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Köhlmeier, Michael#


* 15. 10. 1949, Hard (Vorarlberg)


Schriftsteller, Künstler

Köhlmeier, Michael
Michael Köhlmeier. Foto, 1994
© Die Presse/Harald Hofmeister, für AEIOU
Michael Johannes Maria Köhlmeier wurde am 15. Oktober 1949 in Hard in Vorarlberg geboren, wo er auch aufwuchs. Zeitweise lebte er in Deutschland bei einer Tante, kehrte aber mit Beginn der Schulzeit nach Vorarlberg zurück.

Nach dem Matura studierte er von 1970 bis 1978 Germanistik und Politologie in Marburg/Lahn (Deutschland) sowie Mathematik und Philosophie in Gießen und Frankfurt/Main.

Ende der 1960er Jahre wurde Michael Köhlmeier freier Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks (ORF) und schrieb bis 1985 für das Ö1-Studio Vorarlberg Hörspiele, Features und Dokumentationen.
Von 1973 bis 1975 gestaltete er gemeinsam mit Reinhold Bilgeri die Kabarettsendung "Im Westen nichts Neues" für Radio Vorarlberg und Liedtexte, die sie als Duo "Ray & Mick" der Öffentlichkeit präsentierten. (Ihr Mundartlied "Oho Vorarlberg" wurde zum Hitparaden-Erfolg und zur heimlichen Landeshymne.)

Mit "Originalton-Hörspielen", in denen Michael Köhlmeier Konflikte in Fabriken und sozialen Randgruppen dokumentierte, begann Anfang der 1980er Jahre sein vielfältiges literarisches Schaffen. Bereits mit seinem Debütroman "Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf" fand Köhlmeier 1982 große Beachtung. 1985 ließ er sich als freiberuflicher Schriftsteller in Hohenems nieder.

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier auf dem Literaturfest München 2017
Foto: Amrei-Marie . Aus: Wikicommons, unter CC BY-SA 4.0

Nach weiteren Romanen (wie der Liebesgeschichte "Bleib über Nacht" oder der "Trilogie der sexuellen Abhängigkeit") gelang Michael Köhlmeier 1995 der große - auch finanzielle - Durchbruch mit der Neuerzählung der "Sagen des klassischen Altertums". Er erzählte die Sagen in der gleichnamigen Ö1-Reihe, schrieb sie in drei Bänden nieder und adaptierte sie später auch für das Fernsehen.
("Klassische Sagen des Altertums", Teile I-III, 1995 bis 1998, insgesamt 15 CDs; seit 2007 wird auf BR-alpha die 80-teilige Sendereihe "Mythen - Michael Köhlmeier erzählt Sagen des klassischen Altertums" ausgestrahlt, in der er griechische Sagen frei nacherzählt.)

Hatte sich Michael Köhlmeier bereits mit seinen früheren Romanen - wie der "Spielplatz der Helden" (1988), "Die Musterschüler" oder der "Telemach" (1995) - als Erzähler etabliert, gelang ihm mit dem Mammut-Werk "Abendland" 2007 ein ganz neuer literarischer Höhepunkt.


Michael Köhlmeier ist ein vielseitig begabter Künstler, der auch mit großer Leidenschaft musiziert. Sein Werk umfasst Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher (u.a. die von Robert Dornhelm verfilmten "Der Unfisch" und "Requiem für Dominic") sowie ein Libretto. Für die Gruppe "Schellinski" schreibt er seit 2004 Liedtexte in Vorarlberger Mundart; von 2008 bis 2012 war er einer von sechs Gastgebern in der ORF-Diskussionssendung "CLUB 2".
Im Sommersemester 2019 übernahm Michael Köhlmeier die Poetikprofessur der Universität Bamberg, in deren Rahmen er in vier Abendvorträgen Einblicke in seine Texte und sein Schreiben gibt.


Zwei seiner Romane, "Idylle mit ertrinkendem Hund" (2008) und "Madalyn" (2010), widmete Michael Köhlmeier einem zutiefst persönlichen Thema - er arbeitete darin den Unfalltod seiner Tochter Paula im Jahr 2003 auf. 2006 publizierte er zusammen mit seiner Frau den Erzählband "Maramba", eine Textsammlung aus dem Nachlass ihrer Tochter.

