Kindertagespflege
Kindertagespflege bezeichnet die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern bei einer Kindertagespflegeperson (umgangssprachlich auch Tageseltern, Tagesmutter, Tagesvater genannt). Sie wird nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB VIII von einer geeigneten Tagespflegeperson im eigenen Haushalt, im Haushalt der Personensorgeberechtigten (i. d. R. der Eltern) oder in angemieteten Räumen geleistet.[1]
Deutschland
Die Kindertagespflege ist nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 (einem Gesetz zur Änderung des SGB VIII) neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung[2].
Tagespflege ist eine familienähnliche Betreuungsform und wird vor allem für Kinder unter drei Jahren in Anspruch genommen. Die individuelle Förderung, die familiäre Betreuungssituation und die hohe zeitliche Flexibilität werden als wesentlicher Vorteil der Tagespflege gegenüber der Kindertagesstätte gesehen. Eine Tagespflegeperson, die sich fachlich, persönlich und gesundheitlich eignet, betreut ein bis fünf Kinder. Sie braucht geeignete Räume und eine Pflegeerlaubnis. Über die Eignung der Person oder der Räume treffen einige Landesgesetze (oder Verordnungen) nähere Festlegungen. Zuweilen haben auch die vermittelnden und finanzierenden Jugendämter eigene Beurteilungsmaßstäbe.
Seit 2006 mussten alle Kindertagespflegepersonen eine pädagogische Qualifizierung und einen Erste-Hilfe-Kurs am Kind nachweisen. Standard war dabei ein Umfang von 160 Unterrichtseinheiten nach dem DJI[3]. Seit 2015 etabliert sich eine Qualifizierung im Umfang von 300 Stunden nach dem Qualifizierungshandbuch Kindertagespflege (QHB 300)[4], sowie ein Praktikum und Lernergebnisfeststellungen.
Kindertagespflege ist auch in einer „Großtagespflegestelle“ möglich. Bei der Großtagespflege arbeiten mehrere Tagespflegepersonen zusammen und betreuen jeweils ihre Tageskinder in gemeinsamen Räumlichkeiten. In der Regel werden dazu spezielle Räumlichkeiten – z. B. eine geeignete Wohnung – angemietet bzw. eingerichtet. In der Großtagespflegestelle muss zumeist mindestens eine Tagesmutter oder ein Tagesvater eine pädagogische Fachkraft sein. Der Vorteil von Großtagespflegestellen liegt in der größeren Flexibilität: Kosten für Räume können geteilt werden und Tagespflegepersonen können sich gegenseitig vertreten, so dass die mit der Erkrankung einer Tagespflegeperson verbundenen Ausfallrisiken gesenkt werden können. Die Kosten für die Kommunen sind wesentlich geringer als bei der Förderung von Kinderkrippenplätzen. 2017 gab es in Deutschland 3368 Großtagespflegestellen[5].
Die Zahl der Kindertagespflegepersonen nahm von 2006 bis 2017 um 43 Prozent zu.[5]
Betreuungsanspruch und Finanzierung
Das Jugendamt oder ein vom Jugendamt beauftragter Fachdienst vermittelt die Kindertagespflege[6]. Wie in der Kindertagesstätte beteiligen sich die Eltern und zahlen entweder an das Jugendamt oder an die Tagespflegeperson.
Seit dem 1. August 2013 besteht für alle Kinder ab einem Jahr ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Rechtsanspruch kann eingeklagt werden.
Neuere Entwicklung
Angesichts des Mangels an Plätzen für jüngere Kinder erhält die Kindertagespflege und Großtagespflege auf dem Hintergrund der Debatte um Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine wachsende Bedeutung. Die erkennbare Professionalisierung (Qualifizierung, Sozial- und Unfallversicherung der Tagespflegepersonen) verändert diese Tätigkeit von der honorierten, ehrenamtlichen Kinderbetreuung zum Beruf. Die Einkünfte sind steuerpflichtig. Im März 2017 nutzten die Eltern von 162.395[5] Kindern öffentlich geförderte Kindertagespflege. Wie viele Kinder von privat finanzierten Tagesmüttern betreut werden, ist statistisch nicht erfasst.[7]
Seit dem 1. Juni 2021 ist im § 8a Abs. 5 SGB VIII geregelt, dass auch Kindertagespflegepersonen einen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung haben.[8]
Österreich
Die Kinderbetreuung bei Tagesmüttern wird in Österreich je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt. Nach der Vereinbarung über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots zwischen Bund und Ländern sind Tagesmütter jedoch übereinstimmend facheinschlägig ausgebildet und haben eine behördliche Bewilligung im Sinne der einschlägigen Gesetze.[9] In Vorarlberg findet eine fachliche Auswahl, Ausbildung, Weiterbildung und Begleitung der Tagesmütter über die Vorarlberger Tagesmütter gemeinnützige GmbH statt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Kinderbetreuung bei einer Tagesmutter sind im Jugendwohlfahrtsgesetz geregelt. Dies gibt unter anderem Auskunft über die Pflegebewilligung, die jede Tagesmutter haben muss, die Pflegeaufsicht, die über die GmbH in Zusammenarbeit mit der JWF geleistet wird und die erlaubte Anzahl an Kindern, die betreut werden kann. Die Tagesmütter bieten ihre Betreuung in ihrer eigenen Wohnung bzw. ihrem eigenen Haus an. Die familienähnliche Betreuung ist sehr flexibel und auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kinder und deren Eltern abgestimmt. Soziales Lernen und pädagogische Förderung kann in den kleinen, altersgemischten Gruppen stattfinden. Die Tagesmutter kann auf die Kinder eingehen und sie fördern und unterstützen.
Schweiz
In der Schweiz werden die Tageseltern vorwiegend über regionale Tagesfamilienvermittlungen (Tagesfamilienvereine) vermittelt. Diese schliessen mit den Gemeinden Leistungsvereinbarung ab, welche oft auch subventionierte Tarife für die Eltern anbieten. Die Aufsicht der Tageseltern obliegt den jeweiligen Gemeinden. Die Vermittlung einer Tagesfamilie, Rechnungsstellung, Lohnauszahlungen und Versicherungsangelegenheiten liegen in der Verantwortung der Tagesfamilienvereine. Auch wird verlangt, dass die Tageseltern über eine genügende Grundbildung (Grundkurs für Tageseltern vom Verband KibeSuisse, Kurs Notfälle bei Kleinkindern) verfügen und an regelmässigen Weiterbildungskursen teilnehmen.
Daneben gibt es auch Tageseltern, welche ihre Dienstleistung auf privater Basis anbieten. Dort sind Ausbildung, Versicherungsdeckung und die unabhängige Aufsicht der Tageseltern unklar.
Siehe auch
Literatur
- ZeT – Zeitschrift für Tagesmütter und -väter, Klett-Kita-Verlag. Abonnementzeitschrift.
- Ilka Köhler: Praxis Kindertagespflege: Raumgestaltung, 1. Auflage 2013, Cornelsen Scriptor, ISBN 978-3589248209
- L. Schuhegger, V. Hundegger, H. Lipowski u. a.: Qualität in der Kindertagespflege Qualifizierungshandbuch (QHB) für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern unter drei, Klett-Verlag 2020, ISBN 9783772714689
Weblinks
- Onlinehandbuch Kindertagespflege
- Homepage des Bundesverbands für Kindertagespflege
- Tagesbetreuungsausbaugesetz (PDF-Datei; 320 KB)
- Deutscher Bildungsserver: Tagespflege
- Informationen zu Tätigkeitsmerkmalen, beruflichen Anforderungen und (Kurz-)Ausbildungen in Österreich im Berufslexikon des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS)
- Sicherheits-Ratgeber für Tagesmütter und Tagesväter in der Kindertagespflege (PDF-Datei; 780 KB)
Einzelnachweise
- ↑ Achtes Buch Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfegesetz, Zweites Kapitel – Leistungen der Jugendhilfe (§§ 11 – 41), Dritter Abschnitt – Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 – 26), § 22 Grundsätze der Förderung
- ↑ § 24 SGB 8 - Einzelnorm. Abgerufen am 26. März 2018.
- ↑ DJI - Wissenschaftliche Begleitung Aktionsprogramm Kindertagespflege - Stufe 1. Abgerufen am 1. April 2022.
- ↑ Bundesverband für Kindertagespflege | Infos zum QHB. Abgerufen am 1. April 2022.
- 1 2 3 Staat & Gesellschaft - Kinder- & Jugendhilfe - Statistisches Bundesamt (Destatis). Abgerufen am 26. März 2018.
- ↑ § 23 SGB 8 - Einzelnorm. Abgerufen am 26. März 2018.
- ↑ Preußische Allgemeine Zeitung, Folge 43-10 vom 30. Oktober 2010
- ↑ Beschlossene Änderungen des SGB VIII im Bereich der Kindertagespflege. Abgerufen am 1. April 2022.
- ↑ Artikel 4 Ziffer 2 der Vereinbarung (BGBl. I Nr. 85/2014)
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