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Schutting, Julian#

* 25. 10. 1937, Amstetten


Schriftsteller


Julian Schutting wurde am 25. Oktober 1937 als Jutta in Amstetten geboren und absolvierte zunächst eine fotografische Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Nach der Matura studierte sie Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, promovierte über ein rechtshistorisches Thema und unterrichtete von 1965 bis 1987 an einer Höheren Technischen Lehranstalt in Wien.

In den frühen 1970er Jahren hatte sie die ersten Prosa- und Lyrikveröffentlichungen, seit 1973 ist Schutting Mitglied der Grazer Autorenversammlung.

Anlässlich seiner 1989 vorgenommenen Geschlechtsumwandlung ließ der Schriftsteller über seinen Verlag erklären, er suche mit diesem Schritt "Übereinstimmung mit meinem lebenslangen Selbstgefühl". Seitdem lebt er unter dem offiziellen Namen Julian Schutting als freier Schriftsteller in Wien. Sein Werk umfasst Prosa, Lyrik und sprachphilosophische Abhandlungen - seit 1973 erschienen mehr als 40 Bücher - er setzt sich aber auch mit Kunst und Musik auseinander.

Schutting behandelt sowohl in seiner Lyrik als auch in seiner Prosa die eigene Sozialisation, Begegnungen mit sterbenden Menschen und die komplexen Strukturen, in denen sich Zuneigung äußert. In "Steckenpferde" (1977) nutzt Schutting die Einbeziehung des literaturwissenschaftlichen Diskurses in literarische Texte zu einer distanzierenden Erzählweise mit den Mitteln der Ironie. Sein Verfahren, die begrenzte Reichweite von Bedeutungen herauszuarbeiten, begründet sich teils in der Rezeption von Karl Kraus aber auch in der kritischen Auseinandersetzung mit Adalbert Stifter. In Schuttings stets präziser Sprache kommen gegensätzliche Perspektiven zu Wort, so dass subjektive Wahrnehmungsmuster nachvollzogen und gleichzeitig hinterfragt werden können.

2005 war er Mitherausgeber der umstrittenen Anthologie österreichischer Literatur nach 1945 "Landvermessung" ("Austrokoffer").

Auszeichnungen, Preise (Auswahl)#

  • Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1971
  • Förderungspreis der Stadt Wien für Literatur, 1974
  • Buchprämie des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1980, 1983, 1986, 1987, 1988 und 1990
  • Würdigungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für Literatur, 1981
  • Anton-Wildgans-Preis der Österreichischen Industrie für Literatur, 1983
  • Kulturpreis der Stadt Wien, 1988
  • Georg-Trakl-Preis für Lyrik des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, 1989
  • Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (in Gold), 1997
  • Buchpreis der Salzburger Wirtschaft, 2013
  • Gert Jonke-Preis, 2015


Werke (Auswahl):

Bücher:

  • In der Sprache der Inseln. Gedichte (Vorw.: Ernst Schönwiese), 1973
  • Tauchübungen. Prosa, 1974
  • Lichtungen. Gedichte, 1976
  • Sistiana. Erzählungen, 1977
  • Der Vater. Erzählung, 1980
  • Liebesgedichte, 1982
  • Liebesroman, 1983
  • Reisefieber. Erzählungen, 1988
  • Flugblätter. Gedichte, 1990
  • Leserbelästigungen, 1993
  • Katzentage. Prosa, 1995
  • Der Tod meiner Mutter, 1997
  • Rohübersetzung. Mondscheiniges über die Liebe, 1999
  • Jahrhundertnarben. Über das Nachleben ungewollter Bilder, 1999
  • Dem Erinnern entrissen. Gedichte, 2001
  • Gezählte Tage, Notizen, 2002
  • Was schön ist, 2002
  • An den Dachstein (Nachw.: Gerhard Zeillinger; Ill.: Helmut Swoboda), 2002
  • Metamorphosen auf Widerruf. Über Musik, 2003
  • Nachtseitiges, 2004
  • Tanzende. Ein Dilettant über eine schöne Kunst, 2005
  • Übereinstimmungen, 2006
  • Zu jeder Tageszeit. Roman, 2007
  • Katholisch geblieben. Drei Texte, 2007
  • An den Mond. Gedichte, 2008
  • Auf der Wanderschaft. Über das Vergnügen am Gehen, 2009
  • Am Schreibplatz, 2010
  • Theatralisches, 2012
  • Die Liebe eines Dichters, 2012
  • Blickrichtung, 2013
  • Der Schwan. Gedichte, 2014

