Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast

Sonnenfels, Joseph Freiherr von#

* 1732, Nikolsburg (Mikulov, Tschechische Republik)

† 25. 4. 1817, Wien


Jurist, Staatsmann


Sonnenfels Joseph
Joseph Freiherr von Sonnenfels. Stich von Schleuen
© Hist. Museum d. Stadt Wien
Sonnenfels Joseph
Büste von Alois Düll
Universität Wien, Arkadenhof
© Rainer Lenius

Joseph Freiherr von Sonnenfels wurde 1732 vermutlich in Nikolsburg in Mähren als Sohn eines preussischen Landrabbiners geboren. Der Vater trat mit seinen Kindern (ohne deren Mutter) , unter Annahme des Christennamens Alois Wiener zum Christentum über. Alle wurden am 18. September 1735 in der Schottenkirche in Wien getauft, wobei es eine wichtige Weichenstellung für seine Schulbildung und seine Berufslaufbahn war, dass Fürst Carl von Dietrichstein sein Taufpate war.


Nach der Schulzeit leistete er seinen Militärdienst (bei den Hoch- und Deutschmeistern), danach studierte er an der Universität Wien Jus (u.a. bei Karl Anton von Martini} und wurde 1763 zum Dr. phil. promoviert.

Danach suchte er längere Zeit nach einer geeigneten Aufgabe. Er machte sich mit Literatur vertraut und trat als Redner der "Deutschen Gesellschaft" auf, so auch zum 45. Geburtstag von Maria Theresia – dort konnte er anscheinend einen so großen Eindruck zu machen, dass er nach einigen kleinen Komplikationen zum Universitätsprofessor (für den neu geschaffenen Lehrstuhl für Polizei- und Kameralwissenschaften) ernannt wurde.


Sonnenfels entwickelt sich zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Aufklärung. Er setzte sich für die Abschaffung der Folter ein, arbeitete an der Justizreform Joseph II. mit und wurde 1779 Hofrat der Hofkanzlei.

Seine Neigung zur und Kenntnis der Literatur ließ ihn eine Reform des Burgtheaters vertreten und ab 1810 das Amt eines Theaterzensors übernehmen. 1811 wurde er Präsident der Akademie der bildenden Künste.

Er starb am 25.April 1817 in Wien.

Ein Denkmal von Hans Gasser steht in der Zufahrt zum Rathaus, ein anderes von Caspar Zumbusch am Denkmal Maria Theresias, und eine weiters von Johann Silbernagl im Vestibül des Burgtheaters.

Eine Büste von Alois Düll befindet sich im Arkadenhof der Universität Wien, und im 1. Wiener Bezirk ist ihm eine Gasse gewidmet.

Werke (Auswahl)#

  • Briefe über die Wienerische Schaubühne, 4 Bände, 1768
  • Grundsätze der Polizey-, Handlungs- und Finanzwissenschaft, 3 Teile, 1769-76
  • Über die Abschaffung der Folter, 1775
  • Ausgabe: Gesammelte Schriften, 10 Bände, 1883-87

Literatur#

  • J. Brosche, J. von Sonnenfels und das Wiener Theater, Dissertation, Wien 1962
  • D. Lindner, Der Mann ohne Vorurteil, 1983
  • J. Sonnenfels, herausgegeben von H. Reinalter, 1988
  • S. Karstens, Lehrer - Schriftsteller - Staatsreformer, Die Karriere des Joseph von Sonnenfels (1732-1817), 508 S. Böhlau Verlag Wien 2013, € 79.-

Text aus dem Buch "Große Österreicher":#

Joseph von Sonnenfels (1732-1817)

Was Lessing für Hamburg und Deutschland, das war Sonnenfels für Wien«, hat man von dem Mann gesagt, dessen Name nicht nur jedem österreichischen Juristen geläufig ist, sondern der darüber hinaus immer dann genannt wird, wenn von den Reformen Kaiserin Maria Theresias die Rede ist. Joseph Freiherr von Sonnenfels - das ist ein Begriff, der dem der Aufklärung, wohl auch dem der Toleranz gleichbedeutend an die Seite gestellt werden muß. Man kennt den Mann, der ein Praktiker des Rechts und der Gerechtigkeit weit eher als ein Gelehrter gewesen ist, heute hauptsächlich als den, dem die Aufhebung der Folter in Österreich zu danken ist, der Tortur, bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts unabdingbarer Bestandteil des Strafprozesses. Sonnenfels ist mehr gewesen: ein Literat, ein Sprachreformer, ein Bühnenexperte -und zu alledem ein großer Lehrer.

Er hat unter vier Regenten gedient, er ist hochgeehrt - und hochbetagt - gestorben und kam doch aus jener Gruppe kaiserlicher Untertanen, die stets auf irgendeine Weise diskriminiert gewesen ist: aus der Gruppe gläubiger Juden. In Nikolsburg ist er geboren, sein Vater hieß damals noch Lipmann Perlin, sein Großvater war Landesrabbiner der Mark Brandenburg zu Berlin gewesen.

