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vom 16.04.2020, aktuelle Version,

Andrija Štampar

Andrija Štampar 1938

Andrija Štampar (* 1. September 1888 in Brodski Drenovac bei Pleternica, Slawonien, Königreich Kroatien und Slawonien; † 26. Juni 1958 in Zagreb, Jugoslawien) war ein jugoslawischer Mediziner.

Leben und Wirken

Andrija Štampar wuchs in Brodski Drenovac, einem kleinen Dorf in einer ländlichen Region als Sohn des Dorfschullehrers auf. Aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse gab es in diesem Dorf eine hohe Kindersterblichkeit, gegen die schon seit Vater, Ambroz Štampar, anzukämpfen versuchte.[1] Von 1898 bis 1906 besuchte Andrija Štampar das Gymnasium in Vinkovci. Ab 1906 studierte er Medizin an der Universität Wien und er schloss dieses Studium am 23. Dezember 1911 mit einer Dissertation ab. Schon als Student interessierte er sich für Fragen der Gesundheitspolitik und er begann mit der Veröffentlichung einer Reihe, die «Öffentliche Gesundheitsbibliothek» genannt wurde und in der Fragen der Vorbeugung und der Aufklärung behandelt wurden. In Wien hörte er auch Vorlesungen über Sozialmedizin bei Ludwig Teleky. Vom 1. Januar 1912 bis zum 8. August 1913 arbeitete Štampar als Arzt im Stadtkrankenhaus von Karlovac. Durch Verordnung des Präfekten des Bezirks Požega wurde er 1913 zum Bezirksarzt von Nova Gradiška ernannt.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Jugoslawien weitgehend zerstört und Epidemien bedrohten die Bevölkerung. In dieser Situation wurde Štampar mit der Leitung der Hygiene-Abteilung des jugoslawischen Gesundheitsministeriums in Belgrad betraut. Bis 1930 baute das Ministerium mehr als 250 mit dem Gesundheitssystem verbundene Institutionen auf, von zentralen Forschungs- und Verwaltungszentren in jeder Provinz bis zu hunderten von «Gesundheitszentren» auf dem Land. Mit der Unterstützung der Rockefeller-Stiftung eröffnete er 1927 eine «Schule für Öffentliches Gesundheitswesen» und ein Hygiene-Institut in Zagreb. Eine Besonderheit der «Schule für Öffentliches Gesundheitswesen» war die Einrichtung einer «Bauern-Universität», an der Dorfbewohner über drei bis fünf Monate geschult wurden, bevor sie mit medizinischem Grundwissen in ihre Dörfer zurückkehrten. Štampars Arbeit fand Opposition insbesondere bei ärztlichen Kollegen, die ihr Behandlungsmonopol gefährdet sahen. Er überlebte zwei Mordanschläge und Politiker wurden gegen ihn mobilisiert.

Nachdem 1929 in Jugoslawien eine monarchistische Diktatur etabliert worden war, wurde Štampar 1930 von seinem Amt als Direktor des Belgrader Gesundheitsministeriums entbunden. In der Folge arbeitete er für die Gesundheitsorganisation des Völkerbundes und reiste von 1931 bis 1933 in Europa und in den USA. Im Auftrag des Völkerbundes arbeitete er von 1933 bis 1936 beim Aufbau des Gesundheitssystems in China mit. Bei seiner Rückreise von China über Moskau 1936 begegnete er dort dem Medizinhistoriker Henry E. Sigerist, mit dem er fortan freundschaftlich verbunden war und dem er im Herbst 1938 einen Überblick über das Jugoslawische Gesundheitswesen verschaffte. Von 1938 bis 1939 lehrte Štampar an Universitäten in den USA und in Kanada über Hygiene und über Sozialmedizin.[2]

Gesundheitszentrum in Lukovica 1938

In neun Thesen fasste Štampar 1938 seine Sicht zu Fragen des Gesundheitswesens zusammen:

