Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 30.12.2020, aktuelle Version,

Joseph Buttinger

Joseph Buttinger alias Gustav Richter (* 30. April 1906 in Reichersbeuern; † 4. März 1992 in New York City) war ein österreichischer Politiker der SDAP, Vorsitzender der Revolutionären Sozialisten und der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES). Nach seinem Ausscheiden aus der AVOES im Jahre 1942 und einem Universitätsstudium etablierte er sich in den USA und darüber hinaus als Ostasienexperte.

Als einer der drei wichtigsten Akteure der illegalen österreichischen Sozialdemokratie von 1934 bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wie auch im Exil (1938–1945) legte er gemeinsam mit Otto Bauer und Friedrich Adler einen kompromisslosen Kurs der exilierten Sozialdemokraten fest, der auch nach Bauers Tod (1938) und Buttingers Abgang (1942) bis Kriegsende ohne substanzielle Änderungen beibehalten wurde.

Der politische Weg

Joseph Buttinger stammte aus einer Arbeiterfamilie (Wanderarbeit in Deutschland und Österreich) und schloss sich früh der Arbeiterbewegung an. 1926 wurde er Hortleiter der sozialdemokratischen Jugendorganisation Kinderfreunde in St. Veit an der Glan (Kärnten) und bereits mit 24 Jahren sozialistischer Parteisekretär in diesem Bezirk. Als er nach dem Parteiverbot seine politische Tätigkeit fortsetzte wurde er Anfang 1934 im Rahmen des Februaraufstands verhaftet und wegen Organisierung illegaler Tätigkeiten drei Monate im Polizeigefängnis Villach festgehalten. Nach seiner Entlassung ging Buttinger nach Wien, wo er sich bei den illegalen Revolutionären Sozialisten engagierte.

Nach der Verhaftung von zwei Parteivorsitzenden (Manfred Ackermann, Karl Hans Sailer) übernahm Buttinger 1935 die Führung der Revolutionären Sozialisten, die er mit dem Segen des in die Tschechoslowakei emigrierten Otto Bauers von einer Massenpartei zu einer konspirativen Kaderpartei umstrukturierte.

Am 12. März 1938 flüchtete er zunächst ohne seine spätere Frau Muriel Gardiner[1] nach Brüssel, wo er mit Otto Bauer und Friedrich Adler eine Einigung über die Zusammenlegung der Revolutionären Sozialisten mit Otto Bauers Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS) zur Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten (AVOES) erzielte.

Diese Auslandsvertretung trat am 1. April 1938 unter Buttingers Führung zu einer zweitägigen Sitzung zusammen. (Sitzungsteilnehmer: Joseph Buttinger, Friedrich Adler, Otto Bauer, Otto Leichter, Oscar Pollak, Karl Hans Sailer, Manfred Ackermann und Josef Podlipnig) Das Ergebnis ging als Brüssler Deklaration (auch Brüssler Manifest) an die Öffentlichkeit und sollte die Exilpolitik bis Kriegsende bestimmen. Dieser Kurs der Verweigerung von Kontakten mit anderen österreichischen Exilgruppierungen und der Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Gastländern (Details siehe AVOES) stieß auch innerhalb der AVOES zunehmend auf Kritik und war der wichtigste Grund für den Ausstieg Buttingers aus der Politik im Jahr 1942, der gemeinsam mit seinen engsten Mitarbeitern erfolgte. Friedrich Adler führte diesen Kurs bis 1945 weiter.

Der Ostasienexperte

Nach dem Ausscheiden aus der Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten absolvierte Buttinger in den USA ein Universitätsstudium. Von 1945 bis 1947 war er als Europadirektor des International Rescue Committee in Paris und Genf tätig. Im Zuge des Vietnamkrieges der USA unternahm er mehrere Studienreisen in dieses Land und etablierte durch zahlreiche Publikationen seinen Ruf als Ostasienexperte. Nebenbei baute er eine zirka 50.000 Bände umfassende sozialpolitische Studienbibliothek ("Joseph-Buttinger-Sammlung") auf, die aufgrund einer letztwilligen Verfügung im Jahr 1971 mit Masse an die Universitätsbibliothek Klagenfurt kam. Seine über Südostasien gesammelte Literatur befindet sich als Vietnam-Studienbibliothek an der Harvard University (USA).