Mit seiner Frau, der Schriftstellerin Monika Helfer, die ihrerseits das tragische Ereignis mit "Bevor ich schlafen kann" (2010) literarisch verarbeitete, lebt Michael Köhlmeier in Hohenems.

Das Schriftsteller-Ehepaar wurde im März 2016 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet.

Ehrenkreuz für Monika Helfer und Michael Köhlmeier
Österreichisches Ehrenkreuz für Monika Helfer und Michael Köhlmeier, 8. März 2016
©BKA / Andy Wenzel

Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#

  • Rauriser Förderungspreis für Literatur, 1974
  • Nachwuchsstipendium für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1976
  • Rauriser Literaturpreis des Landes Salzburg, 1983
  • Johann-Peter-Hebel-Preis für Literatur des Landes Baden-Württemberg, 1988
  • Manès-Sperber-Preis für Literatur des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst und des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, 1993
  • Buchprämie des BMWVK, 1996
  • Anton-Wildgans-Preis der österreichischen Industrie, 1996
  • Grimmelshausen-Preis der Stadt Renchen / Deutschland, 1997
  • Ehrenpreis des Vorarlberger Buchhandels, 2001
  • Goldenes Verdienstzeichen Wiens, 2007
  • Würdigungspreis für Literatur des BKA, 2008
  • Bodensee-Literaturpreis der Stadt Überlingen, 2008
  • Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis für "Rosie und der Urgroßvater" (gemeinsam mit Monika Helfer), 2011
  • Walter Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen, 2014
  • Humanismus-Preis des Deutschen Altphilologenverband, 2014
  • Dr. Toni-Russ-Preis der "Vorarlberger Nachrichten, 2014
  • Literatour Nord-Preis, 2015
  • Düsseldorfer Literaturpreis, 2015
  • Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (gemeinsam mit seiner Frau Monika Helfer), 2016
  • Marie-Luise-Kaschnitz-Literaturpreis für sein Gesamtwerk, 2016
  • Literaturpreis der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, 2017

Werke (Auswahl)#

  • Der Peverl Toni und seine abenteuerliche Reise durch meinen Kopf. Roman, 1982
  • Moderne Zeiten. Roman, 1984
  • Spielplatz der Helden, 1988
  • Die Musterschüler, 1989
  • Wie das Schwein zu Tanze ging. Eine Fabel (Ill.: Reinhard Michl), 1991
  • Bleib über Nacht. Roman, 1993
  • Der Mensch ist verschieden. Variationen zu Theophrast. (Mit Monika Helfer; Ill.: P. Guth, Nachw.: O. Pannewitz), 1994
  • Der Narrenkarren. Nach Lope de Vega "Die Irren von Valencia", 1994
  • Sunrise. Erzählung, 1994
  • Telemach. Roman. München: Piper, 1995
  • Ballade von der sexuellen Abhängigkeit, 1996
  • Dein Zimmer für mich allein. Erzählung, 1997
  • Die Welt der Mongolen. Libretto zu einer Oper von Kurt Schwertsik, 1997
  • Der Unfisch. Die Erzählung zum Film von Robert Dornhelm, 1997
  • Kalypso. Roman, 1997
  • Calling. Eine Kriminalgeschichte, 1998
  • Bevor Max kam. Roman, 1998
  • Der traurige Blick in die Weite. Geschichten von Heimatlosen, 1999
  • Die Nibelungen neu erzählt, 1999
  • Tantalos oder der Fluch der bösen Tat (Ill.: Alfred Hrdlicka), 1999
  • Geh mit mir. Roman, 2000
  • Geschichten von der Bibel. Von der Erschaffung der Welt bis Josef in Ägypten, 2000
  • Die besten Sagen des klassischen Altertums, 2001
  • Moses. Geschichten von der Bibel, 2001
  • Vom Mann, der Heimweh hatte. Zehn Erzählungen, 2002
  • Der Tag, an dem Emilio Zanetti berühmt war, 2002
  • Die besten Sagen des klassischen Altertums, 2004
  • Roman von Montag bis Freitag. 38 stories, 2004
  • Shakespeare erzählt, 2004
  • Nachts um eins am Telefon, 2005
  • Der Spielverderber Mozarts. Novelle, 2006
  • Abendland. Roman, 2007
  • Idylle mit ertrinkendem Hund. Erzählungen, 2008
  • Mitten auf der Straße, 2009
  • Madalyn. Roman, 2010
  • Das Sonntagskind. Märchen und Sagen aus Österreich, 2011
  • Der Liebhaber bald nach dem Frühstück. Gedichte, 2012
  • Die Abenteuer des Joel Spazierer, 2013
  • Zwei Herren am Strand, 2014
  • Drei Depeschen gegen den Krieg, 2015
  • Das Lied von den Riesen, 2015
  • Das Mädchen mit dem Fingerhut, 2016
  • Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist, Adam? Mythologisch-philosophische Verführungen. (gem. m. K.P. Liessmann), 2016
  • Der Mensch ist verschieden. Dreiunddreißig Charaktere (gem.m. M. Helfer) ), 2017
  • Der Mann, der Verlorenes wiederfindet. Novelle über Antonius von Padua, 2017
  • Von den Märchen. Eine lebenslange Liebe, 2018
  • Bruder und Schwester Lenobel, 2018
  • Erwarten Sie nicht, dass ich mich dumm stelle. Reden gegen das Vergessen, 2018

