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vom 12.06.2022, aktuelle Version,

KZ-Nebenlager Redl-Zipf

Der Trafobunker des KZ-Nebenlagers Redl-Zipf

Das KZ-Nebenlager Redl-Zipf, Deckname Schlier, war ein Außenlager des KZ Mauthausen auf dem Gemeindegebiet von Neukirchen an der Vöckla in Österreich. Es diente ab 1943 zur Produktion von Triebwerken der V2. 1945 wurde das Geldfälscherkommando der Aktion Bernhard hierher verlegt.

Geschichte

Nach Bombenangriffen auf Wiener Neustadt im Oktober 1943 und auf die dort untergebrachten Raxwerke wurden Anlagen der Rüstungsindustrie zunehmend unterirdisch angelegt. Die Bierkeller der Brauerei Zipf wurden ausgewählt, weil sie aus geologischen Gründen relativ unempfindlich gegen Bombenangriffe waren und weil vom Bahnhof Redl-Zipf an der Westbahn ein Anschlussgleis direkt ins Brauereiareal führte. Als Deckname des Rüstungsbetriebes wurde „Steinbruch-Verwertungs G.m.b.H., Betrieb Schlier“ gewählt;[1] Schlier deswegen, weil in der Nähe von Zipf ein Mergelvorkommen ist. Die „Steinbruch Verwertungs GmbH“ hatte ihren Sitz in Attnang-Puchheim, der Ausbau und die Verwaltung lagen in den Händen von Dr. Rickhey und SS-Sturmbannführer Dr. Fritz Loth.[2]

Das KZ Redl-Zipf war ein Nebenlager des KZ Mauthausen. Der Aufbau wurde unter dem Kommando von SS-Hauptsturmführer Georg Bachmayer vorgenommen, die Eröffnung war am 11. Oktober 1943. Die Anzahl der Häftlinge im Lager schwankte stark, mit 1500 bis 1900 Zwangsarbeitern aus Frankreich, Italien, Polen, der Sowjetunion und Spanien als Höchststand. Nach dem Ausbau des Stollensystems durch die Häftlinge wurde Anfang 1944 der Betrieb eines Raketenteststands der „VergeltungswaffeV2 aufgenommen. In dem „Vorwerk Schlier“ in Zipf wurden ca. 500 Triebwerke getestet, bevor sie in die V 2 eingebaut und auf England abgefeuert wurden. Die Anlage umfasste neben dem Triebwerksprüfstand eine Anlage zur Erzeugung von Flüssigsauerstoff und einen Trafobunker. Ebenso errichteten die Häftlinge ein Zubringergeleis der Eisenbahn. In der Anlage arbeiteten viele Wissenschaftler, Ingenieure, Facharbeiter und Verwaltungsangestellte. Die Bewachung wurde von der SS, durch SD-Angehörige und von einer eigenen Wehrmachteinheit zur Absicherung von Zipf und Umgebung gestellt. Deren Zahl überstieg die Einwohnerzahl von Zipf.

Unfälle und Explosionen beim Testbetrieb des Triebwerkprüfstands forderten am 29. Februar 1944 sowie am 28. August 1944 etliche Todesopfer, u. a. Ilse Oberth, die Tochter des Raketenforschers Hermann Oberth. Dadurch wurden die Triebwerkstests verzögert, zeitweise wurde auch die Sauerstoffproduktion lahmgelegt. Nach der zweiten Explosion wurden keine Triebwerkstests mehr aufgenommen, sondern nur mehr die Produktion von Flüssigsauerstoff betrieben.

Im Verlauf des Krieges wurde auch ein Teil der Nibelungenwerke in das Stollensystem verlagert.

Das Lager Schlier beherbergte ab April 1945 auch die 141 Häftlinge des Geldfälscherkommandos der Aktion Bernhard, die aus dem KZ Sachsenhausen nach Zipf gebracht wurden.

Der Historiker Stefan Wedrac beziffert den Häftlingshöchststand von 2000 bis 2300 Personen; davor war mitunter nur von 500 bis 900 Personen die Rede gewesen. Gesichert ist, dass 267 Häftlinge ihr Leben in diesem KZ verloren haben; da jedoch kranke Häftlinge in das KZ Mauthausen zurücktransportiert oder in der NS-Tötungsanstalt Hartheim vergast wurden, ist die Zahl der Getöteten vermutlich wesentlich höher[3].

