Woher kommt der Hospizgedanke? (Essay)#
Andreas Kratschmar
Hospize für sterbende Menschen gab es bereits im 19. Jahrhundert in Frankreich und Irland. Als Gründerin der modernen Hospizbewegung gilt Cicely Saunders (1918–2005). Sie war zunächst als Krankenschwester und Sozialarbeiterin in England mit der unzureichenden Behandlung Krebskranker konfrontiert. Weil sie den Wunsch nach möglichster Schmerzfreiheit als zentrales Anliegen der Patienten erkannte, studierte sie Medizin. Zusammen mit Patienten entwarf die Ärztin das Modell einer Einrichtung, die Sterbenden eine lebenswerte Zeit bis zumTod ermöglicht, wobei sich der Ansatz der medizinischen Betreuung auf die Grundgedanken der palliativen Medizin beruft: „Low tech and high touch“. Im Mittelpunkt steht eine ganzheitliche Betreuung des kranken Menschen – medizinisch, pflegerisch, sozial, psychisch und spirituell, und dies unter Einbeziehung der nächsten Angehörigen. Saunders eröffnete 1967 im Londoner Vorort Sydenham das St. Christopher’s Hospice.
Die Verbreitung der Hospizidee erfolgte in den frühen 70er Jahren zunächst in englischsprachigen Ländern. 1988 erfolgte in Mailand die Gründung der europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin (EAPC). Mittlerweile repräsentiert dieser Dachverband der Palliativgesellschaften über 30.000 Einzelmitglieder. In über 100 Ländern haben sich vielfältige Einrichtungen etabliert.
Die Entwicklung der Hospizbewegung in Österreich begann in kleinen Schritten Ende der 1970er Jahre. Mittlerweile sind in allen österreichischen Bundesländern mobile und stationäre Hospiz- und Palliativdienste eingerichtet worden. Initiatoren waren Ehrenamtliche, die rund um engagierte Persönlichkeiten Hospizteams entwickelten. In der Ausbildung für Gesundheits- und Krankenpflege wurde Palliativpflege als Lehrfach etabliert. Interdisziplinäre Palliativlehrgänge für hauptamtliche Ärzte, Krankenpfleger, Seelsorger und Vertreter anderer psychosozialer Berufe werden seit 1998 durchgeführt.
Ergebnis der Parlamentarischen Enquete zum Thema „Solidarität mit unseren Sterbenden – Aspekte einer humanen Sterbebegleitung in Österreich“ war eine im Dezember 2001 einstimmig gefasste Entschließung des österreichischen Nationalrates zum Ausbau des Hospizwesens in Österreich. Die österreichische Bundesregierung führte 2002 die Familienhospizkarenz ein, um Menschen bei der Betreuung eines sterbenden Angehörigen oder eines schwer erkrankten Kindes zu unterstützen. Sie ermöglicht es, die Berufstätigkeit zu reduzieren oder sich zunächst drei Monate lang karenzieren zu lassen. Bei Bedarf ist eine Verlängerung auf bis zu sechs Monate möglich. Für die Betreuung schwer kranker Kinder ist eine Verlängerung auf bis zu neun Monate möglich.
In Österreich sind Hospizdienste und Palliativeinrichtungen im Rahmen von Hospiz Österreich organisiert. Der Dachverband umfasst ca. 200 mobile und stationäre Hospiz- und Palliativeinrichtungen.
„Du zählst, weil du du bist. Und du wirst bis zum letzten Augenblick deines Lebens eine Bedeutung haben.“ Cicely Saunders
Dieser Essay stammt mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus dem Buch:
Andere interessante NID Beiträge