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vom 01.09.2022, aktuelle Version,

Bildung krimineller Vereinigungen

Die Bildung krimineller Vereinigungen ist eine Straftat, die in Deutschland in § 129 StGB normiert ist und mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Unter einer kriminellen Vereinigung im Sinne der Vorschrift versteht man einen auf Dauer angelegten Zusammenschluss von mindestens drei Personen, dessen Zweck oder Tätigkeit darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen.[1]

Rechtslage in Deutschland

Hintergrund und Einzelheiten

Mit der kriminellen Vereinigung befassen sich das Grundgesetz in einer abstrakten Verbotserklärung (Art. 9 Abs. 2 GG), das öffentliche Vereinsrecht, das die ordnungsbehördliche Umsetzung des Verbots und die Auflösung der kriminellen Vereinigung regelt (§ 3 VereinsG), und das Strafrecht, das sowohl die Bildung einer kriminellen Vereinigung als auch die Beteiligung an ihr unter Strafe stellt.

Der Tatbestand findet sich im Strafgesetzbuch im Abschnitt der Straftaten gegen die öffentliche Ordnung und soll vor allem Organisationsdelikte erfassen.

Für besonders schwere Fälle sieht der vierte Absatz der Norm Verschärfungen vor. Im ersten Halbsatz wird das Mindestmaß der Strafe für zwei benannte (Rädelsführer und Hintermänner) sowie unbenannte Fälle auf sechs Monate erhöht, während das Höchstmaß unverändert bleibt. Ist der Zweck des Zusammenschlusses hingegen auf besonders schwere Straftaten gerichtet, die im Katalog des § 100c Abs. 1 Nr. 1 der Strafprozessordnung genannt sind, liegt die Höchststrafe bei zehn Jahren.

Nach herrschender Meinung muss von der Vereinigung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen, um den Tatbestand zu erfüllen. So wurde für entschlossene Hausbesetzer, die sich verbarrikadierten, um ihren (rechtswidrigen) Besitz zu sichern, für geplante Wirtschaftsstraftaten mit einem Unternehmen sowie für Vereinigungen, die unerlaubte Glücksspiele veranstalten wollten, keine Strafbarkeit angenommen. Die erhebliche Gefahr wurde hingegen in einem Fall bejaht, bei dem sich Personen zum Zwecke öffentlichkeitswirksamer, ausländerfeindlicher Sachbeschädigungen zusammengeschlossen hatten.[2]

Funktion und Entwicklung

Das Rechtsgut der Norm ist nach herrschender Meinung die öffentliche Sicherheit und Ordnung.[3] Im Wesen organisierter Kriminalität liegt es, dass ihren Akteuren konkrete Tatbeiträge zu den tatsächlich verübten Verbrechen oft faktisch nicht nachgewiesen werden können. Je weiter sich die rechtsstaatlichen Ansprüche an einen positiven Schuldbeweis entwickelten, desto unbefriedigender wurden daher die Ergebnisse bei der Strafverfolgung gerade von Drahtziehern und Hintermännern bei bandenmäßig begangenen Delikten. In den meisten Rechtsordnungen versuchte man daher, Auffangtatbestände für diese Art der Kriminalität zu schaffen.

In den USA etwa behalf man sich damit, die sogenannte „Verschwörung zum Diebstahl“ o. ä. unter Strafe zu stellen, in Deutschland löste man das Problem dadurch, dass man 1871 mit Schaffung des Reichsstrafgesetzbuchs in § 129 die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung unter Strafe stellte.

Bald darauf wurde der Straftatbestand jedoch auch eingesetzt, um Sozialisten und Sozialdemokraten zu verfolgen. Im Nationalsozialismus erreichte der Missbrauch der Vorschrift zur Bekämpfung Oppositioneller ihren Höhepunkt. Praktisch jeder Andersdenkende, der sich mit anderen zusammentat, wurde mit der Begründung, er plane die Bildung einer kriminellen Vereinigung, kriminalisiert.

Der Straftatbestand wurde im Laufe seiner Geschichte mehrfach erweitert. Ursprünglich stand nur die Bildung einer kriminellen Vereinigung unter Strafe, später wurden noch die Unterstützung und 1964 die Werbung neuer Mitglieder oder Unterstützer für eine kriminelle Vereinigung unter Strafe gestellt.

