Marchetti, Fillipo#
freundlicherweise zur Verfügung gestellt von den Grazer Opernfreunden
* 26. 2. 1832 in Bolognola bei Camerino
† 18. 1. 1902 in Rom
Komponist
Fillipo Marchetti wurde am 26. 2. 1832 in Bolognola bei Camerino, am Fuße des Monte
Castelmanardo im Nationalpark "Monte Sibellini", einem kleinen Ort in der Provinz
Macerata, Region Marken, geboren. Er starb am 18. 1. 1902, also nur rund ein Jahr nach
Verdi, in Rom.
Dazwischen lag seine Ausbildung zum Komponisten in Neapel, wo ihm Saverio Mercadante (1795 - 1870), dessen wohl berühmtestes Werk II giuramento ist) eine große musikalische Zukunft vorausgesagt hatte. Zuerst schrieb er drei Opern, die nur von lokaler Bedeutung waren, nämlich Gentile di Varanno, La demente und II paria. 1865 erlebte seine Oper Romeo e Giulietta in Triest ihre sehr erfolgreiche Uraufführung, obwohl schon vor ihm Zingarelli (1752 - 1837, der Lehrer Bellinis), Vaccaj und auch Bellini eine Oper mit diesem Sujet komponiert hatten. Durch dieses Werk wurde die Mailänder Scala - hier wurde Romeo e Giulietta 1867 aufgeführt - auf ihn aufmerksam und erteilte ihm den Auftrag zu einer weiteren Oper, nämlich Ruy Blas, die 1869 einen triumphalen Erfolg feierte. Es folgten Gustavo Wasa mit der Uraufführung in Mailand 1875 und ein Don Giovanni d'Austria, 1880 in Turin uraufgeführt.
Danach zog er sich, weil er als Komponist nicht so erfolgreich war, wie er erhofft hatte, auf den akademischen Sektor zurück und wurde Präsident der berühmten Accademia (Nazionale) di Santa Cecilia in Rom.
Unbekannte Opern#
Romeo e Giulietta#
Im Juli des Vorjahres (2005) erlebte nun Romeo e Giulietta in Martina Franca/Puglia beim Festival della Valle d'Itria eine Wiederbelebung. Hier sind Teile der La Fenice - Version von 1872 eingearbeitet. Das vieraktige Libretto stammt von Marco Marcelliano Marcello. Und diese Oper wurde nun, nachdem dem ORF bereits im Herbst des vorhergehenden Jahres Ausschnitte zugänglich gemacht und im Dezember auf Sendung gebracht worden waren, im Juni 2006 von "Dynamic" herausgebracht. Die Hauptrollen und ihre Sänger sind: Cappellio de Cappulletti (Bariton - Mario Cassi); Giulietta (Sopran - Serena Daolio); Tebaldo (Tenor - Giovanni Coletta); Paride (Bariton - Dario Solari); Romeo de Montecchi (Tenor - Roberto Iuliano); Frate Lorenzo (Bass - Andrea Mastroni); Dirigent : Andrij Yurkevych; Internationales Orchester Italien; Bratislava Kammer-Chor Der 1. Akt spielt auf der Piazza dei Signori in Verona und anschließend im Festsaal der Casa Cappelletti, der 2. am Ufer der Etsch (Adige), in der Zelle des Frate Lorenzo und dann wieder in einem Saal des Hauses der Cappelletti, der 3. in Julias Zimmer, der 4. auf dem Friedhof Der Inhalt hält sich mit kleinen, aber doch bemerkenswerten und für die Handlung bedeutenden Änderungen an Shakespeares Vorbild.
Die Handlung des 1. Aktes beginnt während der Festivitäten zum Karneval in Verona auf der Piazza dei Signori. Romeo, der anfangs noch von seiner Rosalia träumt ("Se la vedessi .... "), ist hier ein Freund von Paride; dieser nimmt, um Romeo abzulenken, diesen auf das Maskenfest bei den Cappellettis, das in einem großen Saal des Palastes stattfindet, mit. Tebaldo, der Cousin Julias, bemerkt die maskierten Romeo und Tebaldo. Cappellio, der die beiden noch nicht erkannt hat, macht, angestachlelt durch Tebaldo, den Vorschlag, Paride, der ein Neffe der Fürstenfamilie der Scala (Skaliger) ist, Julia zur Frau zu geben. Paride hat dies mit angehört und bittet sofort um Julias Hand, da er seit über einem Jahr in sie verliebt ist. ("Sara felice ...."). Romeo ist beim Anblick Julias wie vom Blitz getroffen. Noch bevor Romeo als "Feind" entdeckt wird, tauschen Julia und Romeo Liebesworte aus ("Se con la man sacrilega "). Es folgt ein Wechselspiel zwischen Vorwürfen der Gäste gegen Romeo, dem Klagen der Liebenden und den tröstenden Worten der Amme. So klingt der Akt mit fast extatischer Musik aus.
