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vom 04.05.2022, aktuelle Version,

Klosneuvirus

„Klosneuvirus“
Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Varidnaviria[1]
Reich: Bamfordvirae[1]
Phylum: Nucleocytoviricota[1]
Klasse: Megaviricetes[1]
Ordnung: Imitervirales[1]
Familie: Mimiviridae
Unterfamilie: „Klosneuvirinae“/„Aquavirinae“/„Megavirinae“
Gattung: „Klosneuvirus“
Taxonomische Merkmale
Symmetrie: ikosaedrisch
Hülle: mehrschichtig
Wissenschaftlicher Name
„Klosneuvirus“
Kurzbezeichnung
KNV
Links

Klosneuvirus“ (KNV, auch KloV – nicht zu verwechseln mit der Gattung Klosterneuburgvirus aus der Familie Salasmaviridae der Caudoviricetes) ist ein Riesenvirus aus der Familie der Mimiviridae im Phylum Nucleocytoviricota (veraltet Nucleocytoplasmic large DNA viruses, NCLDV). Es wurde im Metagenom einer Kläranlage in der österreichischen Stadt Klosterneuburg nahe Wien entdeckt. Mit 1,57 Millionen Basenpaaren besitzt es ein ungewöhnlich großes Genom. Wie aus Zellen aufgebaute Organismen besitzt es Aminoacyl-tRNA-Synthetasen für alle 20 Aminosäuren.[2]

Die Entdeckung vom „Klosneuvirus“ widerlegt die Hypothese eines vierten Reichs der Biologie (bzw. Domäne). Demnach gebe es neben den Bakterien, Archaeen und Eukaryoten einst eine vierte, inzwischen verschwundene Gruppe. Deren Nachfahren seien die heutigen Riesenviren. Aus der Analyse des Genoms von KNV ergab sich stattdessen, dass Riesenviren sich aus kleineren Viren unter Aneignung von eukaryotischem Genmaterial entwickelten.[2][3][4]

Das International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) hat nach offizieller Bestätigung der höheren taxonomischen Ränge für Viren (mit dem obersten Rang Realm anstelle von Domäne) auch eine Heimat für die NCLDV geschaffen, und sie mit der Master Species List (MSL) #35 im März 2020 dem Realm Varidnaviria zugewiesen.[1]

Genom

Die Typusspezies Klosneuvirus KNV1 hat eine Genomlänge von 1.573.084 bp und kodiert nach Vorhersage 1545 Proteine; der GC-Gehalt liegt bei 29 %.[3][5]

Systematik

Virionen von „ Fadolivirus“ in der Wirtszelle.

Das „Klosneuvirus“ bildet zusammen mit den drei weiteren ebenfalls in Klosterneuburg entdeckten Kandidaten

nach Sichtweise der meisten Autoren eine vorläufig „Klosneuvirinae“ genannte Unterfamilie in der Familie der Mimiviridae.[2][11] Während die Zugehörigkeit dieser ganzen Gruppe der Klosneuviren zur Familie der Mimiviridae unbestritten ist, wird die genaue Topologie der Verwandtschaftsbeziehungen und Nomenklatur innerhalb dieser Familie, und zu möglichen Erweiterungen (d. h. innerhalb der vom ICTV im März 2020 geschaffenen Ordnung Imitervirales) derzeit (April 2020) noch stark diskutiert:

Deeg et al. (2018) verstehen die Klosneuviren als Subtaxon einer erweiterten Unterfamilie „Megavirinae“, die alle herkömmlichen Mimiviridae umfasst, und zu der die ehemals zu den Phycodnaviridae gestellten Kandidaten (mit der „OLPG“, „Organic Lake Phycodnavirus Group“ genannten Gruppe) als Unterfamilie „Mesomimivirinae“ ein Schwestertaxon innerhalb einer umfangreichen Familie Mimiviridae bilden.[13]

Wegen der hohen Diversifikation der Riesenviren bevorzugen dagegen Koonin et al. (April 2014) höhere Ränge. Mit Mimiviridae werden weiter nur die klassischen Vertreter bezeichnet, inklusive der Klosneuviren und Cafeteriaviren, dazugesellen sich die ehemaligen Phycodnaviridae als Schwesterfamilie „Mesomimiviridae“. Mit dieser Erweiterung zusammen bilden die Mimiviridae die vorgeschlagene Ordnung Imitervirales[14]