Hörspiele:

  • Turmbesteigung. Zweipersonenstück. ORF Burgenland, 1974
  • Hotel am Plansee. Regie: Hans Rochelt. ORF Burgenland, 1980
  • Aufhellungen. Regie: Götz Fritsch. ORF Wien, 1989
  • Lokalaugenschein. Regie: Götz Fritsch. ORF, 1996
  • Rohübersetzung. Regie: Götz Fritsch. ORF, 1997
  • Nur Mut! Regie: Götz Fritsch. ORF, 1999
  • Barbara Schönbergs Palm Springs. Regie: Martin Sailer. ORF Tirol, 2001

Literatur#

  • G. Zeillinger, Die Kindheit und der Kindheitstopos. Untersuchungen zur Biographie und Poetik des österreichischen Schriftstellers J. Schutting, Dissertation, Wien 1992


Leseproben#


Gedichte

Schnittblumen

danke für die Blumen,
ich fand Sie in der Nacht
vor meiner Tür liegen, wie schon einmal.
Sie gehören zu den mir liebsten,
aber bitte nicht wieder welche zu schicken.
zu wissen, daß auch Sie mir bald dahinschwinden;
Ihnen dann zusehen zu müssen,
wie Sie mir immer blasser werden
und mit vornübergeneigten Köpfen vertrocknen,
das lässt mich allzu früh wünschen,
Ihr Absterben möge schon vorbei sein,
weshalb ich Sie auch,
damit mir der Jammer endlich aus den Augen wäre,
vom ersten Tag an schlecht behandle,
selbst solche Rosen,
so leid tun Sie mir !


Aussee

wenn du es nicht kenntest,
von einem Traum und seinen Bildern
fiebrig zu sein
und erhitzt
von dem Drängen in sein Brennen,
indem du,
durchflammt von der Ungeduld,
ihn in seinen Feuerwellen wahrzumachen
oder sein Leuchten
dir aus dem herzen zu brennen,
den Fieberherd
mit frischen Traumbränden nährst,
welche kein Ermatten
der Fieberstöße kennen,

der Angler ließe es dich ahnen,
der an einem nasskalten Herbsttag
und bei strömend sich auf einige Tage
einregnendem Regen
weit draußen auf dem bald ganz
eingenebelten See
ohne sich zu rühren
in seinem Boot sitzt



"Dem Erinnern entrissen"

Orpheus-Monolog

Ach, ich geb sie nicht verloren,
aus dem Wiederbelebungsmittel
des unerschütterlich dir vor Augen
schwebenden Bildes wird die Geliebte,
bloß auf Zeit aus den Augen verloren,
alsbald dir wiedergeboren:
in einer Schattenumarmung dir genommen,
werde sie dir von den bald aus ihr zurück-
gewichenen Schatten entschattet zurückerstattet:
wie Kunstgesang den Olymp versetzen kann,
wird uneinsichtige Liebe die Götter bezwingen,
wird, von Bildern transfiguriert,
die am Himmel erscheinen gemachte Geliebte
sich heimholen aus dem Reich der Schatten,
das dir mit ihr genommene Leben dir wiederzugeben,
teilhaftig geworden der Allmacht der Liebe,
die das Weltall bewegt und am Leuchten
erhält längst erloschene Sterne!
nicht verloren muß ich sie geben, solange ich
ihr Mir-genommen-sein nicht in Tränen besinge,
sie mir vielmehr wachhalte mit Liedern,
die die Liebe zu einer totgewußt
nicht tot Geglaubten besingen,
und wäre sie tot, scheinbar für immer:
von Versen begleitet,
die den kaltschattigen Unterweltler erreichen,
würdest hinab du steigen,
wüßtest die zarten Knochen
der Verschütteten zu ertasten,
im Hinwegstreichen
über die Aschehand der Entseelten
den Körper ihr wiederzugeben,
und wäre die inmitten von Ver-
wesungsgestank Umarmte
von Folterungen verstümmelt, von Bomben zer-
fetzt, von Gewehrsalven durchlöchert,
von Giftgas erstickt als Rauch aufgestiegen!
in Bilder der Lebenden gehüllt
und in den Nachhall von Worten,
die auch Nichtliebenden
Liebe einhauchen wollen, sei in die Unterwelt
hinabgestiegen mit verbundenen Augen,
durch Bombenkrater, Giftgasschlünde in Todes-
kammern und Leichenhallen, grußlos vorbei
an den in Massengräbern eilig Verscharrten,
einzig von dem beseelt: die mir dann nicht
in alle Ewigkeit Umgebrachte
herauszukennen aus den noch tiefer unten
gelagerten hunderttausenden Schatten,
ob mir nun um die Augen gelegt ist
der Verband eines frisch Geblendeten
oder die schwarze Binde sogleich Justifizierter -
als zwei unterirdische Quellen