Der 2. Akt beginnt mit der berühmten Balkonszene nahe dem Ufer der Etsch zwischen Julia und Romeo ("Ah, celarti del core il mistero "), bei der sie das Treffen in Fra Lorenzos Zelle für den kommenden Morgen vereinbaren: Die Anhänger der "Capulets" haben Romeo entdeckt und nur Paride kann einen Zweikampf zwischen Tebaldo und Romeo, der auf den nächsten Tag verschoben wird, verhindern. In der Zelle findet die Trauung statt ("Benche con brilli tempio "), da Fra Lorenzo hofft, dadurch die verfeindeten Familien zu versöhnen. Danach kommt es zum schicksalhaften Duell zwischen Tebaldo und Romeo, das die Verbannung Romeos nach sich zieht. Julia wartet indes auf die Nacht, um endlich ihren Romeo in die Arme schließen zu können. Wenig später eilt die Amme herbei und berichtet, dass Romeo Tebaldo im Zweikampf getötet hat. Die Freude, dass Romeo lebt, wird durch den Tod Tebaldos getrübt. Paride bezeugt vor den Cappellettis, dass der Kampf fair verlaufen ist. Vater Capellio und Paride glauben, dass Julia deshalb so verzweifelt ist, weil Tebaldo tot ist ("Ah, potessi sol la morte "). Die Amme verspricht ihr, Romeo für die letzte Nacht herzuholen.
Zu Beginn des 3. Aktes nehmen die beiden Liebenden, nachdem sie die Nacht gemeinsam verbracht haben, voneinander Abschied, bevor Romeo nach Mantua in die Verbannung gehen muss ("Partir giä vuoi "). Später erscheint Vater Cappellio, um Julia auf die Hochzeit mit Paride vorzubereiten. Frate Lorenzo, den Julia hat rufen lassen, gibt ihr einen Trank, der sie tot erscheinen lässt, denn nur so kann sie der Eheschließung mit Paride entkommen. Sie hat große Angst vor dem Trunk ("Ma se deposta "). Als Julia leblos gefunden wird, stimmen Cappellio und Frate Lorenzo, denen sich auch Paride zugesellt, einen herrlichen Trauergesang an ("Ma se deposta ", "Ov e Giulietta ", "Ti conobbi giovinetta " und "La gioia e volta in lutto ...."), der mehr als zehn Minuten dauert.
Der 4. Akt spielt auf dem Friedhof und gehört den beiden Liebenden. Nachdem Baldassare Romeo, der unseligerweise von Julias Tod erfahren hat, in die Krypta, in die sie gebracht worden ist, geführt hat, lässt Romeo in Gedanken nochmals ihr erstes Treffen Revue passieren, wobei die Musik des 1. Aktes anklingt ("O avara tomba "). Nachdem er Julia ein letztes Mal geküsst hat, nimmt er das Gift ("Se in questi freddi marmi "). Als Julia erwacht und Romeo erfährt, was in der Zwischenzeit geschehen ist, währt die Freude nur kurz. Als sie den sterbenden Romeo sieht, erdolcht sie sich. Romeo schließt mit "Grazie Giulietta .... di tanto amor ", bevor sie gemeinsam sterben. Ihnen bleibt nur mehr die Hoffnung, auf ewig im Himmel vereint zu sein.
Die Musiksprache Marchettis ist neu. Wenn auch Anklänge an Bellini (seine Oper Capuletti e Montecchi ist zweiaktig, hier ist Romeo ein Alt)) zu finden sind, geht er doch einen neuen Weg und kann auf Grund seiner oft zarten, dann einschmeichelnden, dann wiederum aufpeitschenden und effektvollen, fast schlagerhaften Musik als Vorläufer, zumindest aber als Wegbereiter, des Verismo bezeichnet werden.