Während dies nur unterschiedliche Bezeichnungen sind und keine Änderung an der Topologie des phylogenetischen Baumes bedeuten, sehen manche Autoren (wie das CNRS) jedoch eine enge Verwandtschaft der Klosneuviren mit den Cafeteriaviren und „Namo-Virus“ und schlagen daher eine gemeinsame Unterfamilie „Aquavirinae“ vor.[15][16]

Während das National Center for Biotechnology Information (NCBI) das Bodo-saltans-Virus (BsV) als Schwesterspezies von Klosneuvirus KNV1 in der Gattung Klosneuvirus sieht,[17] schlagen Disa Bäckström et al. (2019), Fig. 3, eine Systematik der Klosneuviren mit dem Catovirus als nächsten Verwandten von BsV unter den vier ursprünglichen Klosneuviren (von Schulz et al. 2017) vor (Fig. 3).[3] Dies in Übereinstimmung mit Schulz et al. (2018), die noch weitere Kandidaten aus ihren Metagenomanalysen von Bodenproben hinzufügen:[6]

 Klosneuviren 

Hokovirus


   

Gaeavirus


   


Homavirus


   

LCMiAC01


   

LCMiAC02



   


Indivirus


   

Barrevirus



   

Klosneuvirus



Vorlage:Klade/Wartung/3

   


Dasosvirus


   

Bodo-saltans-Virus



   

Edafovirus


   

Catovirus


   

Terrestrivirus


   

Harvfovirus


   

Hyperionvirus










Vorlage:Klade/Wartung/Style

Ins obige Kladogramm wurden die beiden Funde von Lokis Schloss nach Bäckström et al. (2019) eingepflegt, da das dort in Fig. 3 angegebene Kladogramm im Realm der Klosneuviren kompatibel ist (insbesondene was die basale Stellung von „Hokovirus“ anbelangt).[3]

Clara Rolland et al. (2019) haben ein etwas abweichendes Kladogramm vorgeschlagen:[11]

Ultradünnschnitt von Fadolivirus- Partikeln im Inneren ihres Wirts Vermamoeba vermiformis 36  h nach der Infektion. [7] [Anm. 2]
 Klosneuviren 


Hokovirus


   


Indivirus


   

Barrevirus



   

Fadolivirus


   

Klosneuvirus





   


Yasminevirus


   

Dasosvirus



   

Bodo-saltans-Virus


   

Catovirus


   

Edafovirus


   

Terrestrivirus


   

Harvfovirus


   

Hyperionvirus









Vorlage:Klade/Wartung/Style

Anmerkung: Beide Kladogramme sind so wiedergegeben, dass die Verschiebungen in der Topologie leicht erkennbar sind.

Das ICTV hatte in der MSL#35 im März 2020 noch keine Klosneuviren aufgenommen.

Anmerkungen

  1. Lokis Schloss ist Namensgeber der Archaeengruppe Lokiarchaeota.
  2. Das Material wurde von dieser Quelle kopiert, die unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International License verfügbar ist.

