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unbekannter Gast

Andrea Chenier#

von Umberto Giordano#


Von

Georg Halper


Diese vieraktige Oper, die drei Opern davor, („Mariana“ [unaufgeführt], „Mala Vita“ [„Il Voto“] und „Regina Diaz“ waren erfolglos, erlebte die Uraufführung im Jahr 1896 in Mailand, an der berühmten „Scala“. Die nachfolgenden Opern sind: „Fedora“ [sie wird noch selten gespielt], „Siberia“, „Marcella“, „Mese Mariano“, „Madame Sans-Gêne“ (spielt auch in der Zeit der Französischen Revolution“), „La Cena delle Beffe“ und „Il Re“.

Gemeinsam mit Alberto Franchetti schuf er „Giove a Pompei“ – unvollendet blieb „La Feste del Nilo“.Wirklich „überlebt“ hat eigentlich nur sein „Andrea Chenier“, der auch heute noch an vielen Opernhäusern aufgeführt wird.
Der „Andrea Chenier“ spielt in Paris in den Jahren 1789 – 1794, also zur Zeit der Französischen Revolution.

Die Personen der Handlung sind:#

Andrea Chenier, Dichter (Tenor),
Charles Gerard, Diener bei Coigny (Bariton),
Gräfin Coigny (Mezzosopran),
Maddalena, ihre Tochter (Sopran),
Bersi, ihre Vertraute, Mulattin (Sopran),
Roucher, Cheniers Freund (Bass),
Matthieu, ein Sansculotte (Bass),
Fouquier Tinville, öffentlicher Ankläger (Bass),
Dumas, Präsident des Tribunals (Bass),
Spitzel (Tenor),
Fléville, Dichter (Bass),
Abbé (Tenor),
Schmidt, der Gefängnisschließer (Bass),
Majordomus (Bass),
alte Madlon (Alt).

Inhalt der Oper:#

1. Akt: Im Schloß Coigny wird ein rauschendes Fest gefeiert. Charles Gerard, Diener im Schloss - auch dessen Vater dient dort, liebt heimlich Maddalena (Madeleine), die Tochter des Hauses. Er sagt der verhassten vornehmen Gesellschaft den baldigen Untergang voraus. Ein Abbé bringt Nachrichten, die sehr beunruhigend sind. Das Volk sei schon aufrührerisch, obwohl der König den dritten Stand genehmigt habe.

Der Dichter Fleville führt einen jungen Dichter, Andrea Chenier, ein. Chenier zeichnet ein realistisches Bild der Nöte Frankreichs, Er beschreibt die Armut des Volkes und bekrittelt die Leichtfertigkeit des Adels. Nur Maddalena nimmt diese Schilderungen ernst, während Cheniers Worte die anderen empören; sie halten alles für eine jugendliche Schwärmerei. Gerard führt arme Bauern, die ihr Leid klagen und um Brot bitten, in den Festsaal. Gerard, auf Seiten der Revolutionäre, und das Volk werden aus dem Saal gewiesen. Dann geht das Fest weiter.

2. Akt: Fünf Jahre später ist der Höhepunkt der Revolution erreicht – Robespierre regiert. Chenier und sein Freund Roucher sitzen in einem Pariser Café. Chenier steht auf der Proskriptionsliste; Roucher, der ihm einen Pass besorgt hat, rät ihm zur Flucht. Chenier will aber noch auf eine Unbekannte, von der er etliche Briefe erhalten hat, warten. Ein Spitzel hat von der Verbindung von Chenier zu Bersi, der Vertrauten der Unbekannten (= Maddalena) erfahren und eilt, seinen Auftraggeber, Gerard, zu informieren. Währenddessen erscheint die Unbekannte und bittet um Schutz. Beide gestehen einander ihre Liebe. Und schon erscheint Gerard, der vom Spitzel informiert wurde. Er fordert Maddalena für sich. Chenier verwundet seinen Widersacher, Roucher führt Maddalena fort. Gerard weiß, wer ihn verwundet hat, erklärt aber der Polizei, es sei ein Unbekannter gewesen.

3. Akt: Gerard, wieder genesen, erfährt, dass Chenier verhaftet worden ist. Gerard bereitet die Anklage gegen Chenier vor. Er hofft, dass der Weg zu Maddalena frei ist, sobald Chenier verurteilt ist. Wie erwartet kommt Maddalena, bittet um das Leben ihres Geliebten und schildert ihr nun so trauriges Leben. Maddalena will sich für Chenier opfern, wenn Gerard sie begehrt. Gerard erkennt seine Schuld und versucht Chenier zu retten. Aber es ist zu spät. Obwohl sich Chenier mutig gegen die Anklage des Hochverrates verteidigt, wird er vom Tribunal zum Tod verurteilt und abgeführt.

