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Halbturn- Gräberfeld#

Archäologen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien entdeckten im Gräberfeld in Halbturn in einem römischen Kindergrab aus dem 3. Jahrhundert ein Amulett, das mit dem Beginn des zentralen Glaubensbekenntnisses des Judentums beschriftet ist, dem "Schma Jisrael". Es handelt sich dabei nach bisherigen Erkenntnissen um das älteste eindeutige Zeugnis jüdischen Lebens auf heute österreichischem Boden.

Näheres dazu nachstehend, einen minimal überarbeitete Version eines Artikels aus der "Online Zeitung der Universität Wien" vom 11. März 2008


Ältestes Zeugnis jüdischen Lebens in Österreichs entdeckt#

von Michaela Hafner (Redaktion) am 11. März 2008


ArchäologInnen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte entdeckten im Gräberfeld in Halbturn (Burgenland) in einem römischen Kindergrab aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. ein Amulett, das mit einer jüdischen Gebetsformel beschriftet ist. Es handle sich um das älteste Zeugnis jüdischen Lebens auf heute österreichischem Boden, sagten die WissenschafterInnen bei der Präsentation des 2,2 Zentimeter langen Goldblechs.

"Die Auswertung eines Gräberfeldes dauert in etwa so lange wie die Ausgrabung", meint der damalige Projektleiter der Ausgrabungen in Halbturn im Seewinkel, Univ.-Doz. Dr. Falko Daim. Das erklärt, warum die Besonderheit des im Jahr 2000 gefundenen Amuletts erst 2006 entdeckt wurde: Zum wiederholten Male hatte die Archäologin Dr. Nives Doneus das Amulett - eines von 10.000 Fundstücken - untersucht, als sie bemerkte, dass die silberne Amulettkapsel ein auf Griechisch beschriftetes dünnes Goldblechstück enthielt, das ein Mal gefaltet und eingerollt war.

Während bei der Ausgrabung vor allem naturwissenschaftliche Disziplinen zum Einsatz kamen - etwa Archäozoologie, Archäobotanik, Luftbildaufnahmen, Geophysik, Anthropologie -, war bei der Auswertung des Amuletts die Zusammenarbeit mit geisteswissenschaftlichen Fächern gefragt.

Der Altertumswissenschafter Ao. Univ.-Prof. Dr. Hans Taeuber übersetzte die in Griechisch eingeritzte Schrift, der Judaist Univ.-Prof. Mag. Dr. Armin Lange lieferte die Interpretation: Die Inschrift stellt eine griechische Umschrift einer jüdischen Gebetsformel aus dem Alten Testament (5. Buch Mose 6,4) dar und lautet übersetzt: "Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer". Das "Höre Israel" ist noch heute zentrales Bekenntnis des Judentums.

Bisher: älteste jüdische Zeugnisse aus dem 9. Jhdt. n. Chr.

Das Amulett gilt damit als ein Hinweis, dass bereits in der römischen Kaiserzeit Menschen jüdischen Glaubens in unserem Raum lebten. Als bisher früheste Zeugnisse jüdischer Präsenz innerhalb der heutigen Grenzen Österreichs galten mittelalterliche Briefe aus dem 9. Jahrhundert n. Chr., berichtete Hans Taeuber vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik. In jenen Teilen der Provinz Pannonien, welche heute zu Ungarn, Kroatien und Serbien gehören, zeugen Grabsteine und Kleinfunde davon, dass Juden schon im Altertum hier ansässig waren.

Spätestens seit dem 3. Jahrhundert vor Chr. siedelten Juden laut Armin Lange vom Institut für Judaistik in allen Teilen der antiken Welt - es entwickelte sich die sog. Diaspora. Insbesondere nach dem sogenannten zweiten jüdischen Krieg gegen das Römische Reich verkaufte das siegreiche Rom Juden in großer Zahl als Sklaven in alle Teile des Weltreichs. So oder durch freiwillige Migration sind Juden auch in das heutige Österreich gekommen.

Kindergrab

Das ein bis zwei Jahre alte Kind, das die silberne Amulettkapsel um den Hals getragen haben dürfte, wurde in einem von rund 300 Gräbern eines römischen Friedhofs bestattet, der aus dem 2. bis 5. Jahrhundert n. Chr. stammt und an einen römischen Gutshof ("villa rustica") angeschlossen war. Dieser Guthof war ein landwirtschaftlicher Betrieb, der römische Städte der Umgebung (Carnuntum, Györ, Sopron) mit Nahrungsmitteln belieferte.

Die 1986 entdeckte Grabstätte im Seewinkel, rund 20 Kilometer von Carnuntum entfernt, wurde zwischen 1988 und 2002, finanziell unterstützt vom FWF, von einem Team um Falko Daim, derzeit Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, vollständig ausgegraben. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Einzelfunde ausgewertet, darunter vor allem Glasstücke, Keramikscherben und Metallfunde.

Für die ForscherInnen sehr überraschend war die "überdurchschnittliche" Größe des Kindergrabes, berichtete die Amulett-Finderin Nives Doneus vom Institut für Ur- und Frühgeschichte. Im "Kindergrab 147" entdeckten die ForscherInnen neben anderen Funden wie etwa einer abgenutzten Münze sowie Glas- und Tongefäßen die Amulettkapsel. In dem Anhänger befand sich, wie erst 2006 entdeckt wurde, der 2,2 Zentimeter lange, eingerollte und auf Griechisch beschriftete Goldblechstreifen. Judaist Lange nennt das Halbturner Amulett eine "jüdische Schriftrolle im Kleinformat".

Schutzamulett zur Abwehr von Dämonen

Der Anhänger gibt Einblick in ein Stück antiken Lebensalltag. Die Menschen der Antike - Juden wie Nichtjuden - führten Krankheiten auf den Befall durch Dämonen zurück. Um sich vor Dämonen zu schützen, wurden Schutzamulette getragen, die Unheil abwehren sollten, erklärte Armin Lange. Ähnliche Objekte seien im gesamten Raum des Römischen Reiches zu finden und auch aus Carnuntum bekannt. Das Besondere am Halbturner Amulett sei, so Lange, dass nicht Zaubersprüche und magische Formeln, sondern der Glaube an den einen Gott Israels Dämonen in Bann halten sollte.

Lange geht davon aus, dass das Amulett von einem Juden für einen Juden hergestellt wurde. Andere griechische Amulette aus dem nahen Carnuntum machen wahrscheinlich, dass dieser jüdische Magier in Carnuntum gelebt haben dürfte. Ob aber das bestattete Kind aus einer jüdischen Familie stamme, lassen die ForscherInnen offen. Denn Amulette wurden oft weiterverkauft und auch von anderen Religionsgruppen verwendet. "Man hat aus jeder Religion bzw. magischen Vorstellung das genommen, was einem nützlich erschien", erklärt der Altertumswissenschafter Hans Taeuber. Zudem war Religion zur damaligen Zeit Privatsache, verschiedene Glaubensrichtungen waren nebeneinander vertreten.

Seit Anfang Jänner 2008 gehört das Amulett zu den Beständen des Burgenländischen Landesmuseums, das Partner bei den Projektarbeiten war. Die Dissertation der Forscherin Nives Doneus ("Halbturn - ein römerzeitliches Gräberfeld aus dem Burgenland. Struktur und Grabrituale eines ländlichen Gräberfeldes im Hinterland von Carnuntum zwischen dem 2. und 5. Jh.", Universität Wien 2007) beschäftigt sich mit den Ausgrabungen und Auswertungen der Fundstücke des Gräberfeldes in Halbturn.


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