Betroffen von Ermittlungsverfahren und Verurteilungen waren in den ersten Jahren der Bundesrepublik vor allem Gegner der Wiederaufrüstung und Kommunisten. In der Zeit von 1950 bis 1968 gab es über 100.000 Ermittlungsverfahren und etwa 10.000 Verurteilungen wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung.

In den siebziger Jahren wurde der Straftatbestand gegen die Mitglieder und Unterstützer der Rote Armee Fraktion (RAF) angewandt. Um die zum Teil uferlose Anwendung der Vorschrift einzuschränken und um zwischen Vereinigungen mit kriminellen Hintergrund und solchen mit politischen terroristischen Motiven zu differenzieren, wurde 1976 § 129a StGB eingeführt. In ihm wird die Bildung und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung unter Strafe gestellt; eine Abgrenzung der Begriffe ist dabei noch offen.

Durch das 34. Strafrechtsänderungsgesetz vom 22. August 2002[4] ist der Anwendungsbereich geändert und teilweise eingeschränkt worden. Im Zuge der Terrorismusbekämpfung nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 wurde durch den neu geschaffenen § 129b StGB die Unterstützung auch ausländischer krimineller und terroristischer Vereinigungen in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen.

Heute ist die Bedeutung der Vorschrift im Vergleich zu früher gesunken. Insbesondere die Zahl der Verurteilungen ist rückläufig. In etwa fünf Prozent aller Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wird Anklage erhoben, etwa ein Prozent führt zur Verurteilung. Aus diesem Grund wird die Norm mitunter auch als Schnüffelparagraph bezeichnet, da die allermeisten Verfahren eine staatliche Überwachung im Milieu der fast beliebig auswählbaren Betroffenen legalisieren, ohne dass diese sich (schon mangels Kenntnis des Verfahrens) dagegen wehren könnten. Ein geringfügiger Anfangsverdacht ist ausreichend, um weitreichende Ermittlungsbefugnisse zu erhalten. Häufig führen die Ermittlungen zu so genannten Zufallsfunden.

Rechtslage in Österreich

Im österreichischen Strafrecht ist die kriminelle Vereinigung in den § 278 ff. des österreichischen StGB geregelt. Die Bildung einer kriminellen Vereinigung gehört zu den opferlosen Straftaten.

Die kriminelle Vereinigung ist mit einer Strafandrohung bis zu drei Jahren in § 278 StGB definiert. Unternehmensähnliche Verbindungen sind im § 278a StGB als kriminelle Organisationen mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren bedroht. Diese beiden Delikte sind auf die organisierte Kriminalität zugeschnitten. Der § 278a StGB sorgte durch seine Anwendung in Österreich schon in zwei Fällen, der „Operation Spring“ und dem „Wiener Neustädter Tierschützerprozess“, für massive öffentliche und fachliche Kritik.

Kritiker fordern seine Überarbeitung, da sein Anwendungsbereich zu weit sei. Im Dezember 2009 wurde eine Überarbeitung und eine weitere Verschärfung angekündigt. So soll zum Beispiel das Gutheißen einer terroristischen Straftat (wie z. B. Mord, Körperverletzungen, schwere Nötigung, gefährliche Drohung, schwere Sachbeschädigung und vorsätzliche Gemeingefährdungsdelikte) selbst unter Strafe gestellt werden.[5]

Die terroristische Vereinigung § 278b StGB ist auf Bekämpfung und Verhinderung von terroristischen Straftaten ausgelegt.

Literatur

  • Philipp H. Schulte: Terrorismus und Anti-Terrorismus-Gesetzgebung – Eine rechtssoziologische Analyse, Waxmann-Verlag, Münster 2008, ISBN 978-3-8309-1982-7.

Einzelnachweise

  1. Thomas Fischer, § 129, Bildung krimineller Vereinigungen, Rn. 6, in: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, C. H. Beck, München 2012, S. 914.
  2. Thomas Fischer, § 129, Bildung krimineller Vereinigungen, Rn. 12–13, in: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, C. H. Beck, München 2012, S. 915–916.
  3. Thomas Fischer, § 129, Bildung krimineller Vereinigungen, Rn. 2, in: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, C. H. Beck, München 2012, S. 913.
  4. BGBl. I S. 3390.
  5. Terrorismuspräventionsgesetz 2010

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