4. Akt: Chenier ist im Gefängnis von Saint Lazare. Gerard möchte Cheniers Begnadigung durchsetzen und geht zum Tribunal; während dessen liest Roucher gemeinsam mit Chenier dessen letzte Verse. Über Vermittlung von Gerard darf Maddalena Chenier besuchen. Maddalena, die gemeinsam mit Chenier sterben will, besticht den Gefängniswärter – sie nimmt den Platz von Madame Legray ein. Nochmals bekennen sie ihre Liebe und besteigen gemeinsam den Wagen, der sie zur Guillotine bringt. Das historische Liebesdrama ist leidenschaftlich, packend und mit großartiger Musik ausgestattet. Meist genannt wird der Titel „La Mamma Morta“, den Maddalena de Coigny im 3. Akt, wenn sie bei Gerard „vorspricht“, singt – „La Callas“ hat ihn im Film „Philadelphia“ gesungen und damit „unsterblich“ gemacht.

La mamma morta
m´hanno alla porta
della stanza mia;
moriva e mi salvava!
Poi a notte alta io con Bersi errava,
quando ad un tratto
un livido bagliore
guizza e rischiara
innanzi a´passi miei la cupa via!
Guardo!
Bruciava il loco di mia culla!
Cosi fui sola!
(Meine Mutter haben sie an der Tür meines Zimmers umgebracht; sie starb und rettete mich! In tiefer Nacht irrte ich dann mit Bersi umher, als plötzlich ein fahles Licht aufleuchtete und den dunklen Weg vor meinen Füßen erhellte! Ich blickte auf! Die Stätte meiner Geburt stand in Flammen! Somit war ich allein! ….)

Aber vor allem drei Arien des Andrea Chenier sind „Ohrwürmer“:#

1. Sein großer Auftritt im 1. Akt:

Colpito qui m´avete ov´io geloso celo
il piú puro palpitar dell´anima.
Or vedrete, fanciulla,
qual poema é la parola „Amor“,
qui causa di scherno!
(Ihr habt mich dort verletzt, wo eifersüchtig ich der Seele reinste Regungen verberge. Nun sollt ihr sehen, Mädchen, welche Dichtung die Liebe ist, das Wort das hier verhöhnt wird!). Und direkt im Anschluss daran
Un di all´azzurro spazio
guardai profondo,
e ai prati colmi di viole,
pioveva l´oro il sole,
e folgrava d´oro il mondo
parea la terra un immane tesor,
e a lei serviva di scrigno il firmamento.
(Eines Tages blickte ich versonnen in das tiefe Blau des Himmels. Auf die veilchenübersäten Wiesen strahlte die goldene Sonne herab. In Gold getaucht war die ganze Welt; sie war für mich ein unermesslicher Schatz, sein Schrein war das Firmament.)
Als man noch auf Deutsch gesungen hat, hat das so „geklungen“: Einst blickt´ ich auf zum Himmel, dem unermesslich blauen, und auf die Wiese, die von Blumen voll, ergoss die Sonne ihr Gold, und goldbeglänzt war alle Welt;

2. Seine Verteidigungsrede im 3. Akt

Si, fui soldato
e glorioso affrontato ho la morte
che, vile, qui mi vien data.
Fui letterato,
ho fatto di mia penna arma feroce
contro gli ipocriti!
Con la mia voce
Ho cantato la patria! ……“
(Ja, ich war Soldat und blickte stolz dem Tod ins Auge, der mich nun hier schändlich ereilen soll. Ich war ein Dichter, meine Feder war eine scharfe Waffe gegen die Heuchelei! Mit meiner Stimme habe ich das Vaterland besungen!)

3. Sein Abschied im 4. Akt mit

Come un bel dì di maggio
che con bacio di vento
e carezza di raggio
si spegne in firmamento,
col bacio in d´una rima,
carezza di poesia,
salgo l´estrema cosa
dell´esistenza mia.
(Wie ein Frühlingstag, vom Wind geküsst und von Sonnenstrahlen liebkost, am Horizont zur Neige geht, ersteige ich den Gipfel meines Lebens, von einem Reim geküsst und von der Poesie liebkost)
Der ursprünglich auf Deutsch gesungene Text lautete: Gleich einem Frühlingstage, der, vom Wind geküsst, von der Sonne liebkost, am Himmel vergeht…..

Und auch Gerards große Arie im 3. Akt ist ein „Schlager“!

Nemico della Patria?!
E vecchia fiaba che beatamente
ancor la beve il popolo.
Nato a Costantinopoli?
Straniereo!
Studió a Saint Cyr? Soldato!
Traditore!
(Feind des Vaterlands? Wie gern sich das Volk doch immer wieder diese alte Geschichte anhört! Geboren in Konstantinopel!? Ein Ausländer! Studium in Saint-Cyr? Soldat? Verräter!
Dies sind einige Worte aus der von Gerard zu verfassenden „Anklageschrift“ – und die andere „Textversion“: „Feind des Vaterlandes? Ein altes Märchen, doch glücklicherweise schluckt es das Volk immer hinunter. In Konstantinopel geboren? Ausländer! Hat in Saint-Cyr studiert? Soldat! Verräter!“
Hier ist auch ein wenig Historisches zu hören durch den Hinweis auf Cheniers Geburtsort.
Standesunterschiede (Adel – Dichter; Diener – Adel) sind in der Oper sehr beliebt.