  1. Die Unterrichtung der Menschen ist wichtiger als die Festlegung von Gesetzen. Daher basiert unsere Arbeit in Jugoslawien lediglich auf drei kurzen Gesetzen.
  2. Es ist sehr wichtig, dass eine korrekte Einstellung der Gesellschaft zu Fragen des Gesundheitswesens vorbereitet wird.
  3. Fragen des Gesundheitswesens und die Arbeit, die getan werden muss, um dieses voranzubringen, sind kein Monopol der Ärzteschaft. Jeder ohne Unterschied sollte daran beteiligt sein. Nur durch diese allumfassende Zusammenarbeit wird das Gesundheitswesen verbessert.
  4. Der Arzt sollte vor allem Sozialarbeiter sein. Individuelle Therapie allein bringt ihn nicht weit – allein soziale Therapie führt zu wirklichen Errungenschaften.
  5. Ein Arzt sollte in ökonomischer Hinsicht nicht von seinen Patienten abhängig sein, denn dadurch würde er in seinen wesentlichen Aufgaben behindert.
  6. Im öffentlichen Gesundheitswesen sollte kein Unterschied zwischen Reichen und Armen gemacht werden.
  7. Es ist notwendig, ein Gesundheitssystem aufzubauen, in dem der Arzt den Patienten auswählt und nicht der Patient den Arzt. Nur so kann die beständig zunehmende Zahl derjenigen in unsere Obhut genommen werden, deren Gesundheit wir schützen sollten.
  8. Der Arzt sollte Lehrer des Volkes sein.
  9. Fragen des Gesundheitssystems haben mehr ökonomische als humanitäre Bedeutung. Hauptarbeitsplatz des Arztes ist der Aufenthaltsort der Menschen – dort wo sie leben und arbeiten – und nicht das Labor oder das ärztliche Sprechzimmer.[3]

Als die politischen Verhältnisse in Jugoslawien sich 1939 erneut veränderten, kehrte Štampar nach Zagreb zurück und übernahm die Lehrstühle für Hygiene und Soziale Medizin. 1940–1941 war er Dekan der Medizinschule. Der Einmarsch der Wehrmacht im April 1941 führte zu seiner Verhaftung. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1945 war er in Graz inhaftiert.

Im Mai 1945 wurde er wieder Professor an der Zagreber Medizinschule und Direktor der «Schule für Öffentliches Gesundheitswesen». 1945 bis 1946 war er Rektor der Universität Zagreb, 1952 bis 1957 Dekan der Medizinischen Fakultät.

Štampar war einer der Gründer der WHO und er war aktiv am Aufbau von Gesundheitssystemen in Afghanistan, Ägypten, Sudan und Äthiopien beteiligt.

Die 1946 in der Präambel der WHO-Konstitution aufgeführte Definition von Gesundheit als

„Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht lediglich als das Fehlen von Krankheit und Schwäche“ [4]

geht auf einen Vorschlag von Andrija Štampar zurück.

1948 war er der Vorsitzende der ersten WHO-Generalversammlung in Genf und er arbeitete bis zu seinem Tod aktiv in der WHO.

Literatur

  • Henry E. Sigerist. Yugoslavia and the XI-th International Congress of the History of Medicine. In: Bulletin of the History of Medicine. Baltimore, Band 7 (1939), S. 99–147. Darin: S. 138–147 Andrija Štampar
  • Henry van Zile Hyde. A tribute to Andrija Štampar, M. D., 1888–1958. In: American Journal of Public Health Nations Health 1958 Dezember; 48 (12), S. 1578–1582, PMC 1551853 (freier Volltext)
  • Theodore M. Brown und Elizabeth Fee. Andrija Štampar. Charismatic leader of Social Medicine and International Health. In: American Journal of Public Health 2006 August; 96(8): 1383, PMC 1522122 (freier Volltext)
Commons: Andrija Štampar  – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eva Martinovic: Andrija Štampar . In: Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte - Who was Who in Nursing History, Band neun, Hpsmedia GmbH Nidda, 2020, S. 233 f.
  2. Henry E. Sigerist. Yugoslavia and the XI-th International Congress of the History of Medicine. In: Bulletin of the History of Medicine. Baltimore, Band 7 (1939), S. 138
  3. Andrija Štampar. Public health in Jugoslavia. London 1938, S. 9 zitiert nach Henry E. Sigerist. Yuguslavia and the XI-th International Congress of the History of Medicine. In: Bulletin of the History of Medicine. Baltimore, Band 7 (1939), S. 140–141: „… (1) The education of the people is more important than laws, and for this reason our work (in Yugoslavia) is based upon three small laws only. (2) It is most important to prepare a correct attitude of society towards questions of public health. (3) The question of public health and the work done for its advancement is not a monopoly of the doctors; but everyone, without distinction, should take part in it. It is only by means of this universal co-operation that public health can improve. (4) A doctor should be mainly a social worker; he cannot go far with individual therapy alone – social therapy provides the means that can lead him to real achievement. (5) A doctor should not economically depend on his patients, because such dependence hinders him in the most fundamental of his tasks. (6) In respect of the public health no distinction should be made between the rich and the poor. (7) It is necessary to create a health organization in which the doctor shall seek out the patient, and not the patient the doctor, for it is only by so doing that the ever-increasing numbers of those whose health we should protect can be included in our care. (8) A doctor should be a teacher of the people. (9) The question of public health has more of an economic than a humanitarian significance. The chief place for a doctor’s work is in the dwellings of the people – the places where men live and work – and not in laboratories or in a doctor’s consulting-rooms. ...“
  4. Verfassung der Weltgesundheitsorganisation, deutsche Übersetzung (PDF; 533 kB) („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“)