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 ICTV: ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  2. 1 2 3 4 5 Frederik Schulz, Natalya Yutin, Natalia N. Ivanova, Davi R. Ortega, Tae Kwon Lee, Julia Vierheilig, Holger Daims, Matthias Horn, Michael Wagner: Giant viruses with an expanded complement of translation system components. In: Science. 356, Nr. 6333, 7. April 2017, ISSN 0036-8075, S. 82–85. bibcode:2017Sci...356...82S. doi:10.1126/science.aal4657. PMID 28386012., UCPMS ID: 1889607, escholarship.org (PDF; 1,8 MB)
  3. 1 2 3 4 Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema; Richard P. Novick (Hrsg.): Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism, in: mBio Vol. 10, Nr. 2, März–April 2019, S. e02497-18, PDF (PDF) doi:10.1128/mBio.02497-18, PMC 6401483 (freier Volltext), PMID 30837339, ResearchGate
  4. Eugene V. Koonin, Natalya Yutin: Evolution of the Large Nucleocytoplasmatic DNA Viruses of Eukaryotes and Convergent Origins of Viral Gigantism, in: Advances in Virus research, Band 103, AP 21. Januar 2019, doi:10.1016/bs.aivir.2018.09.002, S. 167–202. Die Klosneuviren sind teilweise als Klosneviren fehlgeschrieben.
  5. David M. Needham, Alexandra Z. Worden et al.: A distinct lineage of giant viruses brings a rhodopsin photosystem to unicellular marine predators, in: PNAS, 23. September 2019, doi:10.1073/pnas.1907517116, ISSN 0027-8424, hier: Supplement 1 (xlsx)
  6. 1 2 Frederik Schulz, Lauren Alteio, Danielle Goudeau, Elizabeth M. Ryan, Feiqiao B. Yu, Rex R. Malmstrom, Jeffrey Blanchard, Tanja Woyke: Hidden diversity of soil giant viruses. In: Nature Communications, volume 9, Article number: 4881, 19. November 2018; doi:10.1038/s41467-018-07335-2
  7. 1 2 Hadjer Boudjemaa, Julien Andreani, Idir Bitam, Bernard La Scola: Diversity of Amoeba-Associated Giant Viruses Isolated in Algeria, in: Diversity, Band 12, Nr. 6, 215, 29. Mai 2020, doi:10.3390/d12060215.
  8. Leena Hussein Bajrai, Saïd Mougari, Julien Andreani, Emeline Baptiste, Jeremy Delerce, Didier Raoult, Esam Ibraheem Azhar, Bernard La Scola, Anthony Levasseur; Joanna L. Shisler (Hrsg.): Isolation of Yasminevirus, the First Member of Klosneuvirinae Isolated in Coculture with Vermamoeba vermiformis, Demonstrates an Extended Arsenal of Translational Apparatus Components. In: JVirol, 94(1), Herbst 2019, doi:10.1128/JVI.01534-19
  9. Rodrigo Araújo Lima Rodrigues, Lorena Christine Ferreira da Silva, Jônatas Santos Abrahão: Translating the language of giants: translation-related genes as a major contribution of giant viruses to the virosphere, in: Archives of Virology 165, Nr. 6, S. 1267–1278, 24. April 2020, doi:10.1007/s00705-020-04626-2, insbes. Fig. 4 (Yasminevirus sp. GU-2018)
  10. NCBI: Yasminevirus sp. GU-2018 (species)
  11. 1 2 3 Clara Rolland, Julien Andreani, Amina Cherif Louazani, Sarah Aherfi, Rania Francis, Rodrigo Rodrigues, Ludmila Santos Silva, Dehia Sahmi, Said Mougari, Nisrine Chelkha, Meriem Bekliz, Lorena Silva, Felipe Assis, Fábio Dornas, Jacques Yaacoub Bou Khalil, Isabelle Pagnier, Christelle Desnues, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Jônatas Abrahão, Bernard La Scola: Discovery and Further Studies on Giant Viruses at the IHU Mediterranee Infection That Modified the Perception of the Virosphere. In: Viruses, 11(4), März/April 2019, pii: E312, doi:10.3390/v11040312, PMC 6520786 (freier Volltext), PMID 30935049. Anm.: Die „Klosneuvirinae“ sind per Namensendung eine (vorgeschlagene) Unterfamilie der Mimiviridae, erst recht können die vorgeschlagenen Vertreter Yasminevirus und Fadolivirus nicht auch selbst neue Familien repräsentieren. Sie sind nicht die ersten isolierten Vertreter dieser Unterfamilie, das ist – wie an anderer stelle korrekt festgestellt wird, Bodo-saltans-Virus.
  12. Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema; Richard P. Novick (Hrsg.): Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism. in: mBio Band 10, Nr. 2, 2019, doi:10.1128/mBio.02497-18
  13. C.M. Deeg, E.C.T. Chow, C.A. Suttle: The kinetoplastid-infecting Bodo saltans virus (BsV), a window into the most abundant giant viruses in the sea. In: eLife. 7, 2018, S. e33014. doi:10.7554/eLife.33014.
  14. Jonathan Filée: Giant viruses and their mobile genetic elements: the molecular symbiosis hypothesis, in: Current Opinion in Virology, Band 33, Dezember 2018, S. 81–88; bioRxiv: 2018/04/11/299784 (Preprint-Volltext)
  15. List of the main “giant” viruses known as of today. (PDF; 334 kB) Centre national de la recherche scientifique, Université Aix Marseille, 18. April 2018.
  16. List of the main “giant” viruses known as of today (March 2019). (PDF) Centre national de la recherche scientifique, Université Aix Marseille, März 2019.
  17. NCBI: Klosneuvirus (Gattung), Zugriffsdatum: 2. August 2019