Wer aber war der historische Andrea Chenier?#

Eigentlich hieß er André Marie Chénier, manchmal auch André de Chénier. Er wurde als viertes von fünf Kindern eines südfranzösischen Tuchhändlers namens Louis de Chénier und dessen Gattin Elisabeth Lomaca, einer Frau mit griechischen Wurzeln, am 29. Oktober 1762 in Galata bei Istanbul/Konstantinopel geboren. Bereits 1765 kehrte die Familie nach Frankreich zurück. Der Vater ging als französischer Konsul nach Salé in Marokko, während dessen Frau mit den drei älteren Kindern in Paris blieb. André und dessen Bruder Marie-Joseph wurden zu einem Onkel, ebenfalls ein Tuchhändler, nach Carcassone in Pflege gegeben. In Carcassone (Unterstadt) steht dieses Haus noch – und man kann es von außen sehen. André war Verfasser von Lyrik. Da er von seiner Schriftstellerei nicht leben konnte, ging er als Sekretär des französischen Botschafters 1787 nach London. Ab 1790 war er wieder in Paris. Nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. 1793 flüchtete er aus Paris, wurde jedoch 1794 in der Nähe von Paris verhaftet und zum Tode verurteilt. In der Haft schrieb er Gedichte, u. a. die berühmte „Ode à une jeune captive“, die er mit Schmutzwäsche aus dem Gefängnis schmuggeln konnte. Sein Bruder Marie-Joseph war Abgeordneter des Nationalkonvents, konnte André aber nicht helfen, da er selbst bei Robespierre in Ungnade gefallen war. So wurde André am 25. Juli 1794, 31-jährig guillotiniert – zwei Tage vor dem Sturz Robbespierres und des Großen Terrors.
Ein Stoff, der sich für jede Oper eignet! Spannung pur wird in dieser Dramaturgie aufgebaut. Herrliche Musik mit historischen Tänzen und Liedern – so erscheint die Handlung auf der Bühne authentisch. Großartige Duette und Arien machen diese Liebesoper einzigartig.

Hörenswerte Aufnahmen (natürlich eine nicht vollständige Liste!):#

1952: Chenier: Gino Sarri, Gerard: Manca Serra, Maddalena: Franca Sacchi, Madelon: Lucia Danieli, Roucher: Carlo Platani. Orchester und Chor der Römischen Oper; Dirigent: Alberto Paoletti
1955: Chenier: Mario del Monaco, Gerard: Aldo Protti, Maddalena: Maria Callas, Madelon: Lucia Danieli, Roucher: Enrico Campi
Chor und Orchester der Mailänder Scala; Dirigent: Antonino Votto
1960: Chenier: Franco Corelli, Gerard: Ettore Bastianini, Maddalena: Renata Tebaldi, Bersi: Margareta Sjöstedt, Madelon: Hilde Konetzni, Roucher: Edmond Houshell
Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Dirigent: Lovro von Matacic
1960: Chenier: Richard Tucker, Gerard: Ettore Bastianini, Maddalena: Renata Tebaldi, Bersi: Margaret Roggero, Madelon: Belen Amparan, Roucher: Frank Valentini
Chor und Orchester der MET; Dirigent: Fausto Cleva
1964: Chenier: Franco Corelli, Gerard: Mario Sereni, Maddalena: Antonietta Stella, Bersi: Stefania Malagu, Madelon: Anna di Stasio, Roucher: Giuseppe Modesti
Chor und Orchester der Römischen Oper; Dirigent: Gabriele Santini
1970: Chenier: Mario del Monaco, Gerard: Ettore Bastianini, Maddalena: Renata Tebaldi, Bersi: Fiorenza Cossotto, Madelon: Amelia Guidi, Roucher: Silvio Maionica
Chor und Orchester der Accademia die Santa Cecilia, Rom; Dirigent: Gianandrea Gavazzeni
1972: Chenier: Carlo Bergonzi, Gerard: Aldo Protti, Maddalena: Raina Kabaiwanska, Bersi: Laura Zanini, Roucher: Alfredo Mariotti
Chor und Orchester des Teatro La Fenice, Venedig; Dirigent: Paolo Peloso
1984: Chenier: Luciano Pavarotti, Gerard: Leo Nucci, Maddalena: Montserrat Caballé, Bersi: Kathleen Kuhlmann; Madelon: Christa Ludwig, Roucher: Tom Krause
Chor und Orchester der Welsh National Oper; Dirigent: Riccardo Chailly
1987: Chenier: José Carreras, Gerargd: Giorgio Zancanaro, Maddalena: Eva Marton, Madelon: Eva Farkas, Bersi: Klara Takacs, Roucher: Franco Federici
Ungarisches Staatsorchester Chor von Radio und TV Ungarn; Dirigent: Giuseppe Patané
2005: Chenier: Fabio Armiliato, Gerard: Carlo Guelfi, Maddalena: Daniela Dessi, Madelon: Viorica Cortez, Bersi: Rossana Rinaldi, Roucher: Enzo Capuano
Chor und Orchester Sinfonico Mailand; Dirigent: Vjekoslav Sutej