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Neidhart von Reuental#

* vermutlich 1170-1240

† wahrscheinlich vor 1246


Weidhart von Reuental, Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift
Neidhart von Reuental. Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift. Foto
© Bildarchiv der ÖNB, Wien, für AEIOU

Über Neidhart, den großen Dichter, Sänger und Komponisten des Hohen Mittelalters, weiß man nicht viel - Herkunft, Lebensumstände und Aufenthaltsorte liegen im Dunkeln.

Neidhart von Reuental lebte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, er bezeichnete sich selbst als verarmten Ritter mit Namen "Nîthart" oder "Nîthart von Riuwental". Von anderen mittelhochdeutschen Dichtern wurde er ebenfalls als "her Nîthart" bezeichnet, wobei der Name des Minnesängers nicht urkundlich bezeugt ist. [('nithart' bedeutet 'Teufel'; 'riuwental' bedeutet 'das Jammertal']

Es gab viele Bemühungen, der Identität des Dichters auf die Spur zu kommen. So wurde versucht, einen Ort "Riuwental" zu lokalisieren und eine Biografie aus Erwähnungen in seinen Texten zu rekonstruieren. Er war anscheinend mit den örtlichen Gegebenheiten von Niederösterreich bestens vertraut, er stand außerdem sicher mit Herzog Friedrich II. dem Streitbaren (1230-1246) in Verbindung, da einige Bitt-, Lob- und Dankstrophen an diesen gerichtet sind. Im Lied 41 ist von einer Übersiedelung von Bayern nach Österreich die Rede.

Neidhart von Reuental galt als "bunter Hund" seiner Zeit, mit seinen Texten und Liedern sorgte er für Aufregung und Aufsehen. Walther von der Vogelweide schimpfte Neidhart von Reuental in einem seiner Texte "einen quakenden Frosch, der mit seinem lauten Geschrei der Nachtigall (damit meinte er sich selbst) die Lust zum Singen nimmt". Die Missgunst war kein Wunder, war Neidhart doch nicht nur ein erfolgreicher Musiker, sondern widersetzte sich auch allen Regeln des klassischen Minnegesangs, indem er mit schwungvollen Melodien und freizügigen Texten das damalige Wertesystem unverblümt angriff. Er verwendete Sprache und Motive der so genannten ›Hohen Minne‹ nur, um sie durch die Einbeziehung "dörperlicher" Elemente, d. h. bäuerischer Grobheit und unverhüllter Sexualität, umso greller zu parodieren. (mhd. Dörper = Bauer, im Sinne von Tölpel).

Sein Werk wird in Sommer- und Winterlieder gegliedert:

  • die Sommerlieder sind einfach gebaute Tanz- und Reigenlieder: Ein ritterlicher Sänger spielt im Dorf zum Tanz auf und erobert ein Bauernmädchen. Sie stehen karikierend in deutlichem Kontrast zur höfischen Haltung - neben der Parodie auf den Ritter wird auch bäuerliche Rohheit bloßgestellt.
  • die Winterlieder stellen Verse höfisch-konventioneller Minne in Kontrast zu wilden bäuerlichen Tanzstubenszenen, in denen sich der Ritter der Eifersucht und der Wut der Bauernburschen ausgesetzt sieht und oft genug den Kürzeren zieht.
Die unkonventionellen Lieder beschäftigen Germanisten und Musikwissenschaftler bis heute. Einziger Wermutstropfen: Bislang gab es keine vollständige Werkausgabe von Neidhart (die Trennung von „echten“ und „unechten“ Strophen und Liedern ist ein zentrales Anliegen).

