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Lenard, Philipp#


* 7. 6. 1862, Preßburg (heute: Bratislava, Slowakei)

† 20. 5. 1947, Messelhausen (Deutschland)


Physiker
Nobelpreisträger

Philipp Eduard Anton von Lenard wurde am 7. Juni 1862 als Sohn eines Weinhändlers im österreich-ungarischen Preßburg geboren (1722 war der Familie aus Tirol der Adelstitel verliehen worden).

Nach der Schulzeit folgten zunächst zwei Studiensemester der Naturwissenschaften an den Technischen Hochschulen in Budapest und Wien und ein Jahr Mitarbeit im Geschäft des Vaters. Ab 1883 studierte er in Heidelberg bei Georg Quincke und Robert Bunsen 4 Semester Physik; nach einem Studienjahr in Berlin kehrte er 1886 nach Heidelberg zurück und vollendete seine Dissertation "Über die Schwingungen fallender Tropfen", die er auf Anregung von Helmholtz bereits in Berlin begonnen hatte.

Von 1886 bis 1889 arbeitete er als Assistent bei Georg Quincke und setzte während der Semesterferien in Preßburg seine Experimente über Phosphoreszenz fort, die er bereits während seiner Schulzeit zusammen mit seinem Lehrer Virgil Klatt angefangen hatte. Mit diesem Thema sollte sich Philipp Lenard 40 Jahre lang beschäftigen: er untersuchte als erster die wichtige Gruppe der Lenard-Phosphore und entwickelte Vorstellungen über deren Leuchtmechanismus.

1890 ging er (nach kurzem, enttäuschenden Aufenthalt in England) als Assistent nach Breslau und ein Jahr später nach Bonn zu Heinrich Hertz, wo er sich 1892 mit einer Arbeit "Über die Elektricität der Wasserfälle" habilitierte und 1894 zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Die Ionisierung der Luft durch Zerstäuben von Wasser (Lenard-Effekt) wurde in den folgenden Jahren zum Thema vieler Veröffentlichungen. Nach dem frühen Tod von Hertz 1894 betreute Philipp Lenard die Herausgabe von dessen gesammelten Werken, insbesondere die "Prinzipien der Mechanik".


Das Hauptgewicht seiner Forschungen in Bonn lag aber auf der Untersuchung von Kathodenstrahlen: er entwickelte 1892 eine Entladungsröhre mit einem "Lenardfenster". Zum ersten Mal konnten nun Kathodenstrahlen unabhängig vom Entladungsvorgang im Vakuum in Luft oder in anderen Materialien untersucht werden.

Als a.o. Professor für Physik wurde er 1895 an die Technische Hochschule in Aachen und 1896 nach Heidelberg berufen, ehe er 1898 den Ruf als Ordinarius für Physik nach Kiel annahm.

Hier standen ihm erstmals uneingeschränkte experimentelle Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung. Er befasste sich mit der Phosphoreszenz und Experimenten zum lichtelektrischen Effekts (1900 entdeckt er die wichtigsten Gesetzmäßigkeiten dieses Effektes, die allerdings erst mit Lichtquantenhypothese Einsteins 1905 geklärt werden konnten); er entwickelte ein Atommodell (Dynamidenmodell), das als Vorläufer des Atommodells von Ernest Rutherford gilt, und arbeitete auf dem Gebiet der Leitfähigkeit von Metallen sowie der Wasserfallelektrizität.

1905 erhielt er für seine Arbeiten über die Kathodenstrahlen den Nobelpreis für Physik. (Bei diesen Arbeiten untersuchte er u.a. die elektrostatischen Eigenschaften von Kathodenstrahlen sowie deren magnetische Ablenkung.)

1907 kehrte Philipp Lenard als Nachfolger von Quincke und Direktor des Instituts für Physik nach Heidelberg zurück, wo er ab 1909 das von ihm gegründete Radiologische Institut an der Universität Heidelberg leitete, an der er bis zu seiner Emeritierung 1931 forschte und lehrte.