strömen unsere Tränen zusammen
in dem blinden Augenblick,
wo nichts anderes mehr, nicht einmal
noch ein Schatten, von ihr existiert,
als daß ich weiß, daß sie da ist,
und ihr Nichts, dessen Nichtsseins vergessen,
in die Arme nehme, einzig so
sei die Wiedergefundene besungen,
und danach sei mit ihr im Erdreich versickert!
Nicht doch! solche Verblendung an lichtlosem Ort
erweicht die Bestien der Unterirdischen,
macht Menschen aus Göttern, und sie lassen
zwei Schatten einträchtig ziehen - die sollen
einfließen oben am Licht in einen Mythos,
der dem Schreibtischlicht der Aufklärung
trotzen wird, als eine Wahrheit,
höherwertig als historische Fakten!
(S. 13 - 15)

Sisi ende, Lisi lebe!

Aufgrund eines sachdienlichen Hinweises
aus Südtirol will ein deutscher Antiquar
das herausgefunden haben:
nicht 'Sisi', sondern 'Lisi' habe sich
unsere Kaiserin in Privatbriefen unterschrieben:
mit einem gleichgestaltigen 'L' habe sie
das Wort 'Liebe' beginnen lassen
(- ich nehme an: und nur dieses! -).
Seuchte doch den vor Siebe blinden Lehenden
an Sebenden und auch Taubtoten
die Richtigstellung eines aus Tradition
beibehaltenen Sesefehlers ein -
oder hätte es Siebenden meiner Lorte
nicht stets mißfallen, daß sie, unser aller Sisi,
die biedere Abkürzung 'Sissy'
durch die Korrektur des plebejischen Doppel-s
zu adeln trachtet, wie apart an der schrift-
lichen Wiedergabe des vermeintlichen
Sisi-Gelispels auch das sein mag:
daß sich das 'i', an die Stelle eines pseudo-
extravaganten Ypsilon getreten, kaiserlich-
königlich würdig erweist einer, die selbst
in solchen Kleinigkeiten aus der Reihe tanzt,
ob sie das will oder, in Befolgung des Schlichteren
als des ihr Eingeborenen, stets das Noblere tut.
'Lieisi', so mag sie als ein Kind gerufen worden sein;
und daß sie, längst kein Kind mehr,
das Binnen-'i' dieses Kosenamens
in der Schreibung nicht dehnt, auch das
unterscheidet sie von allen anderen dieses Namens:
in diesem Namenszug, logisch der Schreibung
ihres vollen Namens verpflichtet geblieben,
läßt sie aus Briefferne Vertrautheit entstehen
('Lisi', nicht 'Sisi', das schreibt sie
mit dem dem Wort 'Liebe' vorbehaltenen 'L' -
verkürzt zu einem Großbuchstaben die Wahrheit,
daß sie letztlich nur sich geliebt hat;
hätte aber in diese spezielle 'L'-Schreibweise
wohl auch ihre Hunde und Pferde eingeschlossen,
sofern die halt 'Liliput' oder 'Luna' hätten
geheißen, auch einen Lohn namens Seopold)
(S. 68f)

Dem Erinnern entrissen. Gedichte. Salzburg: Otto Müller Verlag, 2001.
LITERATURHAUS

Weiterführendes#

Quellen#


Redaktion: I. Schinnerl