Die Heilandskirche ist eine der fünf evangelischen Kirchen in der steirischen Landeshauptstadt Graz. Sie ist Pfarrkirche der evangelischen PfarrgemeindeA.u.H.B. Graz-Heilandskirche. Die Kirche wurde im frühhistoristischen Stil erbaut. Sie befindet sich am Kaiser-Josef-Platz im 2.Grazer Bezirk St.Leonhard.
1824 durfte, gemäß dem ToleranzpatentKaiser Josephs des II., ein erstes evangelisches Bethaus am ehemaligen Holzplatz, außerhalb der befestigten Grazer Altstadt, errichtet werden. Bis dahin gab es in Graz lediglich um die 270 Gläubige, und damit zu wenige, um nach damals geltender Vorschrift die Erlaubnis zur Gründung einer eigenen Gemeinde zu erhalten. Die Grazer Gemeinde war offiziell eine Dependance (Filiale) der Pfarrgemeinde Wald am Schoberpaß und in die Augustinerkirche (heute Stiegenkirche) eingemietet. Entsprechend den Vorschriften des Toleranzpatents musste das neue, mit einem Schul- und Pfarrhaus verbundene Bethaus, nach außen hin wie ein gewöhnliches Wohngebäude wirken; es war daher in der Art eines Biedermeier-Wohnhauses gestaltet. Das Bethaus enthielt einen Betraum und Wohnungen für den Pfarrer, den Kirchendiener und einen Lehrer sowie ein Schulzimmer. Aus der Anlage ging die spätere Evangelische Mädchenschule, bzw. das heutige Martin Luther-Haus hervor.[1]
Erst nach der Revolution von1848 wurde es möglich, ein als evangelische Kirche erkennbares Gebäude zu errichten. 1853 wurde der Umbau nach Plänen von Franz Zehengruber bewilligt.[1] Die Heilandskirche ist der einzige Kirchenbau im Stil des romantischen Historismus in Graz.
Der heutige Innenraum entspricht Im Wesentlichen noch dem Raum des ehemaligen Bethauses. Die Orientierung wurde geändert: der Altar wurde von der Nordost- an die Südwest-Seite verlegt. Hinzugefügt wurden der Kirchturm, die von außen sichtbaren Kirchenfenster sowie das Portal am Kaiser-Josef-Platz. Ebenfalls erhalten sind der klassizistischeHochaltar mit einem Bild von Josef Wonsidler (datiert 1829) und die Kanzel.
Im Zuge einer umfassenden Sanierung nach Plänen von Architekt Werner Hollomey erhielt der Kirchenraum 1992 ein neues Erscheinungsbild: farbige Glasfenster sowie einen transportablen Altar, einen neuen Ambo und ein Taufbecken. Die Gemeinde der Heilandskirche ist mit etwa 6.400 Gemeindemitgliedern die größte evangelische Gemeinde in Österreich.
Die erste Orgel wurde 1822 von dem aus Ludwigslust stammenden Orgelbauer Franz Carl Schehl (* 1783; † 17. April 1846 in Graz) in der „Stiegenkirche“ eingebaut und 1824 in das Bethaus am heutigen Kaiser Josef-Platz transferiert. Sie verfügte über kein Pedal, dafür aber über einen Tonumfang von fünf Oktaven. Die Disposition ist überliefert.[2]
Disposition der Carl Schehl-Orgel von 1822
I Manual FF–f3
Bourdon
16′
Principal
8′
Hohlflöte
8′
Flautrawer
8′
Octav
4′
Mixtur II
Ullmann-Orgel 1861
Nach der Umgestaltung des Bethauses zu dem heutigen Kirchenbau (1853–1854) wurde die Orgel zunächst auf der neuen Musikempore über dem Haupteingang aufgestellt. Mit Hilfe einer Erbschaft nach der exzentrischen, mütterlicherseits aus einer Hugenottenfamilie stammenden Schlossherrin von Plankenwarth, Emilie Sarah Engelbronner d′Aubigny de Peché (1772–1849)[3] wurde sie durch ein Werk des Wiener Orgelbauers Franz Ullmann ersetzt, das 1861 vollendet wurde. Die mittleren drei Prospektfelder der heutigen Orgel stammen noch von diesem Instrument. Bemerkenswert ist die Erklärung Ullmanns für das Pedal: „Die Pedal-Claviatur bekommt 12 Töne oder 1 Octav und ist die 2. Octava als Wiederholung der ersten zu dem Behufe, um beide Füße beim Spielen verwenden zu können.“[4]
Der Klangaufbau der Franz Ullmann-Orgel von 1861
I Manual C–f3
Principal
8′
Copula
8′
Viola di Gamba
8′
Octav
4′
Flöte
4′
Quint
3′
Super Octave
2′
Mixtur III
11⁄3′
Pedal C–h
Subbass
16′
Violonbass
8′
Octavbass
4′
Walcker-Orgel 1908
Eine neue, größere Orgel der Firma Walcker mit 25 Registern und pneumatischer Traktur wurde im Jahr 1908 in das Ullmann-Gehäuse eingebaut, das dafür um zwei Außenflanken vergrößert werden musste. Sie galt als die bedeutendste Orgel in Graz und bot neben einem ausgeprägten spätromantischen Klangbild mit Schwellwerk auch mehrere technische Neuheiten, darunter das System Organola, eine pneumatisch gesteuerte Selbstspieleinrichtung mit Walze und Lochstreifen, ein Patent Walckers. Anscheinend war die Finanzierung des Instruments nicht einfach.[5]
Noch während des Krieges wurde 1942–1945 ein Klangumbau vorgenommen, der aus der spätromantischen Orgel eine klassische Konzertorgel machen sollte. Doch mit der Zeit traten in der pneumatischen Traktur immer häufiger Störungen auf, die schließlich eine Neukonstruktion erforderten.
Krenn-Orgel 1977
1977 wurde die Walcker-Orgel durch eine Schleifwindladenorgel mit mechanischer Spiel- und Registertraktur aus der Grazer Werkstätte Johann Krenns Witwe und Söhne ersetzt, wobei 72 alte Holzpfeifen wieder verwendet wurden. Von einer Revision im Jahr 1992 abgesehen, blieb diese Orgel bis Anfang 2017 unverändert.[6]
Nachdem auch die Krenn-Orgel das Ende ihrer Lebensdauer erreicht hatte, wurde im April 2015 Hermann Eule Orgelbau Bautzen mit dem Bau eines neuen Instrumentes beauftragt, das technisch auf der Höhe der Zeit ist. Am 31. Oktober 2017 erfolgt die feierliche Einweihung. Die zweiarmige Spieltraktur ist mechanisch und die Registratur elektrisch, der Spieltisch ist angebaut. Über die MIDI-Schnittstelle sind zusätzlich digitale Instrumente spielbar (Wurlitzer-Kino Orgel, Hammond, Klavier etc.); die Klangabstrahlung erfolgt über im Orgelwerk verbaute Lautsprecher.[7] Die Disposition der Eule-Orgel lautet wie folgt:
I Hauptwerk C–c4
Geigenprinzipal
16′
Prinzipal
8′
Viola da Gamba
8′
Tibia
8′
Oktave
4′
Spitzflöte
4′
Quinte
22⁄3′
Vorabzug
Superoktave
2′
Vorabzug
Mixtur IV
2′
Cornett II–IV
22⁄3′
Tuba
8′
II Schwellwerk C–c4
Bordun
16′
Geigenprinzipal
8′
Konzertflöte
8′
Harmonica
8′
Vox coelestis (ab c)
8′
Fugara
4′
Traversflöte
4′
Nazard
22⁄3′
Flautino
2′
Terz
11⁄3′
Oboe
8′
III Echowerk C–c4
Flauto amabile
8′
Viola
8′
Fernflöte
8′
Bifara (a c)
8′
Aeoline
16′
durchschlagend
Clarinette
8′
durchschlagend
Physharmonica
16′
Extension
Physharmonica
8′
Pedal C–g1
Kontrabass
16′
Transmission
Subbass
16′
Bordunbass
16′
Transmission
Prinzipalbass
8′
Transmission
Violoncello
8′
Gedacktbass
8′
Posaune
16′
Tuba
8′
Transmission
Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P (elektrisch), Sub und Superkoppel II (elektrisch)
Die Heilandskirche bildet mit den angeschlossenen Pfarrgebäuden einen von Straßen umschlossenen Baukomplex mit einem Innenhof. Die Front der Kirche blickt auf den Kaiser-Josef-Platz, auf dem der größte Bauernmarkt der Stadt Graz stattfindet. Eine andere Seite dieses Platzes wird von der Grazer Oper eingenommen.
Literatur
Alois Kölbl, Wiltraud Resch: Wege zu Gott. Die Kirchen und die Synagoge von Graz. 2., erweiterte und ergänzte Auflage. Styria, Graz 2004, ISBN 3-222-13105-8, S. 126–127.
Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche (Hrsg.):Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. 2017 / 500 Jahre Reformation. Medienfabrik, Graz 2017.
↑ Gottfried Allmer:Orgelbau in der Grazer Heilandskirche. In: Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. Medienfabrik, Graz 2017, S.13–15;13.
↑ Zitat nach: Gottfried Allmer:Orgelbau in der Grazer Heilandskirche. In: Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. Medienfabrik, Graz 2017, S.13–15;14.
↑ Gottfried Allmer:Orgelbau in der Grazer Heilandskirche. In: Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. Medienfabrik, Graz 2017, S.13–15;15.
↑ Thomas Wrenger:Die neue Orgel in der Heilandskirche. In: Evangelische Pfarrgemeinde A.u.H.B. Graz-Heilandskirche (Hrsg.): Festschrift zur Einweihung der neuen Orgel in der Heilandskirche Graz. Medienfabrik, Graz 2017, S.17.
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The altar of Heilandskirche, Graz
Eigenes Werk
Liberaler Humanist
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Martin-Luther-Haus, Luthergasse 1, Graz
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Heilandskirche am Kaiser-Josef-Platz in Graz, Österreich