Die vorliegende Open-Air-Live-Aufnahme wirkt durch die immer wieder hörbaren Schwalbenschreie besonders bezaubernd. Wenn auch gewisse stimmliche Mängel feststellbar sind, lohnt es sich doch, diese Oper kennenzulernen. Serena Daolio hat eine sehr ausgeprägte Stimme, die alle gesanglichen Schwierigkeiten hervorragend meistert; und doch wirkt ihre volle Stimme fast zu reif für die im Theaterstück erst 14-jährige Julia. Roberto Iulianos Tenor wirkt zumindest stellenweise heiser. Die anderen wichtigen Rollen sind mit Mario Cassi als Vater, Andrea Mastroni als Bruder Lorenzo, Giovanni Coletta als Tebaldo und Dario Solari als Paride sehr gut besetzt, was u. a. vor allem im Terzett am Ende des 3. Aktes (Trauergesang) sehr gut hörbar ist. Als ich die ersten Ausschnitte Mitte Dezember 2005 im Radio (Gestalter war Chris Tina Tengel) hörte, war ich von der Musik sofort wie elektrisiert und habe dem Erscheinen der CD, die für das erste Halbjahr 2006 geplant war, entgegengefiebert, weil mir die Musik nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
Ruy Blas#
Bereits im Jahr 1998 erlebte Marchettis Meisterwerk Ruy Blas im wunderschönen Teatro Pergolesi in Jesi einen Wiederbelebungsversuch. Es war dies ein Stoff, den Verdi damals gern vertont hätte; zweimal hatte er sogar angeregt, dass ihm ein Libretto auf dieses Drama geschrieben würde. Das 4-aktige Libretto stammt von Charles d'Ormeville, nach der Vorlage, einem "romantischen Drama", von Victor Hugo. Die Handlung spielt im Jahr 1698.
Die Personen und ihre Sänger sind: Donna Maria di Neubourg, Regina di Spagna (Sopran - Dimitra Theodossiou); Don Sallustio de Bazan, erster Minister des Königs Karl II von Spanien (Bariton - Alberto Gazale); Ruy Blas, Diener des Don Sallustio (Tenor - Mario Malagnini); Casilda, Ehrendame der Königin (Alt - Sylvia Marini); Don Pedro de Guevarra, Präsident Kastiliens (Tenor - Stefano Consolini); Don Guritano, Haushofmeister (Bass - Gabriele Monica); Don Fernando de Cordova, Generalintendant der Steuern (Bass - Roberto Nencini); Donna Giovanna, Herzogin von Albuquerque (Mezzosopran - Elena Marinangeli); Don Manuel Arias (Bass - Alffo Rosati); Dirigent: Daniel Lipton; Philharmonisches Orchester der Marken; Lyrischer Chor der Marken "Vincenzo Bellini" Der 1. Akt spielt im großen Saal des königlichen Palastes in Madrid, der 2. im Garten des Palastes, der 3. im königlichen Ratssaal und der 4. in einem Saal des Hauses des Don Sallustio.
Der 1. Akt beginnt mit einem Gespräch zwischen Don Sallustio und Don Guritano, wonach Ersterer, der einem Mädchen die Ehe versprochen hat, dieses auf Wunsch der Königin heiraten soll ("L'avventura e piccante ...."). Die zweite Option ist die Verbannung, und diese zieht er einer demütigenden Eheschließung vor. Davor aber will er sich an der Königin rächen. Ruy Blas, sein Diener, verehrt die Königin seit langem. Don Sallustio verpflichtet ihn, sich als seinen Bruder Don Cesare auszugeben ("Si pensi alla Vendetta ...."). Ruy Blas wird Don Pedro und Don Ferdinando nun als Don Cesare vorgestellt.