Über Eisenstadt ist der Vater ins Mährische gekommen, mit seinen Söhnen Joseph und Franz ließ er sich dort taufen und nahm den Namen Alois Wiener an, den auch Joseph nachher eine Zeitlang trug. Später übersiedelte Alois Wiener in die Residenzstadt, als Orientalist war er gesuchter Dolmetsch östlicher Sprachen und auch des Hebräischen, wegen seiner Verdienste im Staatsdienst wurde er schließlich geadelt, er erhielt den Titel »von Sonnenfels«, den auch Joseph fürderhin trug.

Aber noch war es nicht soweit; noch lebt man in Nikolsburg, Joseph besucht dort das Piaristengymnasium, lernt mehr schlecht als recht, spricht Latein »wie der Hirte auf den hungarischen Haiden«, beendet die Studien mit dreizehn und will erst einmal Geistlicher werden.

Aber da muß der Vater wegen finanzieller Schwierigkeiten nach Ungarn übersiedeln, der junge Joseph gibt den Plan, ein Hochschulstudium zu beginnen, auf und geht - unter dem Namen Joseph Wiener - zum Militär, zu den Deutschmeistern, die damals in Klagenfurt stationiert waren.

Fünf Jahre bleibt er beim Regiment, er bringt es bis zum Unteroffizier, hat viel Freizeit, liest, lernt, auch Sprachen - Französisch bringen ihm Deserteure bei, Tschechisch lernt er später, als das Regiment nach Böhmen verlegt wird, von den Mädchen dort.

Dann wird er der Militärlaufbahn überdrüssig, er quittiert den Dienst und studiert in Wien schließlich Rechtswissenschaften. Beim Grafen Hartig, Hofrat der Obersten Justizstelle, arbeitet er als Rechtspraktikant - und entwickelt gleichzeitig ein enormes Interesse für sprachliche Probleme. Vor allem hat es ihm angetan, daß das Hochdeutsche damals in Wien kaum beachtet, kaum verwendet wurde. Der Adel sprach französisch, die Gelehrten wie die Künstler unterhielten sich italienisch, das Volk sprach wienerischen Kauderwelsch. Und eine reguläre Schriftsprache existierte kaum, wurde jedenfalls nicht benützt, so daß Sonnenfels in einem deutschen Buch lesen mußte: »Österreich hat uns noch keinen einzigen Schriftsteller gegeben, der die Aufmerksamkeit des übrigen Deutschland verdient hätte; der gute Geschmack ist, wenigstens was das Deutsche betrifft, daselbst kaum noch in seiner Kindheit, kaum noch da, wo Sachsen und Brandenburg schon um das Jahr 1730 waren.«

Joseph - damals hieß er längst, so wie sein Vater, Sonnenfels - ist wütend. Er will sein Land, will seine Sprache verteidigen, er möchte Schriftsteller werden. Ein Professor von Riegger hat eine »gelehrte deutsche Gesellschaft« gegründet, Sonnenfels tritt ihr bei, außer ein paar Vorträgen über deutsche Literatur kann er aber nichts beisteuern.

Er will - nicht zuletzt, um von seinem Vater unabhängig zu sein, der zu dieser Zeit wieder als gutbezahlter Staatsbeamter tätig ist - die Lehrkanzel für deutsche Literatur bekommen, aber die ist besetzt. Joseph von Sonnenfels nimmt also, weil er verdienen möchte, die Position eines Rechnungsführers bei der Arcierengarde an, einen Zivilposten bei der kaiserlichen Leibgarde gewissermaßen. 400 Gulden Jahressalär trägt er.

Und doch ist Sonnenfels unzufrieden. Das erfährt der stellvertretende Kommandant der Garde, ein General Petrasch, der sich mit dem gelehrten Rechnungsführer angefreundet hat. Petrasch hat einen Freund, den Staatsrat von Borie, der wieder ist bei Hof gut eingeführt - auf diesem seit Jahrhunderten in Wien nicht außergewöhnlichen Weg erhält Sonnenfels endlich seine Lehrkanzel.

Es ist nicht die für Literatur. Es ist der Lehrstuhl für politische Wissenschaften an der Universität. Das Schicksal hat entschieden: Joseph von Sonnenfels widmet den Rest seines Lebens jenem Gebiet, das man heute Rechts- und Staatswissenschaften mitsamt einem Schuß Politologie nennen würde. Und er wird, wie der Historiker Alfred von Arneth später schrieb, dort der »treue, wenn auch manchmal vorsichtige Dolmetsch der neuen Ideen, welche damals den ganzen Continent durchzogen«. Er versteht es, diese Ideen überall dort, wo ihn seine Laufbahn hinbringt, zu verfechten, zu verteidigen - und meist auch zu realisieren.

Diese Laufbahn ist eine imponierende. Joseph von Sonnenfels - im gesetzten Alter wird er sogar Reichsfreiherr -avanciert zum Regierungsrat, zum Hofrat, er wird sogar Bürger von Wien, die Kaiserin beruft ihn als Mitglied in eine ganze Reihe von Kommissionen und Räten, schließlich wird er sogar zum Präsidenten der Akademie der bildenden Künste gewählt. Und er ist Meister einer Freimaurerloge.

