarteum Musik- und Schauspielunterricht.
1963 gelang ihm nach der Veröffentlichung mehrerer Lyrikbände mit dem Roman "Frost" der literarische Durchbruch. In rascher Folge erschienen zahlreiche weitere Romane und Erzählungen, 1970 wurde in Hamburg das erste Theaterstück unter der Regie von Claus Peymann aufgeführt ("Ein Fest für Boris").
Ab 1970 wurde Bernhard zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Dramatiker, insgesamt achtzehn Theaterstücke wurden uraufgeführt, zwischen 1975 und 1982 veröffentlichte er autobiographische Erzählungen. Hatte sich Bernhard in seinen frühen Prosawerken mit der äußerlichen und innerlichen Absonderung und Entfremdung des Einzelnen von der bürgerlichen Gesellschaft auseinandergesetzt, so wendete er sich in den 70er Jahren seiner eigenen Lebensgeschichte zu und reflektierte in einer 5bändigen Biographie seine persönlichen Entwicklungsbedingungen: nationalsozialistische Erziehungsanstalt und katholisches Internat (Die Ursache. Eine Andeutung, 1975), seine Begegnung als 16-Jähriger mit gesellschaftlichen Außenseitern während seiner Lehrzeit als Lebensmittelhändler (Der Keller. Eine Entziehung, 1976), der Aufenthalt im Krankenhaus als Lungenkranker, wo er als hoffnungsloser Fall unter die Sterbenden eingereiht wird (Der Atem. Eine Entscheidung, 1978), das Leben in einer Lungenheilstätte, in der er wiederum zwischen Genesung und Rückfall von der Gesellschaft isoliert ist (Die Kälte. Eine Isolation, 1981), und schließlich der Rückblick auf seine ersten dreizehn Lebensjahre, in dem er auch von der Verachtung seiner Mutter und der Liebe seines Großvaters erzählt (Ein Kind, 1982)
Seit den 80er Jahren dominieren die Theaterstücke in Bernhards Werk, lange Monologe einsamer, mitunter grotesk komischer Menschen, die alle außerhalb der Gesellschaft stehen. Er entwickelt einen eigenen Erzählstil, der besonders mit Wiederholungen und indirekter Wiedergabe der meist monologischen Rede arbeitet.
Bernhard hat mehrere Stücke dem großen Schauspieler Bernhard Minetti gewidmet, 1976 auch ein Drama nach ihm benannt: Minetti. Darin spielt der Mime sich selbst als erfolglosen, verarmten Schauspieler, der erfolglos auf ein Engagement als König Lear wartet und sich zum Schluss aus Verzweiflung, "Wahrheitsfanatismus" und "Verfolgungswahn" selbst tötet.
Immer wieder gab es Aufregungen um seine Arbeiten: erregte er bereits mit seinen frühen Romanen beim österreichischen Publikum Missfallen, weil sie mit dem Klischee der schönen Heimat brechen, so kam es bei späteren Werken, in denen er mit dem Kulturbetrieb, der Geschichte und der Vergangenheitsbewältigung Österreichs und dem Antisemitismus abrechnet, zu heftigen Auseinandersetzungen (z.B. spektakuläre Beschlagnahmung des Romans "Holzfällen" 1984, Aufregung um sein letztes Theaterstück "Heldenplatz" 1988).
Thomas Bernhard starb am 12. Februar 1989 in Gmunden, Oberösterreich. Er hat als Autor von Gedichten, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken ein Gesamtwerk geschaffen, das zu den bedeutendsten schriftstellerischen Leistungen des 20. Jahrhunderts zählt.
Eine testamentarische Verfügung des Autors verbietet zwar sämtliche Aufführungen, Drucklegungen und Rezitationen seiner Werke in Österreich, seit Gründung der T.-Bernhard-Stiftung 1998 wird diese Bestimmung von den Erben Bernhards aber nicht mehr aufrecht erhalten.
Das Thomas-Bernhard-Archiv in Gmunden am Traunsee (eine Einrichtung der Thomas Bernhard Privatstiftung) macht die literarischen Nachlässe von Thomas Bernhard und seinem Großvater Johannes Freumbichler öffentlich zugänglich.