Das Lager wurde am 3. Mai 1945 unter dem letzten Lagerkommandanten, SS-Obersturmführer Alfons Bentele, evakuiert, und die Häftlinge wurden auf Lastwagen und zum Teil zu Fuß ins KZ Ebensee transportiert. Die SS setzte dann am 4. Mai 1945 das Lager in Brand, so dass heute nur mehr einzelne Grundmauern der Lagerbaracken zu sehen sind. Die Anlage selbst besteht noch heute, der Trafobunker kann besichtigt werden, die Stollen befinden sich jedoch im Firmengelände der Brauerei und sind nur im Rahmen einer Führung zugänglich. Ein Gedenkstein erinnert an die KZ-Stätte. Die ARGE Schlier bemüht sich um eine größere öffentliche Zugänglichkeit des Geländes.[4]

Reste und Gedenkstätte

Das KZ-Mahnmal bei der Pfarrkirche Zipf

Von den Baracken des Lagers selbst ist nichts mehr zu sehen. Das Gelände ist heute eine Wiese.

Heute noch erhalten und frei zugänglich sind

Nicht frei zugänglich, weil im Gebiet der Brauerei gelegen, sind

Eine Gedenkstätte konnte auf dem Gebiet der Gemeinde nicht errichtet werden. So wurde neben der Kirche von Zipf im Gemeindegebiet von Vöcklamarkt ein Denkmal errichtet.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Kriechbaum, Christian Limbeck-Lilienau: Zipf – „Schlier“. In: Christian Hawle, Gerhard Kriechbaum, Margret Lehner: Täter und Opfer. Nationalsozialistische Gewalt und Widerstand im Bezirk Vöcklabruck 1938–1945. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Mauthausen-Aktiv Vöcklabruck. Bibliothek der Provinz, Wien u. a. 1995, ISBN 3-85252-076-2, (Publ. P No 1).
  • Paul Le Caër: Ein junger Europäer in Mauthausen 1943–1945. Herausgegeben vom Bundesministerium für Inneres. Bundesministerium für Inneres – Ref. IV/4/a, Wien 2002, ISBN 3-9500867-3-0, (Mauthausen-Studien 2).
  • Cyril MALLET: Le camp de concentration de Redl-Zipf 1943-1945. Edition Codex, Bruz, 2017, ISBN 978-2-918783-11-4
  • Cyril MALLET: V2-Raketen im Brauereikeller. Das Konzentrationslager Redl-Zipf 1943-1945. Edition Mauthausen, Wien, 2018, ISBN 978-3-902605-23-8,
  • Cyril MALLET: Redl-Zipf alias Schlier 1943-1945 Camp annexe du camp de concentration de Mauthausen en Autriche annexée, Magisterarbeit, Universität Rouen – Frankreich 2014
  • Hannes Koch: Schlier. Der geschichtliche Hintergrund des letzten erhaltenen "V2" Troebwerkprüfstandes.[5]
  • Robert Bouchal, Johannes Sachslehner: Unterirdisches Österreich – vergessene Stollen, geheime Projekte. Verlags-Gruppe Styria, Wien 2013, ISBN 978-3-222-13390-9.
  • Stefan Wedrac: Die Brauerei Zipf im Nationalsozialismus. Ein österreichisches Brauunternehmen zwischen V2-Rüstungsbetrieb, KZ-Außenlager und NS-Kriegswirtschaft, Wien: Böhlau 2021, Webpräsentation des Verlags, Video der Buchpräsentation vom 30. Mai 2022 an der Universität Wien.

Literarische Bearbeitung

  • Reinhard Palm: Zipf. Thomas Sessler Verlag, Wien 1987. (ebenso erschienen in: Neue Rundschau 3, S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1988)
  • Walter Kappacher: Silberpfeile. Roman 2009, ISBN 978-3-423-13873-4
    Der Roman erzählt von einem (fiktiven) Ingenieur, der in den dreißiger Jahren für die deutsche Auto-Union Rennwagen entwarf und dann im Zweiten Weltkrieg nach Zipf versetzt wurde, um dort die Raketentests zu begleiten.

Film

  • Deckname Schlier – Dokumentarfilm von Wilma Kiener und Dieter Matzka, absolut Medien, 1984.

Einzelnachweise

  1. Weniger Geheimnis rund um das „Geheimprojekt Schlier“ derstandard.at, abgerufen am 5. September 2011.
  2. Thüringens geheime Welt der geheimen Untergrundanlagen, für Raketen und Düsenflugzeuge. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 26. Oktober 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.jena1806.com
  3. Cyril MALLET: V2-Raketen im Brauereikeller. Das Konzentrationslager Redl-Zipf 1943-1945. Edition Mauthausen, Wien 2018, ISBN 978-3-902605-23-8, S. 187205.
  4. ARGE Schlier
  5. Arge Schlier