Buttingers Überzeugungen

Buttinger agierte während seiner Funktion als Vorsitzender der Revolutionären Sozialisten als überzeugter Marxist und Gegner des Reformismus. Als Schüler von Otto Bauer setzte er dessen austromarxistischen Kurs fort, wobei er Bauers Scheitern auf dessen Toleranz gegenüber dem Reformismus zurückführte, gegen den er stets auftrat. Diese revolutionäre Kompromisslosigkeit fand Ausdruck im Brüssler Manifest des Jahres 1938 und wurde u. a. von Friedrich Adler und Otto Bauer mitgetragen. Die im Manifest definierte Exilarbeit orientierte sich allein am Ziel, den vereinten deutschen und österreichischen Sozialisten vor Ort den Rücken freizuhalten, um nach dem Sturz Hitlers die beiden Länder revolutionär umzugestalten. Die Wahrscheinlichkeit einer autonomen Formierung starker revolutionärer Kräfte in diesen Ländern war jedoch von Anbeginn an gering. Die Chancen mit solchen Kräften eine Revolution ohne Eingreifen anderer Mächte auch durchführen zu können, waren noch geringer und schwanden im Verlauf des Krieges und mit dem Beginn des Kalten Krieges gänzlich dahin. Diese Einsichten waren neben den Auseinandersetzungen mit seinen Mitstreitern (vor allem Leichter und Pollak) der Hauptgrund für seinen – nicht kommentierten – Ausstieg aus der Politik im Jahr 1942.

Bei seinen eher seltenen Österreichbesuchen hat es Buttinger stets vermieden, seinen aktuellen politischen Standpunkt zu definieren bzw. die aktuelle Lage der österreichischen Arbeiterbewegung zu kommentieren bzw. deren Zukunftsperspektiven zu beleuchten.

Buttingers Erbe

Bruno Kreisky (in der Untergrundphase selbst Revolutionärer Sozialist) bezeichnete Buttinger anlässlich einer Nachkriegs-Ehrung als Helden, der es, wenn er nach Österreich zurückgekehrt wäre, wahrscheinlich zum Bundeskanzler gebracht hätte.

Dies entsprach nicht ganz der Einschätzung und den Wünschen vieler Parteifunktionäre der SPÖ, hatte doch Buttinger in einer sehr aufschlussreichen, schonungslosen Darstellung seiner Tätigkeit im Untergrund und im Exil (Am Beispiel Österreichs) auch mit Kritik an seinen Mitstreitern nicht gespart. Dies und die Tatsache, dass seine Exilpolitik umstritten blieb, hat dazu geführt, dass Buttinger in der offiziellen Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Österreichs keine bzw. nur eine marginale Rolle spielt.

Auszeichnungen

Werk

  • Gustav Richter [= Joseph Buttinger], Die legalen Arbeiterorganisationen und der Sozialismus in Österreich. O. o., o. J. [Illegale Publikation ca. 1937].
  • Am Beispiel Österreichs – ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung, Köln 1953.
  • Das Ende der Massenpartei – am Beispiel Österreichs, 1972.
  • Der kampfbereite Drache – Vietnam nach Dien Bien Phu, 1968.
  • Vietnam – a political history, 1968.
  • Rückblick auf Vietnam, 1976.
  • Ortswechsel – die Geschichte meiner Jugend, Frankfurt/Main 1979.

Literatur

  • RS-Korrespondenzen. Mitteilungen der Auslandsvertretung der Österreichischen Sozialisten. 1938, ZDB-ID 2305896-1, (Offizielles Organ der AVOES).
  • Der sozialistische Kampf. = La Lutte Socialiste. Journal Antihitlérien. ZDB-ID 531261-9, (Offizielles Organ der AVOES).
  • Joseph Buttinger: Am Beispiel Österreichs. Ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung. Verlag für Politik und Wirtschaft, Köln 1953.
  • Joseph Buttinger: Das Ende der Massenpartei. Am Beispiel Österreichs. Verlag Neue Kritik, Berlin u. a. 1972 (Eine Neuausgabe von „Am Beispiel Österreichs“1953).
  • Helene Maimann: Politik im Wartesaal. Österreichische Exilpolitik in Großbritannien 1938–1945 (= Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs. Bd. 62). Böhlau, Wien u. a. 1975, ISBN 3-205-08566-3 (Zugleich: Wien, Univ., Diss., 1975).
  • Muriel Gardiner, Joseph Buttinger: Damit wir nicht vergessen. Unsere Jahre 1934–1947 in Wien, Paris und New York. Wiener Volksbuchhandlung, Wien 1978.
  • Manfred Marschalek: Untergrund und Exil. Österreichs Sozialisten zwischen 1934 und 1945 (= Sozialistische Bibliothek. Abteilung 1: Die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie. Bd. 3). Löcker, Wien 1989, ISBN 3-85409-137-0.
  • Hans Christian Egger: Die Exilpolitik der österreichischen Sozialdemokratie 1938 bis 1945. Denkstrukturen, Strategien, Auswirkungen. Grin Verlag, München 2008, ISBN 978-3-638-92810-6 (Zugleich: Wien, Univ., Diss., 2004: Die Politik der Auslandsorganisationen der österreichischen Sozialdemokratie in den Jahren 1938 bis 1946. Denkstrukturen, Strategien, Auswirkungen.).

Einzelnachweise

  1. Biografische Angaben über Muriel Gardiner auf der Seite Psychoanalytikerinnen in Europa.
  2. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB).