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vom 04.09.2019, aktuelle Version,

Edward Timms

Edward Timms (1937 in Windlesham, England21. November 2018[1] in Brighton) war Professor für Germanistik an der Universität Sussex und Gründungs-Direktor des Centre for German-Jewish Studies. Als Literaturwissenschaftler und Kulturhistoriker mit Schwerpunkt Karl Kraus und die Wiener Moderne um 1900 gehörte er zu den bedeutenden Germanisten des anglosächsischen Raums.

Biografie und Forschungsschwerpunkte

Eine Beziehung zum Judentum entstand bereits in Timms frühester Kindheit, als seine Eltern, ein Pastorenpaar der anglikanischen Kirche, 1939 ein jüdisches Flüchtlingsmädchen aus Deutschland namens Hilde bei sich aufnahmen. Aufgewachsen im Schatten des Zweiten Weltkriegs mit einem eher negativen Deutschlandbild war es für den Schüler Timms eine große Überraschung, als ihm im Internat eröffnet wurde, dass er als eines seiner Hauptfächer Deutsch studieren würde. Nur mühevoll konnte er sich am Anfang mit dieser Sprache anfreunden, erst später verstand er, dass sein Sprachgefühl wohl Hilde zu verdanken war, die ihn mit deutschen Wiegenliedern in den Schlaf gesungen hatte.

Anschließend studierte Edward Timms von 1956 bis 1962 Germanistik und Romanistik an der Universität Cambridge und promovierte über Karl Kraus unter dem tschechisch-englischen Germanisten Joseph Peter Stern.[2]

Als Lecturer in Deutsch und Fellow des Gonville and Caius College unterrichtete er 25 Jahre lang im German Department der Universität Cambridge, wo er sich besonders für österreichische Studien engagierte. 1990 gründete er gemeinsam mit seinem Mit-Herausgeber Ritchie Robertson das Jahrbuch „Austrian Studie“, von dem bisher 25 Ausgaben erschienen sind. Das Periodikum beschäftigt sich mit Themen, die von „The Austrian Enlightenment“ (1991) über "Theodor Herzl and the Origins of Zionism" (1997) bis zu „Elfriede Jelinek in der Arena“ (2014) reichen.

Der Umfang seiner Interessen wurde nach seiner Berufung auf eine Professur an der Universität Sussex wesentlich erweitert. Dies wurde bereits bei seiner Antrittsvorlesung 1994 deutlich, deren Thema „The Wandering Jew: A Leitmotif in German Literature and Politics“ war. Anschließend wurde unter seiner Leitung das Centre for German-Jewish Studies gegründet, an dem er fortdauernd mitwirkte.

Timms ist vor allem für seine Forschungen über die Juden Wiens im frühen 20. Jahrhundert bekannt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt lag auf der Frühgeschichte der Psychoanalyse und den Auswirkungen der Freudschen Traumtheorie. Eigene Traumaufzeichnungen gehören zum festen Grundbestand von Timms Bibliothek.

Als Professor an der Universität Sussex betreute er vor allem die Forschung von Doktorats-Studenten und Post Docs über ein weites Feld von Themen, begonnen bei der „Wissenschaft des Judentums“ bis zu den Erlebnissen der „Kindertransport“-Kinder.

Zu seinen Aufgaben gehörte auch die Förderung des akademischen Nachwuchses durch kollaborative Forschungsprojekte, die zu einer Reihe von Publikationen führte. Dazu gehören Bücher über zwei Überlebende des Holocaust, den Künstler Arnold Daghani und den Schriftsteller Jakov Lind, Studien über „Pictorial Narrative in the Nazi Period“ und „Nationalist Myths and Modern Media“.

Bei der Yale University Press sind inzwischen sowohl seine zweibändige Biografie über „Karl Kraus Apocalyptic Satirist“ erschienen als auch die von Timms herausgegebenen Memoiren von Fritz Wittels unter dem Titel „Freud and the Child Woman“. Zusätzlich verfasste Timms 1999 zusammen mit seiner Ehefrau Saime Göksu die Biografie „Romantic Communist“ des türkischen Dichters Nâzım Hikmet, die auch in türkischer Übersetzung erschienen ist.

