Exner, Siegmund#
oder Siegmund Ritter Exner von Ewarten
* 5. 4. 1846, Wien
† 5. 2. 1926, Wien
Physiologe
Siegmund Exner war Sohn des Philosophieprofessors und Schulreformers Franz Serafin Exner und der Charlotte Dusensy. Seine Brüder Adolf , Karl und Franz-Serafin wurden, wie er selbst, berühmte Professoren. Exners Schwester Marie, die mit Anton von Frisch verheiratet war, pflegte langjährige Freundschaften mit Gottfried Keller, Marie von Ebner-Eschenbach und Ricarda Huch. Ihr Sohn Karl Frisch war Zoologe und erhielt 1973 gemeinsam mit Konrad Lorenz den Nobelpreisträger für Medizin.
Exner besuchte das Akademische Gymnasium in Wien und studierte dort und später in Heidelberg Medizin; seine prägenden Lehrer waren Ernst Wilhelm Ritter von Brücke in Wien, in Heidelberg Hermann von Helmholtz.
1870 promovierte Exner zum Dr. med., anschließend arbeitete er als Assistent, ab 1871 als Privatdozent und ab 1875 als außerordentlicher Professor am Physiologischen Institut in Wien. Dort begegnete Exner Sigmund Freud wie auch dem Neurologen Josef Breuer, die ihn beide mit ihren Konzepten beeinflussen sollten.
1891 wurde Exner zum Nachfolger von Brücke als Ordinarius für Physiologie an der Universität Wien berufen, wo er als Institutsvorstand bis 1917 wirkte. 1898 ernannte man ihn zum k.u.k Hofrat. An den Universitäten von Leipzig und Athen erhielt Exner die Ehrendoktorwürde. Ab 1910 war er Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien.
1917 wurde Exner für seine Verdienste für den medizinisch-physiologischen Unterricht zum "Ritter Exner von Ewarten" geadelt.
Exner war verheiratet mit Emilie, geb. von Winiwarter (1847-1909), die unter dem Pseudonym Felicie Ewart schriftstellerisch arbeitete. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, 1875 der spätere Chirurg und Universitätsprofessor Alfred von Exner-Ewarten, 1876 der spätere Meteorologe und Universitätsprofessor Felix Maria von Exner-Ewarten.
Exner gilt als einer der Väter der vergleichenden Physiologie, der Hirnforschung und der Wahrnehmungspsychologie aus Sicht der Medizin. Eines seiner Hauptarbeitsgebiete war die Physiologie der Sinne: Er erstellte Studien über Geruchsorgane, über die Empfindlichkeit der Netzhautregeneration, über Farbkontrast und über das Sehen der Facettenaugen (s.u.). Besonderen Stellenwert erlangten seine Arbeiten über die Lokalisation von Verhaltensfunktionen im Gehirn, speziell seine Arbeiten zur Funktionsarchitektur der Sehrinde.
Daneben erstellte Exner Studien zur Organisation der assoziativen Verbindungen im Gehirn. Bereits 1894 publizierte er den "Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen", in dem er das Konzept eines neuronalen Netzes mit lokalen Lernregeln in parallel verarbeitenden Nervenverbänden entwickelte. Damit folgerte er, dass Denken und Bewusstsein Funktionen einer Netzwerkarchitektur im Gehirn sein müssten.
Auch außerhalb seines Fachbereichs strahlte Exners Wirken aus. So zählte er zusammen mit Franz Scheirl und Josef Pommer zu den Initiatoren und Gründern des Phonogrammarchivs der Akademie der Wissenschaften.
Eponyme (früher mit Siegmund Exner assoziiert, heute nicht mehr verwendet)
- "Exnersche Körper" – kleine, mit Flüssigkeit und Membranmaterial gefüllte Räume
- "Exnersches Areal" – Gehirnregion oberhalb des Broca-Areals und dem Präzentralen Motorischen Kortex vorgelagert
- "Exnerscher Nerv" – Nerv, der vom pharyngealen Plexus zur Krikothyroid-Membran verläuft
- "Exnerscher Plexus" – Geflecht oberflächlicher tangentialer Fasern in der molekularen Schicht der Gehirnrinde
Werke (Auswahl)#
- Über den Sehpurpur, 1877
- Leitfaden bei der mikroskopischen Untersuchung thierischer Gewebe. Zweite, verbesserte Auflage. Leipzig 1878
- Physiologie der Großhirnrinde (in Hermanns Handbuch der Physiologie) 1879
- (mit Conrad Eckhard) Untersuchungen über die Localisation der Functionen in der Grosshirnrinde des Menschen. Wien, Braumüller 1881
- Die Physiologie des Fliegens und Schwebens in den bildenden Künsten: Vortrag, gehalten im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie am 5. Januar 1882. Wien, Braumüller 1882
- Die Innervation des Kehlkopfes. Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe 89: 63-118, 1884
- (mit Conrad Eckhard) Die Physiologie der facettirten Augen von Krebsen und Insecten. Leipzig, Deuticke 1891
- Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen Erscheinungen von Dr. Sigmund Exner: I. Theil. Leipzig - Wien, Deuticke 1894
- Über das Schweben der Raubvögel. In: Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Thiere 114: 109-142 (1906, Reprint 2004)
- Zudem gab er mit Johannes Gad von 1887–93 das »Zentralblatt für Physiologie« heraus
Literatur#
- Julius Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 481-482
- Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 1 (Lfg. 3), S. 277
- Neue Deutsche Bibliographie, Bd. 4, S. 701 f.
- O. Breidbach: Bemerkungen zu Exners Physiologie des Fliegens und Schwebens. In: O. Breidbach: Natur der Ästhetik – Ästhetik der Natur. Volume 1, pp. 221-223. Springer Verlag Wien, 1997
- Deborah R. Coen , Vienna in the Age of Uncertainty: Science, Liberalism and Private Life. Univ. of Chicago, 2007
Quellen#
- AEIOU
- The Virtual Laboratory
Redaktion: J. Sallachner
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