Kleo Pleyer
Kleophas Franz Pleyer (* 19. November 1898 in Eisenhammer bei Hluboka, Österreich-Ungarn; † 26. März 1942 bei Staraja Russa in Russland) war ein sudetendeutscher nationalsozialistischer Politiker und Historiker.
Leben und Werk
Kleophas Franz Pleyer, der sich später stets nur Kleo Pleyer nannte, wurde als das neunte Kind eines Hammerschmieds geboren. Das zehnte war der Schriftsteller Wilhelm Pleyer. Barbara Rotraut Pleyer ist eine Tochter.
Als siebzehnjähriger Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg wurde Kleo Pleyer verwundet und mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie, den er in einer ungarischen Garnison erlebte, beteiligte er sich 1919 als Jugendfunktionär an den Unruhen in den deutschen Gebieten der Tschechoslowakei. Er besuchte die Egerländer Volkshochschule in Dölitz, wo er sich der Jugendbewegung anschloss. Ab 1920 betätigte er sich als Jugendführer, Parteiredner, Gründer der Sudetendeutschen Tageszeitung und Propagandadichter in der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei der Tschechoslowakei, für die er das „Kampflied der Nationalsozialisten“[1] schrieb, mit dessen erster Strophe das 1927 gedruckte Parteiprogramm der NSDAP schloss.
In Prag holte Pleyer das Abitur nach und nahm 1922 ein Studium der Germanistik, Slawistik und Philosophie an der Karl-Ferdinands-Universität auf. Nationalsozialistische Betätigung trugen ihm Untersuchungshaft und Hochverratsanklage ein. Er stand der Deutschen Studentenschaft in Prag vor und wurde 1923 von der Universität relegiert, nachdem er einen Studentenstreik gegen den jüdischen Universitätsrektor Samuel Steinherz organisiert und weitere Hochschullehrer antisemitisch angegriffen hatte. Im Oktober 1923 kam er nach München, wo er am Hitlerputsch teilnahm. Er engagierte sich führend im völkischen Hochschulring Deutscher Art, für den er unter anderem die Deutschen Akademischen Stimmen redigierte.
Am 21. Dezember 1923 verfügte Generalstaatskommissar Gustav von Kahr Pleyers Ausweisung aus Bayern. Pleyer ging nach Tübingen, wo er 1925 bei Johannes Haller über Die Politik Nikolaus' V. (1927) promoviert wurde. Im gleichen Jahr wurde er bei einer nationalsozialistischen Demonstration gegen den Mathematiker und Pazifisten Emil Julius Gumbel, die sich zu einer Straßenschlacht mit Angehörigen des Reichsbanners entwickelte, verhaftet und des Landfriedensbruchs angeklagt. 1926 ging er als Assistent an das von Max Hildebert Boehm geleitete Berliner Institut für Grenz- und Auslandsstudien. Innerhalb des Vereins für das Deutschtum im Ausland gründete er einen „Volkswirtschaftlichen Arbeitskreis“. 1928 wurde Pleyer Assistent von Martin Spahn. Von 1930 bis 1933 lehrte er als Dozent an der Berliner Hochschule für Politik und anschließend an der Friedrich-Wilhelms Universität Berlin, wo er sich 1934 bei Hermann Oncken habilitierte.
Im August 1930 referierte Pleyer vor dem Jugendbund Deutscher Kreis über den „bündischen Gedanken“ in der deutschen Geschichte und veranlasste den Bund, sich politisch zu engagieren. Dazu wurde am 17. August 1930 die Bündische Reichsschaft, eine Dachorganisation mit völkischen und neonationalistischen Zielen, gegründet. Pleyer, der selbst keinem Jugendbund angehörte, übernahm die Führung. Die Zeitschrift des Deutschen Kreises, die Bündische Welt, erschien ab Dezember 1930 mit dem Untertitel Monatsschrift der Bündischen Reichsschaft. Zu dieser Zeit und bis 1934 bestand ein enges und aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken mit August Georg Kenstler und dessen Zeitschrift Blut und Boden.
Pleyer gehörte ab 1935 beim Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands dem Beirat der „Forschungsabteilung Judenfrage“ an. 1937 wurde er als Professor für mittlere und neuere Geschichte an die Universität Königsberg berufen. Dort übernahm er den Lehrstuhl des von den Nazis als Juden vertriebenen Professors Hans Rothfels. 1939 wechselte er als Professor an die Universität Innsbruck. Nachdem er bereits seit 1925 Mitglied der DNSAP gewesen war, trat er 1940 der NSDAP bei. Pleyer zählt – dem Historiker Ulrich Pfeil zufolge – neben Walter Frank und Adolf Helbok zu den radikalsten „Nazi-Historikern, die sich unbestritten in den Dienst des Regimes stellten, antisemitisch waren und die Politik des Völkermordes rechtfertigten“.[2]
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges meldete er sich erneut freiwillig zum aktiven Wehrdienst. Ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz Erster und Zweiter Klasse fiel er als Oberleutnant und Kompaniechef während der Kesselschlacht von Demjansk.