Zahlreiche Theaterstücke, Hörspiele und Rundfunkarbeiten, Tonträger sowie mehrere Filme

Literatur#

  • Michael Köhlmeier (Hg. von Günther A. Höfler und Robert Vellusig), 2001 (Dossier 17)


Leseprobe#

aus Michael Köhlmeier - "Der traurige Blick in die Weite"

Unterhaltungen in der Küche:
Über fränkische Sauerbraten

"Den einfachen Sauerbraten", sagte meine Mutter, "gab es durchaus auch manchmal mitten im Jahr an einem gewöhnlichen Sonntag. Den großen Sauerbraten aber gab es nur am Ostersonntag."
"Auch an Pfingsten", sagte meine Großmutter.
"Schon", sagte meine Mutter, "Aber dann gab es den Sauerbraten zusammen mit rohen Klößen. Den Sauerbraten mit Serviettenkloß, wie er eigentlich gehört, den gab es, wenn du ehrlich bist, nur an Ostern."
"Wenn es Fleisch gab."
"Gab es immer!"
"Ja, wo denkst du hin, Paula!" rief meine Großmutter aus.
"Wo denkst du hin!"
"Wieso?" tat meine Mutter überrascht. "Sogar '44 an Ostern gab es noch Fleisch. Auch '45 noch."
"'45? Kann ich mich nicht erinnern!"
"Doch! Erinnere dich! Das Montags Marichen hat an Ostern '44 Fleisch mitgebracht. Und sie hat bei uns mitgegessen."
"Ich kann mich nicht erinnern, daß das Montags Marichen an Ostern '44 bei uns mitgegessen hätte. Nicht Sauerbraten mit Serviettenkloß, nicht an Ostern." "Doch hat sie."
"Das bildest du dir ein, Paula!"
"Das bilde ich mir doch nicht ein! Ich sehe doch das Fleisch noch vor mir! Eingewickelt in einen Kopfkissenbezug."
Ich hörte zu. Mir erzählten sie, meine Mutter und meine Großmutter. Einen brauchten sie zum Zuhören. Warum hätten sie sich auch gegenseitig Dinge erzählen sollen, die sie ohnehin wußten. Aber wenn sie mir erzählten, konnten sie sich gegenseitig erzählen. Am Küchentisch saßen wir, tranken Bohnenkaffee, aßen Windmühlen aus Hefeteig, die mit Staubzucker bestreut waren. Meine Mutter hatte ihren Stützapparat entsichert. Sie saß beim Fenster, zwischen Spüle und Küchentisch. Meine Großmutter trug ihre Schürze mit dem Blümchenmuster. Ich saß im Eck unter dem Medikamentenkasten.
"Der große Sauerbraten", sagte meine Mutter zu mir, "benötigt einige Vorbereitungen."
"Das kannst du laut sagen", bestätigte meine Großmutter.

(S. 197f.)

© 1999, Deuticke, Wien, München.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags
LITERATURHAUS

Weiterführendes#

Quellen#

Redaktion: I. Schinnerl