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vom 18.06.2019, aktuelle Version,

Erich Jantsch

Erich Jantsch (* 8. Januar 1929 in Wien; † 12. Dezember 1980 in Berkeley, Kalifornien) war ein österreichischer Astrophysiker und Mitbegründer des Club of Rome.

Sein Buch zum Paradigma der Selbstorganisation

Jantsch ist Autor des populären Buches Die Selbstorganisation des Universums[1][2]. Es ist eine erweiterte Fassung der öffentlichen Gaither Lectures in Systems Science, die Jantsch im Mai 1979 auf Einladung der University of California in Berkeley hielt. Dieses Buch beeinflusste viele namhafte Autoren diverser Fachgebiete (u. a. Ken Wilber) und bot erstmals ein zusammenhängendes Verständnis des Holismus, der Koevolution und der Selbstorganisation als treibende, kreative Kräfte der Evolution.

Durch sein konsequent evolutorisches Weltbild, das – wie der Untertitel schon sagt – immerhin vom Urknall bis zur Bildung des menschlichen Geistes reicht, versuchte er auf der Basis der Selbstorganisation von komplexen Systemen einen „Gesamtsinn“ in der Entwicklung des Universums auf rein wissenschaftlicher Basis zu erkennen.

Damit wollte er sich beispielsweise von Jacques Monods „sinnleerer Welt“ ausdrücklich distanzieren. In dem Buch Zufall und Notwendigkeit zieht Monod folgendes Fazit aus seinen Forschungen zur Genetik: „Wenn er diese Botschaft in ihrer vollen Bedeutung aufnimmt, dann muss der Mensch […] seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen. Der Mensch ist in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Universums allein, aus dem er zufällig hervortrat.“

Als das Buch von Jantsch erschien, war es das erste seiner Art, in dem die damals ganz neuen Theorien der Selbstorganisation (u. a. von Prigogine und Hermann Haken) als neues Paradigma der Wissenschaft im Zusammenhang mit einer neuen evolutorischen Kosmologie und Philosophie dargestellt wurden.

Lebenseinstellung

Jantsch schrieb nicht nur theoretische Bücher über seine Sicht der Dinge. Er versuchte auch, sein Leben so zu organisieren, wie es sich aus seinen Büchern ergab. Statt „Lebenslauf“ sprach er lieber von seinen verschiedenen sog. „Lebensstrukturen“, von denen er insgesamt rund neun selber ausprobierte. U. a. war er Astrophysiker, Musikkritiker, Stadtplaner, Futurologe, einer der sechs Gründungsmitglieder des Club of Rome, Buchautor und Dozent.

Jantsch, der zunächst recht konservativ mit Astrophysik begonnen hatte, spürte offenbar, dass es für ihn Wichtigeres im Leben gibt, als sich mit Detailfragen der Physik zu beschäftigen.

Durch seinen stark interdisziplinären Forscherdrang landete er zunächst bei der „Zukunftsforschung“ (Futurologie) und beschäftigte sich unter anderem im Rahmen der OECD mit Systemtheorie und den Grundlagen langfristiger Planung. Doch Jantsch erkannte, dass eine starre Planung in der Praxis fast nie dazu führt, die Zukunft angemessen zu beschreiben, vorherzusagen, oder gar zu gestalten. Mit dieser Erfahrung blieb Jantsch nichts anderes übrig, als nun immer tiefer der Frage nachzugehen, wie die Welt auch ganz ohne fixierte Zielvorstellungen unter dem Einfluss zufälliger Schwankungen immer höhere Komplexität, immer raffiniertere Gestalten entwickeln konnte, ja, offensichtlich sogar entwickeln musste. Doch die immer schneller hereinbrechende Zerstörung der irdischen Biosphäre und sogar des planetaren Klimas deutet auf eine Krise dieser „Wertschöpfung“ hin. Die Überlegungen von Jantsch dazu waren folgende: Gelänge es aber nun, die Prinzipien der Wertschöpfungsgeschichte zu verstehen und weithin verständlich zu machen, so könnte es vielleicht gelingen, auch die Menschen so zu organisieren, dass ein lebensfähiges Gesamtsystem entsteht. Die Kenntnis der Naturgesetze allein konnte hierfür nach Jantsch jedoch nicht ausreichend sein – denn schließlich gehorche auch der Zusammenbruch von Systemen den Naturgesetzen.

Es ging Jantsch daher darum, Voraussetzungen und Randbedingungen zu finden, unter denen lebensfähige komplexe Systeme entstehen. Aufbauend auf den bahnbrechenden Arbeiten von Ilya Prigogine, dem er auch sein Buch gewidmet hat, enthüllt er die unendlich vielfältigen Grenzen zwischen Ordnung und Chaos, welche zeigt, dass schon recht simple Systeme bei nichtlinearem Verhalten äußerst komplexe Strukturen hervorbringen können.

Jantsch trug dazu eine bis dato unbekannte Fülle von Anschauungsmaterial für die Prinzipien der Selbstorganisation zusammen – und zwar von den Forschern seiner Zeit, zu denen er unter großem Einsatz persönlich Kontakt aufnahm. Einige Theorien, wie z. B. die damaligen Arbeiten von Prigogine, hatten den Stand einer allgemeingültigen Theorie noch nicht erreicht. Mit viel spekulativer Phantasie ergänzte daher Jantsch die noch fehlenden Puzzleteile, um wesentliche Züge der vielfältigen Detailabläufe zu ertasten, und sie dann zu übergeordneten Begriffen zusammenzufassen. Doch nirgends erhob er je den Anspruch, endgültige Wahrheiten zu verkünden. Mit seinem Vortasten wollte er vielmehr vor allem die Wissenschaft zur Fortsetzung seiner Arbeit und zu noch klareren Begriffsbildungen anstacheln.

Literatur

  1. Die Selbstorganisation des Universums: Vom Urknall zum menschlichen Geist, ISBN 978-3446170377; Hanser-Verlag 1992 (Erstauflage 1979)
  2. The Self-Organizing Universe: Scientific and Human Implications of the Emerging Paradigm of Evolution, ISBN 978-0080243122; Pergamon-Verlag 1980
  • Technological Forecasting in Perspective. OECD, Paris 1967
  • Perspectives of Planning. OECD, Paris 1968
  • Technological Planning and Social Futures. London und New York 1972
  • Design for Evolution: Self-Organisation and Planning in the Life of Human Systems. New York 1975
  • Evolving Images of man. Dynamic Guidance for the Mankind Process. 1976
  • Evolution and Consciousness. Human Systems in Transition. London und Amsterdam 1976