Bárány, Róbert#
* 22. 4. 1876, Wien
† 8. 4. 1936, Uppsala, Schweden
Physiologe, Ohrenarzt, Nobelpreisträger (1914)
Róbert Bárány, ältestes Kind von sechs Geschwistern eines Gutsverwalters, wuchs in einer aufgeklärten und kultivierten Umgebung auf. Er studierte an der Universität Wien Medizin und promovierte dort im Jahr 1900. Anschließend verbrachte er einige Jahre zur Weiterbildung beim Internisten Carl von Noorden in Frankfurt sowie beim Psychiater Emil Kraepelin in Freiburg, wo er auf das Gebiet der neurologischen Erkrankungen aufmerksam wurde.
Nach seiner Rückkehr nach Wien war Bárány Schüler beim Chirurgen Carl Gussenbauer im Allgemeinen Krankenhaus in Wien. 1905 erhielt er eine Assistenzstelle bei Adam Politzer (1835-1920), der 1873 die erste Ohren-Klinik der Welt im AKH Wien gegründet hatte. Hier begann Bárány seine Untersuchungen und Beobachtungen über das menschliche Gleichgewichtsorgan. 1909 habilitierte er sich für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrankheiten und wurde Privatdozent für Ohrenheilkunde.
Aufgrund seiner eigenen Beobachtungen und Untersuchungen sowie der Vorarbeiten anderer Wissenschaftler gelang es Bárány, Aufbau und Arbeitweise des bis dahin unverstandenen Gleichgewichtsorgans im Innenohr zu verstehen. Dieser neue Zugang in der Ohrenheilkunde, die „Otoneurologie“, die die Beziehungen zwischen Ohren- und Nervenheilkunde in den Mittelpunkt rückte, machte Bárány weltweit berühmt.
Seine Untersuchungen zum Phänomen des Nystagmus ("Augenzittern") bei Warm- und Kaltreizung des Ohrlabyrinths mittels Spülungen revolutionierten die Ohrenheilkunde. Mittels dieser "kalorischen Methode" konnte ein Arzt nun auf einfache Art die Funktion des Gleichgewichtsorgans beurteilen und so Erkrankungen des Innenohrs bereits früh erkennen.
Während des Ersten Weltkriegs diente Bárány freiwillig als Chirurg in der österreichischen Armee; 1915, in russischer Kriegsgefangenschaft in Turkestan, erfuhr er von dem ihm schon im Jahr davor zugesprochenen Nobelpreis für seine Arbeiten zur Physiologie des Vestibular- (Bogengang-) Apparats, womit die Grundlage für die Labyrinth-Chirurgie geschaffen war und die Mortalitätsrate als Folge von Innenohreiterungen auf beinahe Null gesenkt werden konnte.
Auf Intervention des schwedischen Kronprinzen beim Zar konnte Bárány vorzeitig aus der Kriegsgefangenschaft freikommen und 1916 in Stockholm den Nobelpreis entgegennehmen.
1917, nachdem man ihm in Wien nach seiner Rückkehr mit Ablehnung und Kritik begegnet war, trat er eine Stelle als Universitätsprofessor am neu geschaffenen Otologischen Institut in Uppsala an; dort arbeitete er bis zu seinem Tod 1936 als international anerkannter Forscher und Kliniker. Eine Reihe von Krankheitsbildern wurden nach Bárány benannt: die "Bárány Drehstarkreizprüfung", die "Bárány Lärmtrommeln" oder der "Bárány Zeigeversuch".
Bárány war seit 1909 mit Ida Felicitas Berger verheiratet und hatte zwei Söhne und eine Tochter. Der ältere Sohn wurde Professor für Pharmazie an der Universität Uppsala, der jüngere Professor für Medizin am Caroline Institut in Stockholm.
Róbert Bárány starb am 8. August 1936 in Uppsala.
Ehrungen (Auswahl)#
- 1914 Nobelpreis für Medizin (s.o.)
- 1936 stiftete die Universität Uppsala den "Bárány-Preis", der alle vier Jahre für herausragende Arbeiten in der Ohren- und Nervenheilkunde verliehen wird
Schriften (Auswahl):
- Untersuchungen über den vom Vestibularapparat des Ohres reflektorisch ausgelösten rhythmischen Nystagmus und seine Begleiterscheinungen, 1907
- Physiologie und Pathologie des Bogengangapparates beim Menschen; 1907
- Die Seekrankheit; 1911
- Primäre Exzision und primäre Naht akzidenteller Wunden; Wien 1919
- Radikaloperation des Ohres ohne Gehörgangsplastik bei chronischer Mittelohreiterung, Aufmeisselung und Nachbehandlung bei akuter Mastoiditis, nebst Darstellung der Entwicklung der Schädeloperationen bei akuter und chronischer Mittelohreiterung; Wien 1923
- Die Localisierung der Nachbilder in der Netzhaut mit Hilfe der Purkinje'schen Aderfigur (Nachbild-Aderfigurmethode); 1927
Literatur#
- Stevenson, R.S. und Guthrie, D., The History of Otolaryngology. Verlag Livingstone, Edinburgh 1949
- Wodak, E., Kurze Geschichte der Vestibularisforschung. Georg Thieme-Verlag, Stuttgart 1956
- Feldmann, H., Die geschichtliche Entwicklung der Hörprüfungsmethoden. Thieme Verlag, Stuttgart 1960
- Lesky, Erna, Die Wiener Medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Graz – Köln 1978
- Joas, Gunter: Robert Bárány. Leben und Werk unter besonderer Berücksichtigung seiner Auseinandersetzung mit der Wiener Universität; Lang, Frankfurt a. M. 1997
- Wolfgang Regal u. Michael Nanut: Medizin im historischen Wien. Von Anatomen bis zu Zahnbrechern. Springer, Wien 2005
- Wolfgang Regal u. Michael Nanut, Wien für Mediziner: 15 Spaziergänge durch das alte medizinische Wien. Springer, Wien 2007
Quellen#
AEIOUNobelpreis
Redaktion: J. Sallachner
Andere interessante NID Beiträge