Während seines letzten Fronturlaubs zur Jahreswende 1941/42 verfasste Pleyer das Buch Volk im Feld, das die brutale Behandlung von Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung im Osten rechtfertigte, die „Ausrottung des Judentums“ propagierte und während des Krieges in hohen Auflagen gedruckt und verbreitet wurde.[3]
In Königsberg wurde Pleyer 1944 posthum der Kant-Preis verliehen.
Von Pleyers Schriften wurden Die Kräfte des Grenzkampfes in Ostmitteleuropa (Hanseatische Verlags-Anstalt, Hamburg 1937), Gezeiten der deutschen Geschichte (Langen/Müller, München 1939) und Volk im Feld (Hanseat. Verl. Anst., Hamburg 1943) nach dem Krieg in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[4]
Schriften (Auswahl)
- Frühlicht. Gedichte. Aurora, Dresden-Weinböhla 1920.
- Wintersonnenwende. Ein Zeitwerk in 4 Aufz. 1. Auflage. M. Ahnert, Cassel 1922.
- Die Politik Nikolaus V. Kohlhammer, Stuttgart 1927. (Dissertation bei Johannes Haller)
- (Hrsg.): Jugend und Reich. Im Auftrag und Verlag des Bundes Jungdeutschland, Berlin 1928.
- Die Landschaft im neuen Frankreich: Stammes- und Volksgruppenbewegung im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts. W. Kohlhammer, Stuttgart 1935. (Habilitationsschrift)
- Die Kräfte des Grenzkampfes in Ostmitteleuropa. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1937. Schriften des Reichsinstitutes für Geschichte des neuen Deutschlands.
- Stein und Stadion. In: Gesamtdeutsche Vergangenheit : Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik zum 60. Geburtstag am 10. November 1938. Bruckmann, München 1938, S. 222–235.
- Gezeiten der deutschen Geschichte. Langen/Müller, München 1939.
- Kampf um den deutschen Lebensraum – Ein raumpolitischer Atlas mit Erläuterungen; Vom politischen Ende des römischen Reiches deutscher Nation bis zum germanischen Reich deutscher Nation. Hrsg. von dem Verlag der Zeitschriften "Die Zivilversorgung" und "Staats- und Selbstverwaltung". Kameradschaft Verlagsgesellschaft Gersbach und Co, Berlin 1938
- Frankreich als Nationalitätenstaat. In: Deutschlands Erneuerung : Monatsschr. für d. dt. Volk.25 (1941) 1941, S. 130–135.
- Grossdeutsche Geschichtskunde. In: Reich und Reichsfeinde.3 (1943) 1943, S. 125–142.
- Volk im Feld. Hanseatische Verl.-Anst, Hamburg 1943. (Mehrere Auflagen)
Literatur
- René Betker, Alexander Korb: Pleyer, Kleo. In: Ingo Haar, Michael Fahlbusch (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften: Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme, Bd. 1. De Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-043891-8, S. 601–606.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Gerhard Oberkofler: Ludwig Spiegel und Kleo Pleyer. Deutsche Misere in der Biografie zweier sudetendeutscher Intellektueller. StudienVerlag, Innsbruck 2012, ISBN 978-3-7065-5203-5.
- Willi Oberkrome: Geistige Leibgardisten und völkische Neuordner. Varianten der Berliner universitären Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus. In: Rüdiger vom Bruch, Christoph Jahr (Hrsg.): Die Berliner Universität in der NS-Zeit. 2 Bde. Steiner, Stuttgart 2005, Bd. 2, S. 123–132.
- Hermann Weiß: Pleyer, Kleo Franz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 541 f. (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Kleo Pleyer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- 1 Brief nebst Kurzbiographie und Drucksache (5 Blatt) von Kleo Pleyer, Prag, 8. Juni 1922 an Franz Brümmer; In: Digitale Edition des lexikographischen Nachlasses Franz Brümmer
Einzelnachweise
- ↑ Tobias Weger: „Volkstumskampf“ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen, 1945–1955. Lang, Frankfurt am Main/New York 2008, ISBN 978-3-631-57104-0, S. 337.
- ↑ Ulrich Pfeil: Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter: Ein personengeschichtlicher Ansatz. München 2007, ISBN 978-3-486-58519-3, S. 17. Online hier; ähnlich Peter Schöttler: Die historische „Westforschung“ zwischen „Abwehrkampf“ und territorialer Offensive. In Peter Schöttler, Hrsg.: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918-1945, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1997, ISBN 3-518-28933-0, S. 223.
- ↑ Alexander Korb, René Betker: Kleo Pleyer. In: Michael Fahlbusch u. a. (Hrsg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften: Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Band 1. De Gruyter, Berlin 2017, ISBN 978-3-11-043891-8, S. 604.
- ↑ Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur, S. 306–321
Personendaten | |
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NAME | Pleyer, Kleo |
ALTERNATIVNAMEN | Pleyer, Kleophas Franz (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | sudetendeutscher Historiker und nationalsozialistischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 19. November 1898 |
GEBURTSORT | Eisenhammer |
STERBEDATUM | 26. März 1942 |
STERBEORT | bei Staraja Russa |