Bereits unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs hatte sich der überzeugte Monarchist zunehmend antisemitischen Ansichten zugewandt. Die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie lehnte er als abstrakt und wirklichkeitsfremd ab - allerdings war er mit seiner Meinung nicht allein in der zu dieser Zeit verbreiteten Antirelativismus-Diskussion.

Im Kampf gegen die Revolutionierung der Physik wurde er Anfang der 1920er Jahre einer der Hauptgegner von Einstein bzw. dessen Relativitätstheorien – so gab es u.a. eine öffentliche Auseinandersetzung mit Albert Einstein auf einer Tagung der Naturforscher (ab diesem Zeitpunkt bezeichnete Lenard die Allgemeine Relativitätstheorie fortan als "Judenbetrug").

Diese Ablehnung verstärkte sich mit der Zeit und fand 1933 ihren Höhepunkt nach der nationalsozialistischen Machtergreifung.
(In einem Artikel im "Völkischen Beobachter" stellte Lenard mit Genugtuung fest, dass der "Relativitätsjude" Deutschland verlassen hat.)

Nach seiner Emeritierung 1932 erhielt Lenard im nationalsozialistischen Regime zahlreiche Ehrungen als führender Vertreter der Physik. In diesen und den folgenden Jahren vertraten er und eine Gruppe von etwa 30 Physikern die "Deutsche Physik". 1936 erschien Lenards Lehrwerk "Deutsche Physik in vier Bänden" - geschrieben auf der Basis der klassischen Physik des 19. Jahrhunderts und mit Betonung auf Experimentalphysik; er lehnte die theoretische (d.h. Jüdische) Physik fast völlig ab und behandelte hier weder Relativitätstheorie noch Quantenmechanik.

Erst 1940 kam es zu einer Aussprache und schriftlichen Vereinbarung zwischen Vertretern der "Deutschen Physik" und der "modernen Physik", in der die inzwischen wissenschaftlich unverrückbaren Tatsachen der modernen Physik öffentlich anerkannt wurden, was Philipp Lenard als Verrat wertete.

1944 wurde ein Teil seines physikalischen Instituts nach Messelhausen in Baden verlagert und Phillip Lenard - obwohl längst emeritiert - ünersiedelte ebenfalls dorthin, wo er am 20. Mai 1947 starb.

Sein Nachlass lagert heute im Deutschen Museum in München.


Die Erinnerung an Philipp Lenards extreme politische Haltung in der Zeit des Nationalsozialismus verdrängt heute oft die Tatsache, dass seine genialen und vielseitigen Arbeiten entscheidend zur Entwicklung der Physik in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts beigetragen haben.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Ehrendoktorate der Universitäten
    • Universität Christiania (heute Oslo), 1911
    • Universität Dresden, 1922
    • Pressburg, 1942
  • Franklin Medaille, 1905
  • Nobelpreis für Physik, 1905
  • Adlerschild des Deutschen Reiches, 1933
  • Ehrenbürger Heidelbergs, 1933

Werke (Auswahl)#

zahlreiche Fachpublikationen
Nobelvortag "Über Kathodenstrahlen", 1906

Bücher

  • Über Aether und Materie, 1911
  • Quantitatives über Kathodenstrahlen, 1918
  • Über das Relativitätsprinzip, 1918
  • Große Naturforscher: Eine Geschichte der Naturforschung in Lebensbeschreibungen, 1929
  • Deutsche Physik in vier Bänden, 1936–37

Literatur#

  • Philipp Lenard, der dt. Naturforscher, Sein Kampf um nord. Forschung, 1937
  • H. Benndorf, in: Alm. d. Wiener Akademie der Wissenschaften, 1948
  • D. Beyerchen, Wissenschaftler unter Hitler, 1980
  • A. Hermann, Wie die Wissenschaft ihre Unschuld verlor, 1982
  • A. Schirrmacher (Hg.), Erinnerungen eines Naturforschers, der Kaiserreich, Judenherrschaft und Hitler erlebt hat (kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkriptes von 1931/1943), 2010

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl