Hassan II.
Hassan II. (arabisch الحسن الثاني بن محمد, DMG al-Ḥasan aṯ-ṯānī b. Muḥammad; * 9. Juli 1929 in Rabat, Französisch-Marokko als Moulay Hassan; † 23. Juli 1999 ebenda) war von 1961 bis 1999 König von Marokko.
Leben
Hassan wurde 1929 als ältester Sohn des früheren Sultans und späteren Königs von Marokko, Mohammed V. geboren und entstammte der seit 1639 in Marokko herrschenden Dynastie der Alawiden, die ihre Herkunft direkt vom Propheten Mohammed ableitet. Hassan erhielt eine sorgfältige Erziehung durch Privatlehrer, dann bis 1948 in einem eigens für ihn eingerichteten vornehmen College in Rabat. Sein nachfolgendes Jurastudium an einer Außenstelle der Universität Bordeaux in Rabat schloss er 1951 mit einem juristischen Doktorgrad ab. Daneben absolvierte er 1949 einen Lehrgang auf dem französischen Segelschulschiff Jeanne d'Arc.
Hassan sprach Französisch ebenso fließend wie alle Dialekte seiner Heimat.[1]
Nach der Unabhängigkeit 1956 wurde er Oberbefehlshaber der Armee und schlug mehrere Aufstände der Berber im Rif-Gebirge nieder, nachdem Rif-Berber bei einem Besuch Hassan II. in der Region versucht hatten, den damaligen Thronfolger und Oberbefehlshaber der Armee in der Nähe von Al-Hoceima zu erschießen.
Festigung der Macht
Als sein Vater gestorben war, kam Hassan II. an die Macht. Seine feierliche Thronbesteigung war am 3. März 1961.[2] Als König setzte Hassan II. die Dynastie der Alawiden fort und verfolgte eine konservative Politik, wobei er sich vor allem auf die alten Eliten und die feudalen Strukturen des Landes stützte. Nachdem Marokko 1962 eine konstitutionelle Monarchie geworden war, löste Hassan II. nach Unruhen das Parlament auf und übernahm wieder persönlich die Regierungsgeschäfte. Streitigkeiten um den Grenzverlauf bildeten im Oktober 1963 den Anlass zum algerisch-marokkanischen Grenzkrieg. Innenpolitisch ließ er vor allem die linke Opposition verfolgen und ins Exil treiben. 1965 wurde mit Mehdi Ben Barka ein Führer der linken Opposition im Pariser Exil entführt und getötet. Dies führte zu einer zunehmenden Opposition, Hassan II. überlebte zwei republikanische Putsche 1971 in Shkirat und 1972 bei seiner Rückreise aus Paris nur knapp.
In den 1970er- und 1980er-Jahren fand eine Re-Islamisierung des Landes statt. Hassan II. wollte der Linken, die Marokkos Monarchie in Frage stellte, etwas entgegensetzen und führte den Wahhabismus ein. Diese extrem konservative Lehre gilt als Nährboden des so genannten Islamischen Staates. „Die konservative Interpretation des Islam setzte sich in Marokko fest. In den Schulen, an den Universitäten.“ „Der Wahhabismus sollte für Ruhe sorgen. Denn der Wahhabismus gründet auf der Idee, dass der Herrscher weiß, was im Interesse der Muslime zu tun ist und dass jeder das zu akzeptieren hat. Sich gegen den Herrscher zu wehren, gilt im Wahhabismus als Verbrechen.“[3]
Westsahara-Konflikt
1975 initiierte Hassan II. den „Grünen Marsch“, bei dem 350.000 unbewaffnete marokkanische Zivilisten die spanische Kolonie Westsahara besetzten, was auch von der innenpolitischen Opposition begrüßt wurde. Allerdings ließ er nach dem spanischen Abzug einen Teil der Westsahara durch Marokko selbst besetzen. Bald begann der militärische Widerstand eines Teils der Einheimischen unter der Polisario. Dies führte zu starken Spannungen mit Algerien und Libyen, die die Polisario unterstützten. Der Westsaharakonflikt konnte bis heute nicht gelöst werden. Erst 1989 kam es zu einer Aussöhnung mit Algerien und Libyen, als die Arabische Maghreb Union, unter Einschluss Tunesiens, zur Vertiefung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit gegründet wurde.
Gravierende Menschenrechtsverletzungen
Insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren kam es unter seiner Herrschaft zu schweren Menschenrechtsverletzungen, die gegen jegliche Art von Opposition gegen das Königshaus gerichtet waren. Teilweise wird diese Periode als schmutziger Krieg bezeichnet.[4] Die Opfer der staatlichen Repression waren Mitglieder des Militärs nach den Putschversuchen in den Jahren 1971 und 1972, Mitglieder linker Parteien und Bewegungen sowie Aktivisten für die Selbstbestimmung der Sahara. Die dabei begangenen Verbrechen – unter anderem Folter und das Verschwindenlassen von Menschen – waren so zahlreich und gravierend, dass sein Sohn Mohammed VI. im Jahr 2004 eine Wahrheitskommission zu ihrer Untersuchung und Wiedergutmachung einsetzen ließ. Sie war die bisher einzige derartige Kommission in der arabischen Welt.
Hassan II. selbst hatte Mitte der 1990er aufgrund des innen- und außenpolitischen Drucks eine Abkehr von der auf gnadenloser Repression beruhenden Politik veranlasst. Nur wenige Monate vor seinem Tod 1999 rief er eine erste nationale Kommission ins Leben, die sich mit dieser Frage befasste. In der Folge wurde das berüchtigte Gefängnis von Tazmamart geschlossen, und zahlreiche politische Gefangene kamen in den Genuss einer Amnestie. Eine wichtige Triebfeder für die Reformen spielte eine Vereinigung ehemaliger politischer Gefangener namens Forum Verité et Justice, welche die marokkanische Öffentlichkeit hartnäckig auf das Thema aufmerksam machte.
Bilanz und Ende der Herrschaft
Abgesehen von der verheerenden Bilanz in Bezug auf die Menschenrechte werden zu seinen positiven Leistungen gezählt: der systematische Bau zahlreicher Staudämme zur Versorgung der lokalen Agrarindustrie mit Wasser, sowie Bemühungen, den Israelisch-Palästinensischen Konflikt durch Vermittlungen zu lösen. In wirtschaftlicher Hinsicht, wie auch unter anderem im Bildungsbereich, ergaben sich während der Regierungszeit von Hassan jedoch insgesamt große Probleme. Marokko hatte zum Ende der Herrschaft eine Analphabetenrate von über 50 Prozent. Die Arbeitslosigkeit lag bei über 20 Prozent, der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung Marokkos stieg zwischen 1991 und 1999 von 13,1 auf 19 Prozent,[5] durch die hohe Regierungsverschuldung mussten pro Jahr 30 Prozent des Staatshaushaltes für die Schuldenfinanzierung ausgegeben werden.
Innenpolitisch gelang es Hassan II., den aufkommenden militanten Islamismus unter Kontrolle zu halten. Seit der Verfassungsänderung von 1992 begann eine vorsichtige Liberalisierung der Politik.
Am 23. Juli 1999 starb Hassan II. in Rabat. Nachfolger wurde sein Sohn Mohammad VI. Ein weiterer Sohn, Moulay Rachid, wurde neuer Kronprinz. Bei der Trauerfeier waren US-Präsident Bill Clinton, Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac, Israels Ministerpräsident Ehud Barak und die Staatsoberhäupter mehrerer arabischer Länder als Gäste in Rabat. Auch Bundespräsident Johannes Rau, Prinz Charles, Ägyptens Präsident Husni Mubarak, Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Jordaniens König Abdullah II. bin al-Hussein waren Teilnehmer der Trauerfeier,[6] ebenso Königin Sophia von Spanien und Farah Diba.
Hassan II. war Mitglied im US-Club Rotary und nach dem Wahlspruch der Rotarier Service above self (Selbstlos Dienen) zu höchstem ethischen und moralischen Handeln verpflichtet.[7][8]
Literatur
- Gilles Perrault: Unser Freund der König von Marokko. Abgründe einer modernen Despotie. Kiepenheuer, Leipzig u. a. 1992, ISBN 3-378-00506-8.
- Malika Oufkir, mit Michèle Fitoussi: Die Gefangene. Ein Leben in Marokko. (1999) 8. Auflage, Ullstein, Berlin 2006, ISBN 978-3-548-36249-6
Weblinks
- Literatur von und über Hassan II. im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jean Shaoul: König Hassan von Marokko: Nachruf auf einen skrupellosen Despoten. World Socialist Web Site, 25. August 1999
Einzelnachweise
- ↑ Hassan_II. im Munzinger-Archiv, abgerufen am 6. Januar 2017 (Artikelanfang frei abrufbar)
- ↑ Jean-Pierre Roger: Marokko, Seite 15, ISBN 3-89905-476-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- ↑ tagesschau.de: Extremismus im Königreich: Warum immer wieder Marokkaner? Abgerufen am 24. August 2017.
- ↑ Eric Goldstein: Morocco’s Dirty War. In: The Nation, 3. Januar 2002.
- ↑ Harte Landung in der Weltwirtschaft In: Le Monde (übersetzt von Edgar Peinelt (Memento vom 17. Januar 2008 im Internet Archive)), 16. Juni 2001.
- ↑ Marokko: Trauerfeier für König Hassan II. In: Spiegel Online. 25. Juli 1999, abgerufen am 6. Januar 2017.
- ↑ Rotary Global History Fellowship
- ↑ Rotary International: Was ist Rotary? (Memento vom 28. Juni 2014 im Internet Archive)
Personendaten | |
---|---|
NAME | Hassan II. |
KURZBESCHREIBUNG | marokkanischer Sultan, König von Marokko (1961–1999) |
GEBURTSDATUM | 9. Juli 1929 |
GEBURTSORT | Rabat |
STERBEDATUM | 23. Juli 1999 |
STERBEORT | Rabat |
License Information of Images on page#
Image Description | Credit | Artist | License Name | File |
---|---|---|---|---|
The Wikimedia Commons logo, SVG version. | Original created by Reidab ( PNG version ) SVG version was created by Grunt and cleaned up by 3247 . Re-creation with SVG geometry features by Pumbaa , using a proper partial circle and SVG geometry features. (Former versions used to be slightly warped.) | Reidab , Grunt , 3247 , Pumbaa | Datei:Commons-logo.svg | |
Begriffsklärungs-Icon (Autor: Stephan Baum) | Eigenes Werk ( Originaltext: Own drawing by Stephan Baum ) Original Commons upload as File:Logo Begriffsklärung.png by Baumst on 2005-02-15 | Stephan Baum | Datei:Disambig-dark.svg | |
Flagge von Marokko | Flag of Morocco* country Morocco genutzt von Morocco, Western Sahara in Benutzung seit 1915-11-17 entworfen von Yusef of Morocco Format 2:3 Form Rechteck FIAV ↑ Farben bright red, palm green sonstige Eigenschaften flag has a green interwoven pentagram centered on a red field Moroccan royal decree (17 November 1915), BO-135-ar page 6 (Arabic) - BO-162_fr page 6 (French) English Translation: Cherifian Dahir in the distinction of the Moroccan flag — To be known from this book, may God uphold its value and to be around the centre of grace and joy its orbit, that due to the promotion of our cherifian kingdom affairs, the spread of its glory and its pride, the need to assign a flag that distinct it from the rest of the kingdoms as that our sacred ancestors flag use to be very similar to some other flags especially the ones used in the marine signs, our noble vision decided to distinct our joyful flag by making the five pointed seal of Solomon in the middle in green, asking the almighty god to keep it waving with the winds of fortune and ambition for this time and the becoming, Amen and peace. Moroccan royal decree (23 November 2005), BO-5378-ar page 5 (Arabic) - BO-5378-fr page 6 (French) English Translation: Cherifian Dahir number 1.05.99 issued in 20 Shawwal 1426 (23 November 2005) about the characteristics of the Kingdom's emblem and national anthem — In accordance with the seventh article of the constitution, the emblem of the Kingdom shall be a red flag with a five-pointed green star in the center. The flag shall be made with fabric of bright red, opaque and rectangular in shape. The star shall be open, palm green, made of five continuous branches and woven in the same fabric where it must be visible on both sides of the flag. One of its points must point upwards. The hoist vertical dimension of a flag of the flag equals two thirds (2/3) of its fly horizontal length of a flag . The star is inscribed in an invisible circle whose radius equals one sixth (1/6) of the flag's fly horizontal length of a flag and whose centre is the intersection point of the invisible diagonal lines of the flag's rectangular. The width of each one of the branchs of the star shall be 1/20 of its length. See also: Flags of the World - Morocco, description Vexilla Mundi - Morocco Colors from Flag of the Kingdom of Morocco | Denelson83 , Zscout370 | Datei:Flag of Morocco.svg | |
King Hassan of MOROCCO arrives for a visit to Washington D.C. Location: ANDREWS AIR FORCE BASE, MARYLAND (MD) UNITED STATES OF AMERICA (USA) | http://www.dodmedia.osd.mil/ | A1C FELICIA L. WILSON | Datei:Hassan II of Morocco, 1983.jpg | |
King Hassan II of Morocco | http://www.gahetna.nl/collectie/afbeeldingen/fotocollectie/zoeken/weergave/detail/start/6/tstart/0/q/zoekterm/hassan%20ii/q/commentaar/1 | Dutch National Archives | Datei:King Hassan II.jpg |