Koller, Carl#
* 3. 12. 1857, Schüttenhofen (heute: Sušice, Tschechische Republik)
† 22. 3. 1944, New York City
Augenarzt
1882 promovierte er. Anschließend war er als Augenarzt an der Universitätsklinik tätig. Sigmund Freud experimentierte damals mit einer Substanz, von der er sich Ruhm und Einnahmen erwartete: mit dem Extrakt der südamerikanischen Coca-Pflanze, dem so genannten Kokain, das 1860 Albert Niemann chemisch isoliert hatte. In Selbstversuchen hatte Freud bemerkt, dass die Schmerzen seiner Zahnfleischentzündung sich durch Auftragen einer Kokainlösung bessern ließen.
Im Juli 1884 veröffentlichte er seine Arbeit "Über Coca". Darin empfahl er Kokain als Mittel gegen Depression, zur Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, zur Beseitigung von Magenbeschwerden und zum Morphinentzug. Die schmerzlindernden Eigenschaften des Substrats dürften ihn nicht sonderlich interessiert haben, jedoch empfahl er seinem Freund, dem Augenarzt Leopold Königstein, es im Fall von Entzündungen des Auges auszuprobieren.
Koller aber war seit längerem systematisch auf der Suche nach einer Substanz, um schmerzfrei oder zumindest schmerzarm am Auge operieren zu können, denn Augenchirurgie war aufgrund der Reflexbewegungen der Augen bei Berührung ein schwieriges und schmerzhaftes Unterfangen. Tierexperimente mit Chloral, Brompräparaten und Morphium von Koller waren zuvor bereits gescheitert.
Als Freud ihn auf das Kokain aufmerksam machte, war Koller quasi "vorbereitet, die Gelegenheit zu erfassen" und "nicht, wie so manche andere, achtlos daran vorüberzugehen", wie er selbst später darüber reflektierte. Er begann umgehend mit Versuchen im Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie, wo er einem Frosch eine selbst hergestellte zweiprozentige Kokainlösung ins Auge träufelte. Das betäubte Auge erwies sich als unempfindlich gegen Berührung, thermische, chemische und elektrische Reize.
Die folgenden Selbstversuche und Praktika an Kollegen und Patienten bestätigten Koller auf der ganzen Linie. Am 11. September 1884 konnte er die erste Staroperation ohne das gewohnte Schreien und Stöhnen des Patienten durchführen. So hatte Koller (den Freud etwas belustigend als "Coca-Koller" bezeichnete) mit der Entdeckung der Lokalanästhesie einen Meilenstein in der Geschichte der Augenheilkunde und auch der gesamten Medizin gesetzt.
Trotz dieser Meisterleistung und ihrer euphorischen Aufnahme unter den europäischen Augenärzten – Koller war mehrere Male für den Nobelpreis für Physiologie und Medizin nominiert – erfüllten sich seine berufliche Träume nicht. Sein Wunsch, eine Assistentenstelle an einer der beiden Augenkliniken im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, ging nicht in Erfüllung. Nach einem Duell mit einem Kollegen, der ihn antisemitisch beschimpft hatte, musste er 1885 die Klinik verlassen.
Nach einigen Jahren als Assistent an der holländischen Augenklinik in Utrecht wanderte Koller 1888 in die USA aus, wo er am Mount Sinai Hospital in New York als Augenarzt große Erfolge feiern konnte.
Am 22. März 1944 starb Carl Koller in New York.
- Historische Bilder zu Carl Koller (IMAGNO)
Werke (Auswahl)#
- Vorläufige Mittheilung über locale Anästhesirung am Auge. Beilageheft zu den Klinischen Wochenblättern für Augenheilkunde, 1884, Nr. 22, S. 60-63
- Über die Verwendung des Cocains zur Anästhesirung am Auge. In: WMW 34, 1884, Nr. 43 u. 44
Literatur#
- Neue Deutsche Biographie
- Österr. Biografisches Lexikon
- Medizingeschichtlicher Beitrag der Ärzte Woche Online 2004
Quellen#
- AEIOU
- Wien-Vienna
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