Seinen vielen Funktionen entsprechend, ist auch der Einfluß, den Joseph von Sonnenfels auf den österreichischen Verwaltungsstaat ausübt, ein vielfacher -und er ist in jeder Hinsicht groß. Der Politikwissenschaftler, der sich so sehr für die Sprache interessiert, legt sich mit den Schauspielern an; er tritt - als Mitglied der Zensurkommission - gegen die Zoten auf der Bühne auf, er will Schmutz und Schund verbieten, damals nicht zuletzt in Gestalt des Hanswursttheaters populär. Die Schauspieler schlagen zurück, auf der Bühne wird Sonnenfels immer wieder als lächerliche Figur dargestellt, verhöhnt, verspottet - er schreibt dagegen in Zeitschriften, wettert von der Lehrkanzel, das Ganze wird der Kaiserin vorgetragen, die einen Aktenvermerk anbringt: »Die Comödianten sind eine Bagage und bleiben eine Bagage und der Herr Hofrath von Sonnenfels könnte auch was Besseres thun als Kritiken schreiben. Maria Theresia.«

Sonnenfels will die Situation der Theater in Wien verbessern, die Qualität anheben; er tritt mit Literaten aus Deutschland in Kontakt, etliche Male wird sogar bei Lessing angefragt, ob er nicht nach Wien übersiedeln wolle - doch Intrigen verhindern dies. Und hinter diesen Intrigen soll Sonnenfels selbst stecken. Meint er, daß in Wien kein Platz für einen zweiten Aufklärer ist? Jedenfalls bleibt Lessing in Deutschland, die Rolle des Reichsfreiherrn von Sonnenfels in dieser Affäre ist nie ganz geklärt worden.

Offenkundig aber ist, daß Sonnenfels an der mariatheresianischen Rechtsreform, an den Verwaltungsreformen maßgeblich Anteil hatte. Die Reihe der von ihm ausgearbeiteten Gesetzeswerke reicht von der Polizeiordnung bis zur Gesindeordnung, vom Wucherpatent bis zu Verordnungen über eine bessere öffentliche Beleuchtung.

Sein Auftreten gegen gesellschaftliche Mißstände gipfelte in seiner Kampagne gegen die Grausamkeiten der damaligen Strafprozeßordnung. Solches lag freilich im Zeitgeist; in ganz Europa mehrten sich die Stimmen der Kritik an Folter und qualvoller Todesstrafe. Wortführer war der Italiener Cesare Beccaria, dessen Schrift »Dei delitti e delle pene« (Über Verbrechen und Strafen) in na¬hezu alle Kultursprachen übersetzt wurde.

In Wien machte sich Sonnenfels zum Wortführer der Aufklärung in Sachen Kriminalprozeß, und er tat dies so lautstark, daß es der Kaiserin zu Ohren kam. »Er soll aufhören, sonst wird er entfernt!« ließ sie den Hofrat wissen. Aber Sonnenfels gab nicht nach, er bat um eine Audienz, und in der Tat ließ ihn Maria Theresia kommen.

Der Professor brachte ein Konvolut von Akten und Aufsätzen mit, nach damaliger Sitte ließ er sich im Thronsaal auf ein Knie nieder und begann einen leidenschaftlichen Vortrag. Maria Theresia unterbrach ihn: »Knie er sich näher zu mir und lege er seine Schriften auf meinen Schoß!«

Sonnenfels, so berichten Augenzeugen, tat, wie ihm geheißen, seine Rede war so emphatisch, so mitreißend, die Schilderungen der Torturen, die unter der Herrschaft Maria Theresias vollzogen wurden, waren so eindrucksvoll, daß die Kaiserin zu weinen begann. Worauf Sonnenfels, allen Vorschriften des Hofzeremoniells zuwiderhandelnd, aufstand und ausrief: »Wenn Europa diese Tränen in den Augen der größten Monarchin unserer Zeit gesehen hätte, so würde es keinen Augenblick zweifeln, daß die Tortur in Österreich sogleich abgeschafft wird!«

»Laß er's gut sein. Die Tortur wird abgeschafft«, soll die Kaiserin erwidert haben. Am 2. Januar 1776 wird das entsprechende Patent kundgemacht. Österreich ächtet als erster europäischer Staat die Folter. Alle anderen Länder folgen.

Sonnenfels hat dies erreicht. Die Kränze wand ihm dafür nicht nur die Nachwelt. Als er am 25. April 1817 in der Wollzeile zu Wien starb, betrauerte ihn mit dem Staat Österreich das ganze zivilisierte Europa.

Quellen#

  • AEIOU
  • Uni Wien, Joseph von Sonnenfels Center
  • F. Czeike: Historisches Lexikon Wien
  • 625 Jahre Universität Wien
  • W. Kleindel: Das Große Buch der Österreicher
  • J. Trilse-Finkelstein/K. Hammer: Lexikon Theater international
  • Große Österreicher, ed. Th. Chorherr, Verlag Ueberreuter, 256 S.



Redaktion: R. Lenius, I. Schinnerl