Weiterführendes#
- Ferk, J.: Eine korrekte und eine unkorrekte Biografie (Essay)
- Schütte, U.: Vom Reaktionär zum Rebell (Essay)
- Stimeder, K.: Thomas Bernhard, der Cowboy (Essay)
- Strigl, D.: Virtuose der Empörung (Essay)
- Thomas Bernhard im Interview zu den Salzburger Festspielen (Video-Album)
- Historische Bilder zu Thomas Bernhard (IMAGNO)
Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#
- Österreichischer Staatspreises für Literatur (1967)
- Anton-Wildgans-Preis (1968)
- Georg-Büchner-Preises (1970)
- Grillparzer-Preis (1972)
- Premio Mondello (1983)
- Prix Medicis (1988)
Werke (Auswahl)#
- Auf der Erde und in der Hölle, Gedichte, Salzburg 1957
- In hora mortis, Gedichte, Salzburg 1958
- Unter dem Eisen des Mondes. Gedichte, Köln 1958
- die rosen der einöde. fünf sätze für ballett, stimmen und orchester, Frankfurt/Main 1959
- Die Irren / Die Häftlinge, Privatdruck, Klagenfurt 1962
- Frost, Roman, Frankfurt/Main 1963
- Amras, Frankfurt/Main 1964
- Verstörung, Roman, Frankfurt/Main 1967
- Prosa, Frankfurt/Main 1967
- Ungenach, Erzählung, Frankfurt/Main 1968
- Watten, Ein Nachlaß, Frankfurt/Main 1969
- Ereignisse, Berlin 1969
- An der Baumgrenze, Erzählungen, Salzburg 1969
- Ein Fest für Boris, Frankfurt/Main 1970
- Das Kalkwerk,. Roman, Frankfurt/Main 1970.
- Der Italiener, Salzburg 1971
- Midland in Stilfs, Drei Erzählungen. Frankfurt/Main 1971
- Gehen, Fankfurt/Main 1971
- Der Ignorant und der Wahnsinnige, Frankfurt/Main 1972
- Der Kulterer, Drehbuch 1974
- Die Jagdgesellschaft, Frankfurt/Main 1974
- Die Macht der Gewohnheit, Komödie. Frankfurt/Main 1974
- Der Präsident. Frankfurt/Main 1975
- Korrektur. Frankfurt/Main 1975
- Die Ursache. Eine Andeutung. Salzburg1975
- Die Berühmten. Frankfurt/Main 1976
- Der Keller. Eine Entziehung. Salzburg 1976
- Minetti. Ein Portrait des Künstlers als alter Mann. Frankfurt/Main 1977
- Der Atem. Eine Entscheidung. Salzburg 1978
- Immanuel Kant. Komödie. Frankfurt/Main 1978
- Der Weltverbesserer. Frankfurt/Main 1979
- Vor dem Ruhestand. Eine Komödie von deutscher Seele. Frankfurt/Main 1979
- Die Billigesser. Frankfurt/Ma1980
- Die Kälte. Eine Isolation. Salzburg1981
- Über allen Gipfeln ist Ruh. Ein deutscher Dichtertag um 1980. Komödie. Frankfurt/Main 1981
- Am Ziel. Frankfurt/Main 1981 Ein Kind. 1982
- Beton. Frankfurt/Main 1982
- Wittgensteins Neffe. Eine Freundschaft. Frankfurt/Main 1982
- Der Untergeher. Frankfurt/Main 1983
- Der Schein trügt. Frankfurt/Main 1983
- Holzfällen. Eine Erregung. Frankfurt/Main 1984
- Der Theatermacher. Frankfurt/Main 1984
- Ritter, Dene, Voss. Frankfurt/Main 1984
- Alte Meister. Komödie Frankfurt/Main 1985
- Auslöschung. Ein Zerfall. Frankfurt/Main 1986
- Einfach kompliziert. Frankfurt/Main 1986
- Elisabeth II. Frankfurt/Main 1987
- Der deutsche Mittagstisch. Dramolette. Frankfurt/Main 1988
- Heldenplatz. Frankfurt/Main 1988
- Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen. Drei Dramolette. Frankfurt/Main 1990
Literatur#
- W. Schmidt-Dengler, Der Übertreibungskünstler, 1989
- B. Sorg, T. Bernhard, 1992
- H. Höller, T. Bernhard in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 1993
- W. Schmidt-Dengler (Hg.), T. Bernhard, 1997
- A. Pfabigan, T. Bernhard, 1999
- J. Hoell, T. Bernhard, 2000
- H. Gschwandtner, Strategen im Literaturkampf, 2021
Quellen#
- AEIOU
- Literaturhaus
- Thomas-Bernhard-Gesellschaft
- Wiener Zeitung
- Die FURCHE
- Das große Buch der Österreicher, ed. W. Kleindel & H. Veigl, Verlag Kremayr & Scheriau (1987), Wien, 615 S.
Redaktion: I. Schinnerl
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