Der auf mittelalterliche Musik spezialisierte Wiener Sänger und Musiker Eberhard Kummer interpretiert Neidhart-Lieder in Konzerten und auf CDs. Schon 1985 erschien "Lieder und Reigen des Mittelalters - Neidhart von Reuental" (Pan-Verlag, Wien LP Nr. 117 001)

In Wien gibt es ein Neidhartgrab:
dies ist ein Grabmal (Tumbagrab) an der Südseite des Stephansdomes: zwischen dem Strebepfeiler der Eligiuskapelle und dem Vorbau des Singertors unter einem schlanken Baldachin. Dieses Grabmal soll die Gebeine des zum Hofstaat Herzog Otto den Fröhlichen (+1334) gehörenden "Neithart Fuchs" beherbergen. Neueren Untersuchungsergebnissen zufolge beinhaltet das Innere der Tumba Gebeine von zwei Individuen, deren Radiokarbon-Datierung Lebensdaten von 1340-1400 und 1110-1260 zugeteilt wurden. Handelt es sich dabei um die Gebeine des Minnesänger Neidhart v. Reuental und um den im 14.Jh. lebenden Neithart Fuchs? Die Datierung würde übereinstimmen. Weder die Tumba noch die das Grabmal umgebenden Kirchenaußenwände tragen eine erläuternde Inschrift.

In Wien existieren außerdem die Neidhartfresken:
die ältesten erhaltenen profanen Wandmalereien in Wien befinden sich im Haus Tuchlauben 19. Das Gebäude stammt aus dem 14. Jhdt. und wurde um 1398 von dem wohlhabenden Wiener Händler Michel Menschein mit einem großzügigen Bilderzyklus ausgestattet. Die Fresken zeigen Szenen aus dem Leben und den Dichtungen des Wiener Minnesängers Neidhart von Reuental (um 1180 - 1240) sowie ein Frühlingsfest und einen Reigen mit Festmahl. Entdeckt wurden die Fresken im Jahre 1979.

Ausgabe#

H. Fischer (Hg.), Die Lieder Neidharts, 1984.

Literatur#

  • J. Bumke, Ministerialität und Ritterdichtung, 1976
  • H. Birkhan, Neidhart von Reuental, 1983
  • V. F. Spechtler (Hg.), Lyrik des ausgehenden 14. und 15. Jahrhunderts, 1984
  • Blaschitz (Hg.), Neidhartrezeption in Wort und Bild, 2000.


Leseprobe:#


MAIENZEIT

Mayen zeit
one neidt.
freuden geit.
wider streit.
sein widerkumen kan vns allen helffen.
uff dem plan.
one wan.
sicht man stan.
wolgethan
lichte praune plumlein bey den gelffen
durch das gras sind sie schon gedrungen.
und der walt
manigualt.
vngeczalt.
ist der schalt.
das er ward mit dem nie pas gesungen.

Ich sung nit
nach irem sitt.
hett ich frid.
des ich bitt.
ob mir yemant kome daran zu trost.
Ich pin verczaidt
meine laidt.
unueriaigt.
sind noch brait
ich nem es noch wer mich dauon erlost.
liebes plick kan mich schiken wilde.
es ist mein clag.
alle tag.
vnd gebag.
als ein zag.
liebes plick las mich bej blickes bilde

Grosse not
mir empot.
der mit drot.
auf den tod.
das ist hildebolt von bernreute
Irrenfrid.
vnd der smid.
werden glid.
an eim wid.
das sie mit gemach lan die leute
Berwin den mag nyemant vberhausen.
Amelolt
Berinbolt
handt verdolt
das man soldt.
vber mich geben hat zu prewssen.

Ich kam dar
ane far.
ungewar.
zu Irer schar.
Ich sahe was die gattellinge thetten.
Irrenper.
vnd Ir mer.
giengen encwer.
hin und her.
mit iren kappelklingen. sam si moten.
do sprach ich na wolt ich eines wethen.
Das ir gedrod.
vnd ir geschnod.
wurd plode.
wie ir freud.
nyemant kunt mit heres krafft empfhetten

© 2005, S. Fischer Verlag, Frankfurt / M.
LITERATURHAUS
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl, H.M. Wolf