Zu Beginn des 2. Aktes werden die Hofdamen ("Camponiamo intrecciamo ....") von Donna Giovanna in die Kirche geschickt, damit die Königin Ruy Blas, alias Don Cesare, ungestört empfangen kann. Vorher aber singt sie noch eine Cavatine ("O mia dolce Alemagna ...."). Ruy Blas überreicht der Königin Blumen und ein leidenschaftliches Gedicht. Die Königin verliebt sich in ihn; Ruy Blas wird von Don Guritano überrascht und zum Duell gefordert, was die Königin dadurch verhindern kann, dass sie Don Guritano einen eiligen Auftrag, der eine sofortige Abreise nötig macht, erteilt ("Grazie mio Dio ")
3. Akt: Ruy Blas ist der Favorit der Königin geworden; er will die Macht von Don Pedro und Don Fernando einschränken, wodurch sie seine Feinde werden ("Primo ministro O Carlo Quinto ...."). Die Königin hat das Gespräch belauscht und gesteht Ruy Blas ihre Liebe zu ihm ("Grazie signor O dolce volutta "). Unerwartet taucht Don Sallustio auf und ruft Ruy Blas in Erinnerung, dass er nur das Werkzeug seiner Rache war ("AmarLa! ed essere riamato ...."). Don Pedro, Don Fernando und Don Guritano wollen Klage gegen Ruy Blas erheben. Die Königin ernennt "Don Cesare" zum Grafen und Herzog. Ruy Blas ist über alles bestürzt, kann sich ihr jedoch nicht erklären ("La Regina Emmi il messo?").
Zu Anfang des 4. Aktes holt Don Guritano Ruy Blas zum im 2. Akt vereinbarten Duell ("Svaniro i sogni! Signor Duca "). Ruy Blas verwundet Don Guritano tödlich und will sich deswegen mit Gift das Leben nehmen. Die Königin hindert ihn daran durch ihr Eingreifen. Don Sallustio überrascht die beiden und klärt die Königin über Ruy Blas auf ("Deludermi sperava E bello, e ricco ...."). Ruy Blas bittet sie um Vergebung, aber sie verstößt ihn ("Signore, sulle mie colpe Di me non prendavi timore "). Als nun Ruy Blas das Gift nimmt und stirbt, erkennt die Königin, dass sie Ruy Blas wirklich geliebt hat ("Deh! rivolgetemi un guardo "). Mit den verzweifelten Worten der Königin "Ruy Blas, rispondi! Ruy Blas, gran Dio!" endet die Oper. Dimitra Theodossiou ist als Donna Maria hervorragend, ebenso läßt Mario Malagnini als tenoraler Titelheld keine Wünsche offen! Und auch Alberto Gazale als Don Sallustio, Gabriele Moncini als Don Guritano, Sylvia Marini als Casilda und Elena Marinangeli als Donna Giovanna lassen keine Wünsche offen. Und selbst die kleineren Rollen sind bestens besetzt.
Gustavo Wasa#
Interessant in diesem Zusammenhang ist es, dass das Theater in Erfurt am 5. 5. 2007 eine einmalige Aufführung von Gustavo Wasa, Libretto von Carlo d'Ormeville, nur mit Klavierbegleitung bringt. Über diese Oper ist sehr wenig bekannt. Im Gegensatz zu Verdis Un ballo in maschera, Mercadantes II reggente und Aubers Gustave troisieme, also überall Gustav III. von Schweden, steht hier der schwedische Freiheitskämpfer und spätere Gustav I. im Mittelpunkt. Die Vorgänge während des Freiheitskampfes Schwedens von Dänemarks Okkupation und die Thronbesteigung des rechtmäßigen Herrschers sind Inhalt dieser romantischen, nach den Beschreibungen groß angelegten Oper, in der auch eine opferbereite Frau eine wichtige Rolle spielt.
Ein wirklich gültiges Urteil über diese Oper wird man allerdings aller Voraussicht nach auf Grund der "mageren" Begeleitung durch das Klavier, nicht fallen können, da gerade bei Marchetti die Instrumentierung die Wirkung seiner Opern ausmacht.
Opern#
- Gentile di Varanno
- La demente
- II paria
- Romeo e Giulietta (1865)
- Ruy Blas (1869)
- Gustavo Wasa (1875)
- Don Giovanni d'Austria (1880)
Tonträger-Empfehlungen von Dr. Georg Halper, März 2017#
- Romeo und (e) Giulietta: Daolio, Iuliano, Cassi, Cletta, Solari; Dir.: Yurkevych
- Ruy Blas: Malagnini, Theodossiou, Marini; Dir.: Lipton