Einen Überblick über seine Erfahrungen vermittelt seine 2011 erschienene Autobiografie „Taking up the Torch – English Institutions, German Dialectics and Multicultural Commitments“, die sich auf persönlicher Ebene auch mit den Folgen einer progressiven Form von Multipler Sklerose auseinandersetzt.

Auch im fortgeschrittenen Alter war Edward Timms wissenschaftlich aktiv. 2013 veröffentlichte er seine illustrierte Darstellung der Wiener Moderne unter dem Titel „Dynamik der Kreise, Resonanz der Räume“ (Bibliothek der Provinz). Bei der Buchpräsentation in Wien wurde Timms das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien verliehen.

Während des akademischen Jahres 2015/16 erschienen drei weitere Publikationen. Gemeinsam mit Fred Bridgham übersetzte Timms die erste komplette englische Edition von Karl Kraus, „Die letzten Tage der Menschheit“ (The Last Days of Mankind, Yale University Press).

Hinzu kam eine Monografie über „Anna Haag and her Secret Diary of the Second World War“, welche die von Jennifer Bligh gescannten Originaltagebücher aus dem Stuttgarter Stadtarchiv auswertete (Peter Lang); und zuletzt „Karl Kraus – die Krise der Nachkriegszeit und der Aufstieg des Hakenkreuzes“, die deutsche Edition des 2. Bandes von „Karl Kraus Apocalyptic Satirist“, die unter Timms Anleitung von Brigitte Stocker übersetzt wurde (Bibliothek der Provinz).

Am 10. Juni 2016 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein umfassendes Porträt über Edward Timms, in dem besonders sein Engagement für Karl Kraus unter dem Titel „Das geheime Muster des Karl Kraus“ gewürdigt wurde.

Edward Timms starb im November 2018 im Alter von 81 Jahren.

Im März 2019 erschien im Scoventa Verlag posthum die deutsche Übersetzung von Timms' Anna-Haag-Monografie: „Die geheimen Tagebücher das Anna Haag“, übersetzt von Michael Pfingstl.[3]

Auszeichnungen

Schriften (Auswahl)

  • Karl Kraus, Apocalyptic Satirist: Culture and Catastrophe in Habsburg Vienna. New Haven : Yale University Press, 1986 ISBN 0-300-04483-6
  • mit Naomi Segal (Hrsg.): Freud in Exile : psychoanalysis and its vicissitudes. New Haven : Yale Univ. Press, 1988 ISBN 0-300-04226-4
  • Karl Kraus, Apocalyptic Satirist: The Post-War Crisis and the Rise of the Swastika. 2005
  • mit G. J. Carr: Karl Kraus und Die Fackel: Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte = Reading Karl Kraus Essays on the Reception of Die Fackel.
  • mit Richie Robertson (Hrsg.): Theatre and Performance in Austria: From Mozart to Jelinek.
  • mit Richie Robertson (Hrsg.): Vienna 1900: from Altenberg to Wittgenstein. Edinburgh : Edinburgh University Press, 1990
  • Taking up the Torch. Sussex University Press, 2011

Einzelnachweise

  1. Presse-Service: Zum Ableben von Edward Timms (1937 - 2018). 5. Dezember 2018, abgerufen am 6. Dezember 2018.
  2. Redaktion, Sheila Frances Stern: Stern, Joseph Peter Maria. In: Christoph König (Hrsg.): Internationales Germanistenlexikon 1800–1950. herausgegeben und eingeleitet von Christoph König. Band 3: R – Z. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-015485-4, S. 1812.
  3. Die geheimen Tagebücher der Anna Haag : Eine Feministin im Nationalsozialismus / Edward Timms. In: d-nb.info. Deutsche Nationalbibliothek, abgerufen am 4. März 2019.